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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifabschluss Stahl: Wieder bewusst eine Chance vertan

Von D. Berger | 01.03.2008

In der Tarifrunde Stahl gab es gute Chancen, die eigene Forderung von 8% durchzusetzen. Doch wieder einmal nahm die Gewerkschaftsbürokratie eine aufgestellte Forderung nicht ernst und schloss lieber einen faulen Kompromiss ab. Dabei waren die Forderungen mehr als berechtigt. Ähnlich wie in den Vorjahren fielen zwei gute Voraussetzungen zusammen:

In der Tarifrunde Stahl gab es gute Chancen, die eigene Forderung von 8% durchzusetzen. Doch wieder einmal nahm die Gewerkschaftsbürokratie eine aufgestellte Forderung nicht ernst und schloss lieber einen faulen Kompromiss ab.

Ähnlich wie in den Vorjahren fielen zwei gute Voraussetzungen zusammen:

  • •    Die weltweite Stahlkonjunktur hält seit 2004 an (mit nur einer kleinen Delle 2007). Die Weltstahlproduktion stieg 2006 um 8% und 2007 um 7%. Selbst das zurückhaltende RWI erwartet für 2008 ein Plus von 4,6% auf 1,37 Mrd. t.
  • •    Die Erwartungen der KollegInnen und ihre Mobilisierungsbereitschaft waren hoch. Allein am 18. Februar nahmen 7000 KollegInnen in NRW an Warnstreiks teil.

Die Forderungen waren mehr als berechtigt
Nicht zuletzt der gute Einsatz der LokführerInnen im Herbst letzten Jahres hatte wieder Mut gemacht. Sie haben vorexerziert, dass auch in Zeiten des Neoliberalismus für die Durchsetzung der eigenen Interessen gekämpft – und gestreikt! – werden kann. Deswegen wurde gegen den Willen einiger Bürokraten in der Tarifkommission Stahl die mehr als berechtigte Forderung nach 8% Lohnerhöhung aufgestellt (100 € für Azubis). Es kam also nur darauf an, die gute Stimmung zu nutzen. Ähnlich wie im Öffentlichen Dienst sagten die KollegInnen: „Jetzt sind wir dran!“

Dass die Bürokratie die aufgestellte Forderung nicht wirklich ernst nahm, wurde spätestens am 18. Februar klar, als dpa meldete: „Als ‚magische Zahl‘ deutete Huber eine 5 vor dem Komma an.“ Wer gibt diesem selbstherrlichen Bürokraten das Recht, über die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen sowie über die Tarifkommission hinweg der Gegenseite anzuzeigen, dass die Kolleginnen und Kollegen gar keine 8% wollen? Welchen Wert hat die Aufstellung einer Forderung, wenn in völlig undemokratischer Weise ein selbstherrlicher Vorsitzender sich über gefasste Beschlüsse hinwegsetzen kann?
Ergebnis schön gerechnet
Wir sind es gewohnt: Ergebnisse werden schön gerechnet, um sie besser verkaufen zu können. Der Abschluss von 5,2 % gilt für 14 Monate, was auf das Jahr umgerechnet nur 4,46% sind. Die Azubis bekommen auch keine 100 € sondern nur 70 € und an Arbeitszeitverkürzung wurde überhaupt nichts erreicht, auch nicht für die älteren KollegInnen. Dabei hätte gerade hier kein Zugeständnis gemacht werden dürfen. Schließlich ist in Deutschland seit 2003 die Produktivität um 16% gestiegen, was zu einem Abbau von 5000 Stellen geführt hat.
Wir wollen kein GERT!
Außerdem wurde vereinbart, bis spätestens Ende Juni 2009 ein Gemeinsames Entgeltrahmenabkommen (GERT) abzuschließen. Aber genau das sollten die KollegInnen durch ihr aktives Eingreifen verhindern. Zu negativ sind schließlich die Erfahrungen mit ERA, wo sich die IG Metall als vollkommen unfähig erwiesen hat, den Lohnsenkungswünschen der Unternehmer einen wirksamen Riegel vorzuschieben. ERA wird in vielen Metallbetrieben mit Entgelt-Reduzierungs-Abkommen übersetzt. Wir haben nicht das Vertrauen, dass der Apparat der IG Metall ausreichende Lehren aus dem Fiasko von ERA gezogen hat, denn nirgendwo haben Vorstand oder Tarifabteilung bisher zu erkennen gegeben, dass ERA hätte anders abgeschlossen werden müssen. ERA ist ein Kostensenkungsprogramm für die Unternehmen und passt sich voll in die Standortlogik ein.

Da die Chance, wirklich die eigene Forderung durchzusetzen, mutwillig vertan wurde, sollte die Tarifkommission das Ergebnis am 25. Februar ablehnen. Wir rechnen allerdings mit einer breiten Zustimmung, weil noch zu wenig kritisches Bewusstsein verbreitet ist und zu wenige KollegInnen (vor allem in der Tarifkommission) die vertane Chance klar benennen. Wie sehr die Gegenseite unter Druck war und zu ganz anderen Zugeständnissen hätte bewegt werden können, hat das Hausblatt der Bourgeoisie Das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 21. Februar indirekt zum Ausdruck gebracht.

 

Bewertung des Handelsblatts
"Ein schneller und relativ hoher Abschluss war unterdessen von vielen erwartet worden. Die Stahlbranche boomt weltweit. In Deutschland führende Unternehmen wie Thyssen-Krupp oder Salzgitter verbuchen Rekordgewinne. So haben allein die beiden Stahl-Segmente von Thyssen-Krupp im Geschäftsjahr 2006/07 zusammen über 2,4 Mrd. Euro Vorsteuergewinn erreicht. Für 2008 kündigte Vorstandschef Ekkehard Schulz jüngst „erneut ein gutes Stahljahr“ an – trotz eines Gewinnrückgangs im ersten Geschäftsjahresquartal. Die deutschen Werke produzieren nicht selten an der Kapazitätsgrenze – 2008 schon das dritte Jahr in Folge. Auf einen Streik wollten es die Arbeitgeber denn auch nicht ankommen lassen. Er hätte „verheerende Auswirkungen“ auf Betriebe und die ganze Volkswirtschaft gehabt, sagte Koch." [Koch ist der Verhandlungsführer für die Stahlindustrie; D. B.]

 

 

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