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Innenpolitik

Weltwirtschaftskrise – ihre Widersprüche, unsere Alternativen

Von Daniel Berger | 01.04.2009

Auch wenn die Herrschenden, gestützt von den bürgerlichen Medien, weiterhin die Krise herunterspielen wollen: Sie ist längst zu einer umfassenden Systemkrise geworden. Es kommt jetzt darauf an, dies in breiteren Schichten bewusst zu machen, denn nur dann kann die Debatte über Alternativen wirklich Fahrt aufnehmen.

Auch wenn die Herrschenden, gestützt von den bürgerlichen Medien, weiterhin die Krise herunterspielen wollen: Sie ist längst zu einer umfassenden Systemkrise geworden. Es kommt jetzt darauf an, dies in breiteren Schichten bewusst zu machen, denn nur dann kann die Debatte über Alternativen wirklich Fahrt aufnehmen.

Es vergeht keine Woche, in der nicht weitere Horrormeldungen die Runde machen: Seit Dezember letzten Jahres stürzen die Auftragszahlen und die Produktionszahlen der Industrie ab. Kaum eine Branche, die nicht massenhaft Kurzarbeit anmeldet, die ersten Massenentlassungswellen sind noch für dieses Jahr zu erwarten. Für die BRD rechnet sogar das neoliberale Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel mit einem Schrumpfen der Wirtschaft um 3,7 %. Die Deutsche Bank geht von einem Minus von 5 % aus, die Commerzbank von 6-7 %.

Zwar hat die Krise ihren Ausgang in der Finanzbranche genommen – allein bis Februar wurden weltweit Rettungspakete im Wert von 4 Billionen € aufgelegt – aber auch die „Realwirtschaft“ hat schon Staatshilfen über mehrere hundert Milliarden € bekommen. Dass wir den Boden der Krise noch längst nicht erreicht haben, soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden: Allein bis Januar 2009 mussten die amerikanischen Banken Verluste von über 1 Billion $ abschreiben. Es drohen aber weitere 3,6 Billionen $ Verluste, hauptsächlich wegen verbriefter Kreditausfallversicherungen (CDS), wegen der gewaltigen Blase an Konsumentenkrediten (Kreditkarten) und wegen der enorm gestiegenen US-Staatsverschuldung. Da sich das Kapital des gesamten US-Finanzsektors auf nur 1,6 Billionen $ beläuft, ist laut Roubini das „gesamte US-Bankensystem praktisch insolvent. Wir haben eine systemische Bankenkrise.“

Aber auch einige andere Länder haben gewaltige Blasen, die sich noch nicht aufgelöst haben (Immobilienblasen in Spanien, in Frankreich, in der chinesischen Freihandelszone usw.). Entgegen der chinesischen regierungsoffiziellen Darstellung muss in China inzwischen von einem Wirtschaftswachstum nahe Null ausgegangen werden, schließlich sind in den letzten fünf Monaten die chinesischen Exporte bereits um ein Drittel zurückgegangen und die Importe um ca. 50 %. Wenn inzwischen 20 Millionen Wanderarbeiter­Innen arbeitslos geworden sind, ist es nur schwer vorstellbar, dass in China dieses Jahr überhaupt ein Wachstum der Wirtschaft zustande kommt. Das wiederum wird die weltweite Krise noch verschärfen.

