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Innenpolitik

Erster Erfolg zum Neuaufbau der sozialen Bewegung

Von B. B. | 01.04.2009

Ein halbes Jahr hatte es gedauert, bis nach dem offenen Ausbruch der kapitalistischen Krise die ersten bundesweiten Demonstrationen am 28.3.2009 mit 30 000 TeilnehmerInnen in Berlin und 25 000 in Frankfurt/M. stattfanden. Sie sind ermutigende Zeichen des Widerstands gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die lohnabhängige Bevölkerung und zum Neuaufbau der sozialen Bewegung.

Ein halbes Jahr hatte es gedauert, bis nach dem offenen Ausbruch der kapitalistischen Krise die ersten bundesweiten Demonstrationen am 28.3.2009 mit 30 000 TeilnehmerInnen in Berlin und 25 000 in Frankfurt/M. stattfanden. Sie sind ermutigende Zeichen des Widerstands gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die lohnabhängige Bevölkerung und zum Neuaufbau der sozialen Bewegung.

Die ArbeiterInnenklasse steht seit einem halben Jahr fast wehrlos der kapitalistischen Krise gegenüber. Die Gewerkschaften, die wirklich Menschenmassen mobilisieren könnten, gingen bisher nicht auf die Straße. Offiziell hatten sie nicht einmal zu den beiden Demonstrationen aufgerufen. Deshalb war es wichtig, wie viele GewerkschafterInnen am 28. März ohne und entgegen der Vorstände demonstrieren würden?

Es waren sehr viele Mitglieder der IG Metall und von Verdi mit ihren Fahnen nach Berlin und Frankfurt angereist. Eindeutiger Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Mobilisierung dürfte – nicht ganz zufällig –Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gewesen sein, wo auch örtliche und regionale Gewerkschaftsgliederungen zum Protest aufgerufen hatten. Dagegen hatte z. B. im Ruhrgebiet keine einzige Verwaltungsstelle der IG Metall zur Demonstration aufgefordert.

Die Gewerkschaftsführungen, die gegenüber der Krise des Kapitalismus politisch völlig entwaffnet sind, waren schon durch die Demoankündigungen unter Druck gekommen. Sie werden genau registrieren, dass so viele GewerkschafterInnen unabhängig von ihrer Führung demonstriert haben. Damit verstärkt sich der Druck auf die Gewerkschaftsbürokratie und kann der Mobilisierung zur bundesweiten DGB-Demo am 16. Mai in Berlin noch zusätzlichen Schub verleihen. Denn nichts fürchtet die Gewerkschaftsbürokratie mehr, als dass ihr die Kontrolle über die eigene Basis entgleitet…
Die Gewerkschaftslinke
Sicherlich kamen die meisten GewerkschafterInnen aus „oppositionellen“ Verwaltungsstellen, die trotz der Regieanweisung aus den Gewerkschaftsvorständen eigenständig zum 28. März aufgerufen hatten. Die Führung dieser „oppositionellen“ Verwaltungsstellen organisiert zwar Busse nach Frankfurt, wagt es aber nicht, der Linie der Sozialpartnerschaft eine andere radikal klassenkämpferische Politik gegenüberzustellen.

