An ihnen soll und wird es auch nicht scheitern: Mit ihrem Landesparteitag in Lollar am 30./31. August hat der hessische Landesverband der Partei Die Linke einer Reanimation hessischer Landespolitik unter „rot“-grünem Vorzeichen die Absolution erteilt. Damit übt die neue alte Sozialdemokratie auch in den alten Bundesländern für höhere Regierungsaufgaben.
Wer manchem bürgerlichen Medientrommeln im Vorfeld des Parteitages glauben schenken wollte, sah sich überrascht. Das historische Vorbild des 1984er Grünen-Parteitages am selben Ort zur Vorbereitung der dann ersten „rot“-grünen Landesregierung unter Holger Börner und Joschka Fischer ab 1985 taugte nicht. Die Linke stritt nicht prinzipiell um das Wohl und Wehe der Tolerierung einer künftigen Regierung Ypsilanti. Vielmehr folgten die Delegierten geschlossen dem Taktstock von Lafontaine und winkten den 31-Punkte-Leitantrag: „Die Linke für einen Politikwechsel in Hessen“ des Landesvorstandes durch.
Das deutliche Signal: Die Durchsetzungsfähigkeit „linker“ Politik wird am Kabinettstisch und eben nicht im Betrieb, Stadtteil und auf der Straße entschieden. In Hessen möchte Die Linke dabei nicht nur für die Wiesbadener Regierungszentrale im Parlament Schmiere stehen. Am deutlichsten wurde dies zunächst vom Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch formuliert. Bartsch rät seinen hessischen Kollegen, sich im Fall eines entsprechenden Signals von Ypsilantis SPD auch Koalitionsverhandlungen nicht zu verschließen.
„Wir schließen eine Koalition keineswegs aus“
Für diesen Ratschlag hat sich die hessische Linke auch den entsprechenden Parteivorsitzenden gewählt. Ulrich Wilken, in Lollar neu gewählter Landesvorsitzender, sagte gegenüber der taz: „Wir schließen eine Koalition keineswegs aus. Wir sind in einem offenen Prozess – allerdings habe ich den Eindruck, dass die SPD in dieser Frage gespalten ist. Die SPD in Hessen ist derzeit nicht bereit für eine rot-rot-grüne Koalition“.
In der Tat, es hängt vorerst an der hessischen SPD um Andrea Ypsilanti. Doch der Ball wird spätestens im Oktober wieder im Feld Der Linken landen. Die sollte dann nicht überrascht sein, wenn ihr Andrea Ypsilanti nach und nach den 31-Punkte-Plan zusammenstreicht. Letztliche hat dies bereits Lafontaine getan, als er über die medialen Abzugshauben den Wunschzettel auf „Koch muss weg“ und „keine weiteren Verschlechterungen“ reduziert hat. Hier wird der angekündigte Politikwechsel zum „Weiter so, wenn nur nicht schlechter …“ degradiert.
Wie will Die Linke auch ernsthaft verbreiten, mit dem Wunschpartner SPD ließen sich zum Beispiel die 1-EURO-Jobs beerdigen, wenn zugleich mit Müntefering und Steinmeier zwei Urheber dieses staatlich geförderten Lohnraubs und Arbeitszwangs die sozialdemokratische Poleposition in Berlin einnehmen?
Mitgefangen, mitgehangen
Einmal mehr wird die altsozialdemokratische Leierplatte des „Politikwechsels“ über eine Regierungsbeteiligung bzw. Tolerierung aufgelegt. Wie schnell die Sachzwänge bürgerlicher Rentabilität in der Tat die Politik der Linkspartei wechseln, bleibt abzuwarten. Dass sie es tun, steht für uns außer Frage.
- • Politikwechsel für gute Arbeit und gerechte Verteilung gesellschaftlichen Reichtums
- • Politikwechsel für gleiche Bildungschancen
- • Politikwechsel für Frieden und Umwelt
- • Politikwechsel für gesellschaftliche Teilhabe, Demokratie und Mitbestimmung
- • Politikwechsel aus Hessen in die Bundespolitik
Beim erstgenannten Punkt finden wir u.a. die Forderung nach Rückkehr des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft der Länder, die Umwandlung von 1-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige, tariflich bezahlte Stellen und einen öffentlichen Beschäftigungssektor zur Schaffung von 25.000 Arbeitsplätzen