Hinzu kommt, dass einige Länder kurz vor dem Staatsbankrott stehen: Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Island, Rumänien, Bulgarien. Auch in Irland und Spanien ist die Lage nicht berauschend und selbst von Großbritannien kamen schon erste Warnsignale. Wir können uns heute noch gar nicht ausmalen, was passiert, wenn aufgrund der hohen Staatsschulden der US-Dollar abstürzen sollte, was heute nicht mehr ausgeschlossen werden kann (vor allem, wenn der Dollar als Öl-Währung abgelöst wird).
All dies muss vor dem Hintergrund der anderen Krisen gesehen werden, die sich in raschem Tempo auf ein bisher ungeahntes Niveau hinbewegen: Die Ernährungskrise wird (verstärkt durch die aktuelle Wirtschaftskrise) zur Folge haben, dass wahrscheinlich schon in Kürze eine Milliarde Menschen hungern. Die Energiekrise wird sich deswegen zuspitzen, weil in wenigen Jahren mit dem Peak-Oil zu rechnen ist, also der maximal möglichen Ölfördermenge. Danach wird Öl so teuer werden, dass große Teile der Weltbevölkerung unter Mangel an Treibstoffen und Heizenergie leiden werden. Der Klimawandel wird zu vermehrten Naturkatastrophen, zu Überschwemmungen, Dürren usw. führen.
Wachsende objektive Widersprüche
Allein die Debatte über das Rettungsübernahmegesetz, das für die Hypo Real Estate (HRE) gezimmert wird, zeigt, in welchen Schwierigkeiten die Herrschenden sind. Die Regierung lässt sich all diese Gesetze von interessierten Anwaltskanzleien ausarbeiten, kann sich aber aus politischen Gründen nicht zu der besten kapitalismusstabilisierenden Maßnahme entschließen, nämlich die sofortige Enteignung der HRE-Aktionär­Innen. Dem Staat würde es nichts kosten, denn der aktuelle Börsenwert der HRE ist unter null und nach dem Bankengesetz hätte sie sowieso schon längst geschlossen werden müssen, weil sie nicht mehr über das nötige Eigenkapital verfügt. Aber die Aktionär­Innen wollen mehr: Der Staat soll ihre Verluste ausgleichen, sie aber nicht enteignen, damit sie später wieder Gewinne einfahren können.

Für die Herrschenden ist dies nun ein politisches Problem: Eine Enteignung – und sei sie noch so vorübergehend konzipiert – widerspricht der Ideologie von der Allmacht des Marktes. So treibt die Sache wochenlang hin und verschärft auf diese Weise die Krise, denn an einer Übernahme wird die Regierung nicht vorbeikommen. Es wird nur unterm Strich immer teurer und der Tabubruch Enteignung wird trotzdem erfolgen.

Die Alternative wäre ein Lehman II, also ein Zusammenbruch mit heute unabsehbaren Folgen für das gesamte Finanzwesen nicht nur der BRD, sondern weit darüber hinaus. Dafür sind die dort angelegten Kredite zu umfangreich, die Bank hat also „systemische Bedeutung“.

Die Regierung will diese Bank nicht untergehen lassen, andererseits können die Herrschenden nicht jede Bank retten müssen, wenn sie erst mal eine gewisse Größe überschritten hat, denn dazu fehlen auch dem deutschen Staat die Mittel.

Die aktuelle Bankenkrise hat zudem noch Risiken in unbekannter Höhe: Durch die Krise und durch die aktuelle Wirtschaftspolitik wird der Fusionsprozess gefördert; d. h. die Bundesregierung setzt mehr oder weniger unverhohlen darauf, dass die Deutsche Bank gestärkt aus der Krise hervorgeht, indem sie überlebt und dann andere Institute schluckt. Aber auch die Anlagen der Deutschen Bank sind alles andere als sicher. Sie kann – je nachdem welches andere Institut in welcher Weise mit Guthaben der Deutschen Bank umgeht – ganz schnell selbst zu einem gewaltigen Problemfall werden. Schließlich hat auch die Deutsche Bank gewaltig mitspekuliert und sich verspekuliert, wie die Verluste aus dem letzten Geschäftsjahr zeigen. Josef Ackermann legt selbstverständlich die Bücher nicht offen, aber ernst zu nehmende Analyst­Innen gehen von toxischen Papieren über mehrere hundert Milliarden € bei der Deutschen Bank aus. Die Linie von Deutscher Bank und Bundesregierung ist somit ein reines Vabanquespiel.

