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Länder

Ein historischer Sieg auf den Antillen

Von „Tout est à nous“, Zeitung der NPA | 01.04.2009

Die Völker der verbliebenen französischen Kolonien, der sog. DOM-TOM (überseeische Departements und Territorien) sind seit vielen Jahren einer zweifachen Unterdrückung ausgesetzt – als Klasse und als Kolonialbevölkerung – ungeachtet des formalen Status dieser Gebiete.

Die Völker der verbliebenen französischen Kolonien, der sog. DOM-TOM (überseeische Departements und Territorien) sind seit vielen Jahren einer zweifachen Unterdrückung ausgesetzt – als Klasse und als Kolonialbevölkerung – ungeachtet des formalen Status dieser Gebiete.

Auf den Antillen herrscht eine besonders scharfe Ausbeutung, da die wichtigsten Unternehmen in den Händen der „béké“ liegen, einer kleinen weißen Oberschicht, die von den vormaligen Sklavenhaltern abstammt. Insofern verwundert es nicht, dass es immer wieder zu Arbeiterrevolten gekommen ist – von den Sklavenaufständen bis hin zu den heutigen Unruhen – in denen sich die Nachfahren der Sklaven in Guadeloupe aber auch die 42 000 indischen Arbeiter, die zwischen 1854 und 1880 „importiert“ wurden, gegen diese extreme Ausbeutung gewehrt haben. Wie auf der von der LKP am 14. Februar organisierten Demonstration zu sehen war, ist gerade in Guadeloupe die Erinnerung an diese Vergangenheit noch immer sehr lebendig, etwa an die Arbeiter in den Zuckerrohrplantagen, die im Februar 1952 von den französischen Sondereinheiten der CRS ermordet worden sind, oder an das Massaker unter den Bauarbeitern 1967.
Bandbreite der Forderungen
Die wirtschaftlichen Strukturen auf den Antillen sind nach kolonialistischem Muster völlig an Frankreich und Europa ausgerichtet. Es werden nahezu ausschließlich landwirtschaftliche Produkte erzeugt, die für den Export auf Rechnung der Oberschicht bestimmt sind; die staatliche Verwaltung liegt in den Händen des „Mutterlandes“; die einheimischen Arbeiter werden bei der Stellensuche offen benachteiligt, was viele zur Auswanderung gezwungen hat; das Verhältnis zu den Bossen und der staatlichen Verwaltung ist von Rassismus und kultureller Diskriminierung geprägt.

Der Erfolg des Generalstreiks, zu dem auch die Kämpfe der Vergangenheit beigetragen haben, beruht nicht nur in der kompletten Erfüllung der Lohnforderungen, nämlich der viel zitierten Erhöhung um 200 €. Das 170 Punkte umfassende Schlussabkommen bezieht sich auch auf die Renten, soziale Mindestsicherung, Preissenkungen, Bankgebühren, Wohnungs-, Bildungs- und Erziehungswesen, Arbeitsplätze, gewerkschaftliche und bürgerliche Rechte, Anerkennung der kreolischen Sprache etc. Daraus rührt der enorme politische Stellenwert, der einen erheblichen Fortschritt in der Einigung und Organisation der Bevölkerung darstellt.
Die Bedeutung dieses Sieges reicht über die Antillen hinaus. Er zeigt, dass Regierung und Unternehmerverbände zum Rückzug gezwungen und ernsthaft geschwächt werden können. Insofern war dieser Kampf beispielhaft für alle. Ungeachtet der Verschiedenartigkeit der Forderungen regen namentlich die Vorgehensweise und die Kampfformen zur Nachahmung an.
Eine wirkliche Gegenmacht
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass in Guadeloupe klassenkämpferische Gewerkschaften vorhanden sind, die in der Lage sind, um einen Katalog von sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Forderungen herum ein breites Spektrum von kulturellen Initiativen, politischen Organisationen, Verbraucherverbänden, Umweltschützern, Behindertenverbänden etc. zu vereinen und zu mobilisieren. Mit ausschlaggebend war auch die breit „gelebte“ Demokratie, die direkten Verhandlungen unter ständiger Kontrolle der kämpfenden Arbeiter­Innen und der ganzen Bevölkerung und die kollektive Organisation des Alltags während des Streiks.
Der Staat und die Kapitalisten hatten zu Recht Angst vor dieser wirklichen Gegenmacht, die die LKP über Wochen hinweg aufgebaut hatte. Die Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Ein wirklicher Entkolonialisierungsprozess hat begonnen. Er wird wahrscheinlich lang dauern und nicht frei von Rückschlägen sein – aber er ist unabweisbar.

Aus diesem Grund versuchen die Machthaber und Unternehmer, nachdem sie zurückweichen mussten, wieder das Heft in die Hand zu nehmen, indem sie die Umsetzung des Abkommens sabotieren, die Medien manipulieren, die Führer der Bewegung zu diskreditieren und kriminalisieren versuchen und Repressalien aller Art anwenden – ganz zu schweigen von den möglichen wirtschaftlichen Sanktionen gegen die Bevölkerung von Guadeloupe und Martinique oder die Erpressung am Arbeitsplatz. Daher sind Wachsamkeit und Solidarität mehr denn je gefordert. Ebenso aber die gemeinsame Aktion.

Entnommen aus: „Tout est à nous“, Zeitung der NPA.
Übersetzung: MiWe

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