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Innenpolitik

Rentenklau: Teil eines weltweiten Raubzugs

Von P.H. | 01.06.2008

Unter dem Täuschungsbegriff „Demografieentwicklung“ läuft seit 1994 weltweit ein  Angriff auf die Sozialversicherungen. Die breite Attacke begann mit einem Weltbankbericht unter dem Titel „Averting the Old Age Crisis“ (Die Alterskrise abwenden). Mit der Behauptung, das Sozialsystem könne die Ausgabenlast nicht mehr tragen, wurde die Botschaft verkündet. Es gelte Löhne, Gehälter und soziale Kosten zu senken, was sich weltweit auf 3500 Milliarden Dollar summieren sollte. Soziale Versicherungen sollen – wenn auch unter Umständen nur zum Teil – von privaten Versicherungen ersetzt werden.

Unter dem Täuschungsbegriff „Demografieentwicklung“ läuft seit 1994 weltweit ein  Angriff auf die Sozialversicherungen. Die breite Attacke begann mit einem Weltbankbericht unter dem Titel „Averting the Old Age Crisis“ (Die Alterskrise abwenden).

Mit der Behauptung, das Sozialsystem könne die Ausgabenlast nicht mehr tragen, wurde die Botschaft verkündet. Es gelte Löhne, Gehälter und soziale Kosten zu senken, was sich weltweit auf 3500 Milliarden Dollar summieren sollte. Soziale Versicherungen sollen – wenn auch unter Umständen nur zum Teil – von privaten Versicherungen ersetzt werden.

Kohl begann mit der Ersetzung der bruttolohnbezogenen durch die nettolohnbezogene Anpassung, der Erhöhung des Renteneintritts­alters für Frauen von 60 auf 65 Jahre und für Schwerbehinderte von 60 auf 63 Jahre, sowie Streichung und Reduzierung von Ausbildungszeiten.

Immerhin rief die Gewerkschaftsführung 1996 zum zentralen Protest auf, an dem 300 000 Menschen teilnahmen. Das Ziel war damals noch die Rente mit 60.
Mit SPD/Grünen größter Kahlschlag seit 2. Weltkrieg
Nachdem von SPD/Grün 1999 die nettolohnbezogene Anpassung auf eine Inflationsanpassung reduziert wurde, kam der Generalangriff: Im Rahmen des Lissabonabkommens der EU (im Jahr 2000) setzte mit Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen unter Schröder der größte Kahlschlag seit dem 2. Weltkrieg ein. Die Gewerkschaftsführungen mobilisierten kaum bis gar nicht zum Widerstand (bis auf die IG-Metall bei der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters unter der großen Koalition, und auch hier nur halbherzig).  Die wichtigsten vier Bestandteile dieses Angriffs sind:

  1. Ersetzung der staatlich solidarischen Rentenversicherung mit paritätischer Finanzierung    durch staatlich geförderte private Rentenversicherung (ohne Arbeitgeberanteil, Riesterrente) mit Spekulation. Verbunden damit ist die Herabstufung der Rentenberechnung um 4 % in jährlichen Stufen von 0,5 % von 2002 –2010.
  2. Nachhaltigkeitsfaktor, der die Rentenberechnung vermindert  im Verhältnis zu der steigenden RentnerInnenanzahl und nach den verringerten Einzahlungen  (durch Erwerbslosigkeit, ALG II, Niedriglöhne, Leiharbeit und prekäre Beschäftigung mit weniger Sozialversicherungspflicht und vermehrte Teilzeit).
  3. Die Heraufsetzung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre bis 2029  unter der großen Koalition
  4. Senkung der Witwen-/Witwer­rente von 60 auf 55 %, Beitragsanhebung für die Pflegeversicherung um 0,85 % (1,1 % für Ledige), Vollbesteuerung der Renten bis 2040, Anhebung des Krankenkassenbeitrags um 0,95 % (Zahnarzt und Krankengeld) sowie 10 € Kassengebühr, höhere bis volle Medikamentengebühr.

Seit 2000 sind die Renten dadurch bereits um ca. 10 % gekürzt worden.
Gewerkschaftsführungen mobilisieren nicht
Die Rentenkürzungen – hauptsächlich umgesetzt durch Nullrunden – lassen bei den Rentner­Innen die Unzufriedenheit und Wut im Bauch steigen. Vielen geht es zwar noch nicht so schlecht auf Grund des langen, ununterbrochenen Erwerbslebens, aber die Ungerechtigkeit, dass die Reichen immer reicher und noch unverschämter werden, frisst auch an ihnen und sie sehen besorgt die Zukunft ihrer Enkel. Denn es kommen jetzt vermehrt Menschen in Rente, die keine ununterbrochene Erwerbsbiografie haben. Für ein Jahr Hartz IV wird einem Rentner künftig nur noch 2,19 € monatlicher Rente gutgeschrieben!

Lächerlich ist die 1,1 %  Renten„erhöhung“ 2008, die auf Grund höherer Preissteigerungen ein weiterer Rentenabbau um 2 % ist. Offenbar haben CDU und SPD Befürchtungen vor einem weiteren Linksruck bei der nächsten Wahl. Der Riesterfaktor von 0,5 %, wurde herausgerechnet, ist aber nur auf die Zeit nach der Wahl 2009 verschoben und nicht aufgehoben!
Teile und herrsche!
Roland Herzog, der als ehemaliger Bundespräsident nicht nur höhere Bezüge als der Kanzler hatte, sondern diese auch als einziger Staatsdiener als Rentner in vollem Umfang behält, ist an Zynismus angesichts der Schröpfung der RentnerInnen nicht zu überbieten. Wörtlich sagte er in Anbetracht der nur verschobenen Kürzung: „Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie […]. Das könnte letztendlich darauf hinaus laufen, dass die Senioren die Jungen ausbeuten“. Nicht sich selbst mit 17.000 €/Monat allein aus der fünfjährigen Präsidentenamtszeit sieht er als Ausbeuter, sondern die alten Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, versucht er, gegen die Jungen auszuspielen.