Ähnlich handlungsunfähig bzw. unwillig sind die Herrschenden in der Angelegenheit der Boni. Alle wissen, dass Boni ein vollkommen falsches Anreizsystem sind und dass die Boni in keinem Verhältnis zu den realen Geschäftsergebnissen stehen, aber die Regierenden werden so schnell nichts Grundlegendes ändern, denn auch dies widerspräche dem „freien
Spiel der Kräfte“ und der Marktwirtschaft. Auch die Regeln für die Banken werden beim G-20 Treffen in London bestenfalls kosmetisch geändert werden: Derivate und Hedgefonds werden weiter erlaubt sein, wie Steueroasen und Zweckgesellschaften oder die viel zu geringen Eigenkapitalquoten.

Was bleibt nun als Krisenbewältigungsprogramm? Die Herrschenden wollen (und können) an der Funktionsweise des Kapitalismus nichts ändern. Profite abschöpfen, enteignen, umverteilen usw. widerspräche der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. So setzen sie auf ein staatlich finanziertes Nachfrageprogramm, wobei hier nicht so sehr zählt, was langfristig ökonomisch oder gar gesellschaftlich Sinn ergäbe, sondern einzig und allein, was den aktuell dominierenden Konzernen neue Aufträge beschert, die Aufträge für das kleine Handwerk sind dabei nur Abfallprodukte. Larry Summers, Obamas wirtschaftspolitischer Chefberater, drückt das so aus: „Der richtige makroökonomische Fokus für die G 20 ist die globale Nachfrage und die Welt braucht mehr Nachfrage“ (Der Spiegel, 16.3.09).

Die Wirkung dieser Maßnahme besteht im besten Fall allerdings darin, mithilfe zusätzlicher staatlicher Verschuldung die Krisenfolgen rauszuschieben, mit dem Effekt, dass in der Zwischenzeit die Geld verleihenden Banken sich über diesen Weg bereichern können und der Staat weitere Zinslasten zu bewältigen hat. Heute schon beläuft sich das Haushaltsdefizit der USA auf annähernd 10 % des BIP (ein gigantischer Betrag), am Ende des Jahres wird es deutlich darüber liegen.
Überkapazitäten
Schließlich ist der Hintergrund für die ständige Suche nach profitträchtigen Finanzprodukten die mangelnde Verwertbarkeit des Kapitals in der „Realwirtschaft“. Nicht nur, aber ganz besonders in der Automobilproduktion sind die Überkapazitäten mit heute 35 % einfach viel zu groß. Jede Regierung der autoproduzierenden Länder setzt mit den anvisierten staatlichen Hilfen darauf, dass die „eigene Automobilproduktion“ nicht hops geht und damit der soziale Sprengstoff niedrig gehalten wird. Letztlich kann das aber nicht funktionieren, denn ohne eine Umstellung der Produktion fließt das dort rein gepumpte Geld in ein Fass ohne Boden. Das kann einfach nicht aufgehen. Und die Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich sinnvolle Produkte kann von den einzelnen Konzernen nicht gestemmt werden. Dazu hat keiner von ihnen die notwendigen Mittel. Einen solchen Konzern zu verstaatlichen widerspräche eklatant der kapitalistischen Logik und wäre vom bürgerlichen Staat bestenfalls kurz vor einem totalen Systemzusammenbruch zu erwarten, mit politischen und ideologischen Folgen, die die Herrschenden möglichst vermeiden wollen.
Somit bleibt in der bürgerlichen Logik nur folgende Marschroute: Jeder der zwölf großen Automobilkonzerne hofft, dass er so lange durchhält, bis genügend andere Konzerne die Grätsche gemacht haben, sodass für die verbliebenen genügend Marktanteile übrig bleiben und dann die Profitrate wieder saniert werden kann. Heute ist davon auszugehen, dass am Ende der Krise nur noch acht Konzerne übrig sind (vielleicht sogar nur noch sechs). Auch in anderen Bereichen, etwa der Zulieferindustrie, fördern die angeforderten oder schon bewilligten Staatszuschüsse den Konzentrationsprozess (Schaeffler-Continental, Commerzbank-Dresdner Bank usw.) mit weitreichenden Folgen in Sachen Stellenabbau. Wenn also nicht enteignet wird (mit einer gesellschaftlich durchgesetzten Arbeitsplatzgarantie) fördern Steuermittel nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen sondern deren Abbau.
Subjektive Krise
Was den Herrschenden heute ganz gewaltig gegen den Strich geht, ist die Tatsache, dass diese ganzen Widersprüche ansatzweise von den Menschen als Widersprüche oder auch als Unzulänglichkeiten des Systems empfunden werden, auch wenn sich dies heute bei den meisten an Oberflächenerscheinungen festmacht. So kommen die Boni heute genauso übel an, wie etwa die Bagatell-Kündigungen. Manager setzen Milliarden in den Sand und kassieren dicke Boni. Da werden Bankster für ihre riskanten Spekulationsgeschäfte (die logischerweise niemals alle aufgehen können, denn schließlich wetten sie gegeneinander) mit jährlichen Millionenbeträgen gemästet und gleichzeitig wird einer Kassiererin gekündigt, weil sie angeblich 1.30 € Pfandgeld unterschlagen haben soll, oder ein Bäcker, weil er einen Brotaufstrich im Wert von 0,10 € nicht abgerechnet haben soll. Banken werden mit Steuergeldern über Wasser gehalten, aber gleichzeitig werden den Eigentümern fette Dividenden ausgezahlt. Das kann nicht ohne grundlegendes Hinterfragen bleiben.

