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Betrieb & Gewerkschaft

Eine Chance verpasst

Von Korrespondent Ruhr | 01.04.2008

Am 1. März fand auf Initiative der Partei Die Linke in den Räumen der IG Metall Bochum eine Podiumsdiskussion zum Thema „Nokia ist überall! – Was tun?“ statt. Die Einleitungen der moderierenden Sevim Dagdelen (MdB Die Linke) und von Ulla Lötzer (Die Linke) machten schnell klar, in welche Richtung die Debatte gehen sollte. Es fehlten nicht die Verweise auf Henkel, Siemens, BMW und Nokia, die Profite einstreichen und Massenentlassungen vornehmen.

Am 1. März fand auf Initiative der Partei Die Linke in den Räumen der IG Metall Bochum eine Podiumsdiskussion zum Thema „Nokia ist überall! – Was tun?“ statt.

Die Einleitungen der moderierenden Sevim Dagdelen (MdB Die Linke) und von Ulla Lötzer (Die Linke) machten schnell klar, in welche Richtung die Debatte gehen sollte. Es fehlten nicht die Verweise auf Henkel, Siemens, BMW und Nokia, die Profite einstreichen und Massenentlassungen vornehmen. „Was tun?“ übersetzte jedoch Die Linke auf dem Podium mit „Was kann Politik tun“? Sevim Dagdelen erinnerte die „Eliten“ an ihre „soziale Verantwortung“. Ulla Lötzer forderte die Ausweitung der Mitbestimmung in Aufsichtsräten. Was die Lohnabhängigen tun können, wurde in den Einleitungen nicht thematisiert. Dass die Diskussion dann doch kontrovers verlief, lag an Beiträgen aus dem Publikum.
Warum keine Kampfmaßnahmen?
Wolfgang Echterhof, Mitglied des Betriebsrates Nokia-Bochum, wurde massiv angegangen, weil der Betriebsrat zwar die Solidarität anderer Belegschaften, die des Ruhrgebiets und der Menschen in Bochum, erwartet, aber selbst keine Streikmaßnahmen bei Nokia befürwortet. Auf den Knien bettele der Betriebsrat beim Unternehmer um Verhandlungen. Das sei nicht nur politisch falsch, sondern auch würdelos.

Dem hielt zunächst Sevim Dagdelen entgegen, dass „der Feind“ das Kapital ist und nicht in den eigenen Reihen zu suchen sei. Dann zählte Echterhof eine Litanei von Entschuldigungen auf: „Der Knecht“ sitze „im Deutschen“ sehr tief. Manche Kollegen würden ihn fragen, ob sie die Warnstreiks bezahlt bekämen. Streiken nützte nichts, denn: „Wir tun denen doch mehr weh, wenn wir in der Kaffeebude sitzen bleiben“. Das werde ja schließlich vom Unternehmer bezahlt. Die Produktion könne innerhalb von zwei Tagen abgebaut und mit dem Handkarren verlagert werden. Außerdem seien die Nokia-Beschäftigten von anderen Belegschaften in Europa schmählich im Stich gelassen worden. Stattdessen versuche der Betriebsrat, Nokia in die Pflicht zu nehmen. Die Unternehmensleitung scheine sich jetzt „zu bemühen“.

Echterhof wurde von verschiedenen Rednern widersprochen. Ein Teilnehmer wies auf die Doppelfunktion von Streiks hin, die nicht nur im Wirtschaftlichen liegt. Streiks sind auch eine einmalige Möglichkeit, Mut zu fassen und das Bewusstsein zu heben. Diese Chance wurde bei Nokia verpasst. Ein anderes Mitglied von Die Linke fragte: Warum nicht an die Maschinen anketten, statt passiv auf Hartz IV zu warten? Eine befriedigende Antwort blieb Echterhof genauso schuldig wie eine kritische Sicht auf die Tätigkeit des Betriebsrates.
Mehr Mitbestimmung fordern?
Eine zweite Kontroverse drehte sich um die Mitbestimmung in Aufsichtsräten. Ein Redner lehnte sie strikt ab und bezeichnete sie als Orte, wo Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre – abgesehen von Fällen direkter Bestechung wie bei VW – einer neoliberalen Gehirnwäsche unterzogen werden, was sich dann im Verzicht auf Aktionen auswirkt. Hier sprang Sahra Wagenknecht (MdE Die Linke) in die Bresche. Gesetzliche Regelungen wie ein Verbot von Entlassungen und die Mitbestimmung in Aufsichtsräten dürften nicht gegeneinandergestellt werden. Auch wenn Menschen durch ihre Erfahrungen von der Mitbestimmung enttäuscht seien, sollte mensch sich nicht dagegen wenden, sondern müsste „mehr Mitbestimmung“ fordern.
Verbot von Entlassungen und politischer Streik
Das von Sahra Wagenknecht angeführte gesetzliche Verbot von Entlassungen in Betrieben, die Profite machen, – eine Forderung, die ursprünglich auf unsere GenossInnen der LCR in Frankreich zurückgeht –, wurde von vielen der 120 Anwesenden geteilt. Der DGB-Vertreter verwies jedoch relativierend auf „notleidende Betriebe“ und auf „die Kräfteverhältnisse“. Die Gewerkschaften seien nicht so stark, dass sie z. B. Lohndumping verhindern könnten. Aber bald ständen ja Bundestagswahlen an… Ein Sprecher der MLPD bezeichnete das gesetzliche Verbot von Entlassungen als Illusion. Es sei im Kapitalismus nicht durchführbar, weshalb der „echte Sozialismus“ notwendig sei.

Sarah Wagenknecht sprach sich auch für politische Streiks aus. Die Stimmung sei da, führte sie aus und das Beispiel der LokführerInnen an. Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender von Opel Bochum, unterstützte diese Forderung. 2000 Kollegen von Opel hätten an der Demonstration für Nokia teilgenommen und damit politisch gestreikt, während 200 andere im Werk durchgearbeitet hatten.
Welche Alternative?
Aus dem Publikum wurde angemahnt, weiter zu gehen. Die Frage der Vergesellschaftung sei lange außerhalb jeder Diskussion gewesen. Über radikale, basisdemokratische gesellschaftliche Alternativen zum Kapitalismus müsse neu nachgedacht werden. Es wäre falsch, sich auf die unmittelbarsten Probleme und Fragestellungen zu beschränken.
Radikaler reden als schreiben
Die Diskussion auf der Versammlung war größtenteils offen, wenn auch leider dem MLPD-Vertreter bei seinem Rundumschlag das Mikro abgedreht wurde. Links reden können die Linken innerhalb der Partei Die Linke. Ihre allgemeine Kapitalismuskritik schlägt jedoch dann häufig in gemäßigte Positionen um, wenn von links eine weitergehende und konkretere Kritik geäußert wird. Nicht zufällig fehlen im schriftlichen Veranstaltungsbericht von Sevim Dagdelen die angeführten Kontroversen z. B. um die Politik des Nokia-Betriebsrates oder um die Mitbestimmung in Aufsichtsräten.

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