Herzog ist Vorsitzender des Bürgerkonvents. Dieser reaktionäre Think Tank wurde  vor fünf Jahren gegründet und besteht aus bedeutenden rechten Mitgliedern aus SPD, CDU, FDP sowie Vorständen von Industrie- und Bankenkonzernen. Sie greifen den „Reformstillstand“ an und fordern „mehr Mut bei unpopulären und schonungslosen Maßnahmen“. Eines der Hauptthemen ist die demografische Entwicklung in Deutschland. Herzog machte bereits 2003 Vorschläge, das Pensionsalter heraufzusetzen und die Renten zu kürzen.

Am 30. April 2008 stellte er zusammen mit Wolfgang Clement ein Buch des Bürgerkonvents mit dem Titel  „Mut zum Handeln“ vor. Auf die Frage eines Journalisten, wie er glaube, die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für seine Vorschläge zu bekommen, antwortete er: „Das Volk folgt… das sagt doch schon der Name.“ Zwar bemerkte er den Ausrutscher und versuchte ihn zu korrigieren, aber es zeigt sein Verständnis von Demokratie.
Der Weg in die Altersarmut ist vorprogrammiert
Mittlerweile gibt es bereits 682 000 Männer und Frauen, die von der Rente nicht leben können und Sozialhilfe beziehen. Eine Studie vom November 2007 zur „Altersvorsorge in Deutschland“ vom Bund der Deutschen Rentenversicherungen fasst die kommende Entwicklung zusammen: „Das Rentenniveau sinkt in Folge der Rentenreformen in den kommenden 30 Jahren  von derzeit 63 % auf 43 % des Nettoeinkommens ab. Und auch dieses Niveau erhält nur jemand, der 45 Versicherungsjahre vorwei
sen kann. Tatsächlich werden aber die künftigen Rentner im Schnitt lediglich 38 Jahre(Männer)und 33 Jahre (Frauen) vorweisen können.“
Hartz-Gesetze  als Weg zu weiterer Verarmung
Die meisten Medien täuschen zurzeit die Öffentlichkeit mit Zahlen, dass die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Mio. Arbeitslose gesunken sei. Eine kleine Anfrage der FDP  im Bundestag ergab, dass von durchschnittlich im Jahr 2007 gemeldeten 6,348 Mill. BezieherInnen von ALG I und ALG II nur 51 % (3,213 Mio.) registriert und 49 % (3,135 Mio.) nicht registriert waren.
Die detaillierte Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt das reale Bild:
Für März 2005 werden 8,050 Millionen Leistungsempfänger­Innen ausgewiesen (1,966 Mio. ALG I, 4,494 Mio. ALG II, und 1,590 Mio. Sozialgeld).

Für März 2008 waren es 8,146 Mio. LeistungsempfängerInnen. (1,060 Mio. ALG I, 5,153 Mio. ALG II, und 1,933 Mio. Sozialgeldempfänger).
Für ein Jahr ALG II Bezug gibt es später 2,19 €  Rentenbezug. Da damit eine spätere Rente bei vielen ALG II BezieherInnen unter dem Niveau der Grundsicherung liegen wird, kam auch die Riester-Privatversicherung in weiteren Misskredit, da sie später auf die Grundsicherung angerechnet wird und zu keiner Erhöhung führt.

Nicht weniger wichtig für die steigende Altersarmut ist die rapide Zunahme des Niedriglohnbereichs, vorangetrieben durch die Hartz-Gesetze. Nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg ist der Niedriglohnbereich von  1995 – 2006 um gut 43 % auf 6,5 Millionen Menschen gestiegen. Allein von 2004 – 2006 um 10 %. Außerdem sank der Durchschnittsstundenlohn seit 2004.
Breite Widerstandsfront gegen Raubzug und Krise
Die Frage wird immer dringlicher, wie diese Entwicklung einerseits aufzuhalten und umgekehrt in eine positive Richtung zu lenken ist. Es fehlt nicht an Reichtum und Geld, sondern an der richtigen Verteilung auf alle Menschen. Die Produktivität wächst nach Rürup – der den Sozialkahlschlag maßgeblich mit betreibt – um 1,85 % pro Jahr. Wir arbeiten heute mit einer hohen  Produktivität, die auch einen Konsum auf hohem Niveau verlangt. Andernfalls wird die Krise immer weiter gehen. Es ist lächerlich über Demographie als Bedrohung zu reden und konkret Millionen Erwerbslose zu unterhalten, um Verarmung und Lohnabbau zu betreiben, weil die Bereicherung von Milliardären und Millionären der absolute Sachzwang ist.

Deswegen gilt es, gegen diese Politik eine breite Widerstandsfront als außerparlamentarische Bewegung aufzubauen, die entschieden für eine entgegengesetzte Entwicklung zum Wohl für Alle eintritt. Nicht die Bereicherung weniger ist das Ziel, sondern die menschenwürdige Existenz Aller.Wir fordern deshalb:

  • –    einen Mindestlohn von 12 €,
  • –    eine Grundabsicherung von 700 € mit Wohnung,
  • –    Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre,
  • –    Arbeitszeitverkürzung – bis alle Arbeit haben.
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