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Innenpolitik

Versammlungsrecht wird zum Polizeigesetz

Von Trixi Blixer | 01.04.2008

Bis jetzt war das Versammlungsrecht ein Bundesgesetz (kurz VersG), das in allen Bundesländern die gleiche Gültigkeit hatte. Mit der zum 1.9.2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform ging die Gesetzgebung an die Länder über. In Bayern wurde nun ein Gesetzentwurf vorgelegt, der deutlich mehr einschränkt, als das alte Bundesgesetz. Bekannt für seinen repressiven Umgang v.a. gegen linke DemonstrantInnen, Punks oder MigrantInnen ist Bayern ja schon immer…

Bis jetzt war das Versammlungsrecht ein Bundesgesetz (kurz VersG), das in allen Bundesländern die gleiche Gültigkeit hatte. Mit der zum 1.9.2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform ging die Gesetzgebung an die Länder über. In Bayern wurde nun ein Gesetzentwurf vorgelegt, der deutlich mehr einschränkt, als das alte Bundesgesetz.

Bekannt für seinen repressiven Umgang v.a. gegen linke DemonstrantInnen, Punks oder MigrantInnen ist Bayern ja schon immer. Nun hat das bayerische Innenministerium die Chance nicht verstreichen lassen: im CSU-Hoheitsgebiet selber festlegen, wer wie und wo demonstrieren darf und v.a. wie mit der Polizei kooperieren muss. Das alte VersG hat sich „zwar grundsätzlich bewährt. In den letzten Jahren zeigten sich aber tatsächliche und rechtliche Entwicklungen, denen es mittlerweile nicht mehr in vollem Umfang Rechnung trägt.“ (Einleitung zum Gesetzentwurf 18.1.08). Und da mensch sich der Macht im Freistaat sicher ist, soll noch in diesem Frühjahr das Gesetz durch den Landtag gepeitscht werden. Dann können Demonstrationen im Freien und in geschlossenen Räumen endlich auch legal durch die ausführenden Behörden behindert werden. Sollte sich nicht schnellstens eine starke Gegenbewegung gegen dieses Vorhaben entwickeln, werden wir in Zukunft größte Probleme haben, unseren Protest in die Öffentlichkeit zu tragen.
Viele Details
Dort wo das VersG des Bundes noch recht grob beschrieb, was eine Versammlung ist und wie viele Personen sie umfasst, da geht der bayerische Entwurf ins Detail. Klar ist, je detaillierter die Beschreibungen sind, desto eingeschränkter ist die rechtliche Grundlage. In Bayern sollen künftig nacht Art. 2 schon 2 Personen eine Versammlung darstellen, die „überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung“ durchführen. Die Entscheidung darüber, wer eine solche Versammlung darstellt, obliegt anscheinend der Polizei. Sehr viel problematischer geht es dann in Art. 4 weiter, dort wird unter dem Schlagwort „Veranstalterpflichten“ der/die VeranstalterIn einer Versammlung dazu verpflichtet, dass wenn „tatsächlich Anhaltspunkte [vorliegen], dass die Versammlung einen gewalttätigen Verlauf nehmen kann, hat der Veranstalter im Vorfeld der Versammlung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern“. Damit wird nicht nur der/die VeranstalterIn zu einem Ausführungsorgan der Polizei gemacht, sondern gleichzeitig völlig offen gehalten, was geeignete Maßnahmen wären. Sollte uns bspw. vor dem nächsten Demo gegen die NATO-Sicherheitskonferenz bekannt werden, dass Hans-Hugo aus Unterbirnbach Steine gegen das Hotel schmeißen möchte – müssten wir Hans-Hugo dann zu Hause einsperren oder der Polizei melden oder seiner Mutter bescheid sagen und Druck ausüben?
Auch während der Kundgebung muss künftig der Leiter geeignete Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass es zu Gewalttätigkeiten kommt. Sollte er/sie sich nicht durchsetzen können, ist er verpflichtet die Versammlung zu beenden.
Geeigneter Leiter
Auch wenn es sich beim VersG um ein bürgerliches Gesetz handelte, so garantierte es zumindest auf dem Papier grundsätzlich Versammlungsfreiheit. Das sieht der bayerische Entwurf anders. Auch Versammlungen in geschlossenen Räumen sollen künftig reglementiert werden. Dazu gehört in Art. 10 die Pflicht, dass der Veranstalter der „zuständigen Behörde auf Anforderung Familiennamen, Vornamen, Geburtsnamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift des Leiters mitzuteilen. Die zuständige Behörde kann den Leiter als ungeeignet ablehnen […]“. Das gleiche gilt natürlich für Versammlungen unter freiem Himmel und da müssen auch die persönlichen Daten der Ordner mit angegeben werden. Wer unter diesen Umständen noch OrdnerIn oder LeiterIn sein möchte / kann, ist fraglich.
Militanzverbot
Neben vielen weiteren Einschränkungen, die im Gesetzentwurf enthalten sind, ist v.a. Art. 7 „Uniformierungsverbot, Militanzverbot“ zu nennen. Auch wenn Uniformen auf Demos als „Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung“ schon bisher verboten waren, geht das dem bayerischen Innenministerium nicht weit genug. Im Freistaat am Alpenrand soll es künftig auch verboten sein auf Demos und bei Saalveranstaltungen in einer „Art und Weise teilzunehmen, die […] nach dem äußeren Erscheinungsbild 1. paramilitärisch geprägt wird oder 2. sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt und damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist“. Damit ist der alte Paragraf, der schon recht butterweich offen lässt, was eine Uniform ist, zu einem quasi Gesinnungsparagrafen verschärft worden – denn eine einschüchternde Wirkung kann auf manche Passantin auch ein Gewerkschaftsblock mit Fahnen und Sprechchören wirken.
Strafenkatalog
Wo es so viele Verbote gibt, müssen natürlich auch harte Strafen her, sonst hält sich ja evtl. kein Mensch an das neue Gesetz. So soll es bspw. 3000 € kosten, wenn nicht korrekt Name des Veranstalters und Ort und Thema angegeben werden. Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bekommt angedroht, wer eine Waffe o.ä. zu einer Versammlung hinschafft (in Bayern sind auch Springerstiefel mit Stahlkappen Waffen!). Und ein Jahr Knast ist vorgesehen, wer sich nicht an das Uniformierungsverbot hält.

Dieses Gesetz ist der Knaller, schließlich bricht es ganz offen mit den bürgerlichen Grundrechten. Es ist so kein Versammlungsrecht mehr, sondern ein Versammlungsverbot mit Ausnahmen. Der RSB wird in Bayern auf jeden Fall den Widerstand, der sich u.a. bei ver.di formiert, unterstützen.

 

 

 

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