Umso erfreulicher war das Auftreten der Gewerkschaftslinken in Frankfurt, die beim Demozug von der Bockenheimer Warte aus Präsenz zeigte. Dort waren linke GewerkschafterInnen aus Stuttgart, Mannheim, Weinheim, München, Wiesbaden und anderswo vertreten, die mit KollegInnen von Daimler-Chrysler, Alstom Power, Freudenberg usw. demonstrierten. Auf Transparenten wurde u. a. der Generalstreik gefordert. Im Namen der Gewerkschaftslinken hielt Tom Adler auf der Abschlusskundgebung eine kämpferische Rede. Der Alstom-Chor mit Schlauch (Bernd) Köhler trat im musikalischen Begleitprogramm auf.
Gemäßigte Mehrheit
Die Unterschiede zwischen Gewerkschaftsführung, „oppositionellen“ Verwaltungsstellen, Gewerkschaftslinke und Mitgliedern finden sich ähnlich bei den Bündnissen der sozialen Bewegung zum 28. März wieder – nur etwas weiter nach links verschoben. Politisch hatten Attac und Die Linke, die stark in Frankfurt und in Berlin vertreten waren, auf allen Ebenen die verschiedenen Koordinationen zur Vorbereitung der Demonstrationen beeinflusst, was sich vor allem in der schwachen politischen Ausrichtung bemerkbar machte. So stellten in der schlimmsten Krise des Kapitalismus seit langem längst nicht alle RednerInnen auf den Kundgebungen das System in Frage, sondern beschränkten sich auf Lösungen, die auf einen „sauberen“ Kapitalismus hinauslaufen. Typisch dafür war die Forderung nach einer „strengen Regulierung des weltweiten Finanzsystems“. Dass Die Linke als einzige große linke Partei, die viele Menschen erreichen kann, für beide Kundgebungen ihre Redner Gysi und Lafontaine durchdrückte – anstatt dort nur VertreterInnen von sozialen Organisationen reden zu lassen – zeigt, dass Die Linke letztendlich ein manipulatives Verhältnis zur sozialen Bewegung hat.
Der „500-30-10 Block“
Das Neue an den Demonstrationen waren nicht etwa die „antikapitalistischen Blöcke“ der IL, Halb- und Exautonomen, die für Berlin immerhin 7000 TeilnehmerInnen angeben, sondern das Zustandekommen der 500-30-10-Blöcke. In Berlin organisierte das Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP), das stark mobilisiert hatte, ein Auftreten für 500 Existenzgeld, 30 Stunden Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und 10 Euro Mindestlohn/Stunde. In Frankfurt war der 500-30-10 Block auf der Demoroute vom Hauptbahnhof über das Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne sichtbar. Auf der Strecke von der Bockenheimer Warte aus konzentrierte sich die Gewerkschaftslinke hauptsächlich auf die Forderung nach 10 Euro Mindestlohn in der Stunde, lohnsteuerfrei!
Der RSB
In Berlin schloss sich der RSB dem 500-30-10 Block des ABSP an. Entsprechend seinem regionalen Aufbau hatte der RSB seinen Schwerpunkt auf die Demo in Frankfurt gelegt. Der RSB-Block, der durch seinen kämpferisch-fröhlichen Charakter auch Eindruck auf Außenstehende machte, ging direkt hinter dem Block der Gewerkschaftslinken. Auf einem großen Transparent wurde, wie übrigens auch in Berlin, die Enteignung des Finanzsektors gefordert. Auffallend bei beiden Demos war, dass das Auftreten anderer trotzkistischer Organisationen durch deren Orientierung auf die Partei Die Linke drastisch zurückgegangen ist.
Welche Perspektive?
Die Demonstrationen am 28. März können einen wichtigen Anstoß für den Aufbau örtlicher Bündnisse gegen die Abwälzung der Krise auf die Lohnabhängigen geben. Es fehlt meist nur die örtliche Initiative, um die soziale Bewegung neu aufzustellen. Das Potenzial an Menschen, die gegen die Krise aktiv werden wollen, ist da.

Die nächste überörtliche Mobilisierung steht zur bundesweiten DGB-Demonstration am 16. Mai nach Berlin an. Auch hier stellt sich dem linken Flügel der sozialen Bewegung die Aufgabe, einen Block für 500-30-10 zu bilden. Denn so sicher es ist, dass ein erheblicher Teil des halbautonomen IL-Spektrums nicht zu dieser Demonstration mobilisieren wird, so sicher ist auch, dass die gemäßigte Mehrheit der sozialen Bewegung am 16. Mai nicht oppositionell auftritt.

 

Demos international
Auch in anderen europäischen Städten wurde am 28. 3. im Vorlauf des Weltfinanzgipfels demonstriert. In London waren es mehrere zehntau
send, in Wien 20 000. Mehr Details weiterhin auf den Websites des Bündnisses „Wir zahlen nicht für eure Krise“: www.28Maerz.de und www.kapitalismuskrise.de, wo beispielsweise auch einige der auf den Kundgebungen gehaltenen Reden eingestellt sind.

 

Nächste Termine
Der 1. Mai sollte nach Möglichkeit dieses Jahr einen anderen Charakter bekommen, doch das hängt von der politischen und organisatorischen Kraft der örtlichen Bündnisse ab. Am 16. Mai sollte auf der DGB-Demonstration in Berlin ein starker antikapitalistischer Block (oder Blöcke) gebildet werden. Am 15. Bis 19. Mai ist der Bildungsstreik (mit Höhepunkt am 17. Juni).

 

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