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Innenpolitik

Leserbrief: Moscheebau und Islam in Deutschland

Von Gabriel Lévy | 01.11.2008

Wie wir in Köln am 20.9.erneut feststellen konnten, ist die Frage des Moscheebaus in deutschen Städten und darüber hinaus die Frage des Islams in Europa zum Hauptkristallisationspunkt der Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Rechten einerseits und demokratisch gesinnten Menschen und Linken im weitesten Sinne andererseits geworden.

Wie wir in Köln am 20.9.erneut feststellen konnten, ist die Frage des Moscheebaus in deutschen Städten und darüber hinaus die Frage des Islams in Europa zum Hauptkristallisationspunkt der Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Rechten einerseits und demokratisch gesinnten Menschen und Linken im weitesten Sinne andererseits geworden.

Worum geht es in dieser Frage und wie sollten sich revolutionäre SozialistInnen dazu verhalten? Die Neonazis und Rechte malen das Gespenst der „schleichenden Islamisierung“ Europas an die Wand.

Wir treten selbstverständlich für vollständige Religionsfreiheit ein. Wir sind aber auch für die Trennung von Staat und Religion.
Wer aber A sagt – nämlich Religionsfreiheit – muss auch B sagen: nämlich, dass die materiellen Möglichkeiten zur Ausübung der Religion von der Gesellschaft und dem Staat zur Verfügung gestellt und garantiert werden. Dazu gehört der Bau von öffentlichen, sichtbaren Gebetshäusern wie Synagogen, Kirchen und Moscheen (um nur die Abrahamistischen, monotheistischen) Religionen zu erwähnen).
Staatliche Gelder
Um sie bauen zu können, muss der Staat Geld zur Verfügung stellen. Dafür gibt es drei gute Gründe:
Erstens. Der erste Grund für eine staatliche Finanzierung von Moscheen in deutschen Städten ist ganz einfach der Gleichbehandlungsgrundsatz aller Religionsgemeinschaften. Die Muslime sind mit schätzungsweise 4 Millionen Menschen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland nach den christlichen, d. h., den katholischen und evangelischen Kirchen. Die­se sowie die israelitische Kultusgemeinde bekommen über Staatsverträge und Steuern eine ganze Menge Staats-knete. Die Muslime, obwohl auch Steuerzahler, sind in der Regel die Stiefkinder der staatlichen Subventionspolitik.

Zweitens. Manche, auch unter unseren GenossInnen sagen: Klar, wir sind dafür, dass Moscheen gebaut werden – aber wir sind dagegen, dass der Staat dafür Geld gibt, denn wir sind für die strikte Trennung von Staat und Religion.
Warum ist dieses Argument falsch und was bedeutet diese Trennung?

Sie bedeutet in Deutschland seit der ersten Verfassung der Weimarer Republik 1919 und dem Grundgesetz 1949 Religionsfreiheit, weltanschauliche Neutralität des Staates und Selbstbestimmung aller Religionsgemeinschaften. Die Religionsausübung wurde aber nicht zur reinen Privatsache erklärt, sondern blieb öffentliche Angelegenheit. Umgekehrt darf sich die Religion in allen Fragen des Lebensstils, der Kultur, usw. in der Gesellschaft nicht in irgendeiner Weise vorschreibend einmischen.

Sie bedeutet nicht, dass der Staat kein Geld an religiöse Institutionen geben darf entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung. Im streng laizistischen Frankreich gibt es einen Staatsvertrag zwischen der islamischen Kultusgemeinde und dem Staat und der Bau von Moscheen wird staatlicherseits finanziell gefördert.
Alternativen?
Drittens. Denn was wäre die Alternative zu einer Finanzierung von Moscheen durch öffentliche Gelder? Die erste Alternative ist, dass der Moscheebau mit Geldern aus Saudi-Arabien oder aus der Türkei finanziert wird, was bedeutet, dass diese Staaten eine ideologische Kontrolle behalten und ihre eigenen Imame ausbilden und nach Deutschland schicken.

Oder mensch sagt, die Muslime in Deutschland sollen es selbst finanzieren, dann kommt es zu keinem Moscheebau, denn der Bau einer zentralen Moschee übersteigt bei weitem die finanziellen Möglichkeiten der Gläubigen.

Dadurch wird der jetzige Zustand verewigt, nämlich, dass die Muslime in zu Gebetsräumen um-funktionierten Kellern und Hallen weiterhin ihre Religion praktizieren müssen. Der fundamentalistische und radikale Islam, den auch wir bekämpfen, findet in solchen Orten einen viel fruchtbareren Boden als in sichtbaren, zentralen Moscheen, die einer demokratischen Kontrolle durch die Gesellschaft in Form von Tagen der offenen Türen oder der Ausbildung der Geistlichen in Deutschland zugänglich sind.

Zentrale Moscheen stellen im Übrigen, wenn sie architektonisch gelungen sind, eine städtebauliche Bereicherung dar – wie mensch an den Beispielen Paris oder Mannheim feststellen kann. Die Muslime werden wie andere Migrantengruppen dauerhaft in Deutschland und Europa bleiben. Auch wir SozialistInnen haben alles zu gewinnen mit einem „Islam in Deutschland“, der mit den anderen Religionen gleichbehandelt wird.

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