Noch verharren die meisten Kolleg­Innen in einer gewissen Schockstarre, zumindest in einer gewissen Ratlosigkeit. Beispiele wie der überaus erfolgreiche 44-tägige Generalstreik auf Guadeloupe sind in der hiesigen Bevölkerung vollkommen unbekannt und die Gewerkschaften hüten sich, das bekannt zu machen. Und nur wenige linke Gruppen verfolgen den Gärungsprozess auf den Antillen und dessen Auswirkungen etwa auf die Lage in Frankreich.

Aber selbst in dem zurückgebliebenen Deutschland wird sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in den nächsten 1-2 Jahren so einiges ändern. Soweit wir das heute beobachten können, bewirken die sich ausbreitenden Krisenfolgen bestimmte „molekulare Bewusstseinsprozesse“ (so drückte Trotzki das in einer vergleichbaren Situation aus). Subjektiv, auf der Ebene des Bewusstseins also, können sich die Erfahrungen der letzten Monate und vor allem das, was in diesem Jahr noch alles kommen wird, recht zügig in eine gesellschaftliche Krise transformieren, deren Verlauf heute niemand vorhersagen kann. Aber auf ihr Eintreten sollten wir vorbereitet sein. Heute schon trauen viele Menschen den Herrschenden nicht mehr zu, die Krise lösen zu können (siehe im Besonderen die aktuellen Umfrageergebnisse etwa in Frankreich).

Zurzeit ist bei uns die öffentliche Reaktion breiter Bevölkerungsschichten noch recht zurückhaltend, einfach weil die Regierung sich noch nicht traut, die sozialen Einschnitte zu verkünden, zu denen sie sich nach der Wahl („plötzlich“) veranlasst sehen wird. Grundsätzlich bleibt den Herrschenden nur die Wahl der rabiaten Einschnitte, um sich bei uns das Geld zu holen, das sie heute ausgibt (aber gar nicht wirklich hat), oder sie wird die Notenpresse anlaufen lassen und über die Inflation diejenigen, die keine Sachwerte haben, bluten lassen.
Welche Alternativen?
Ein alternatives Programm gegen die Krise müsste auf folgenden Pfeilern stehen:
Konversion: Am dringlichsten ist dies bei der Autoindustrie, aber nicht nur dort müsste die Produktion auf gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produktion umgestellt werden. Nicht nur wegen der gewaltigen Überkapazitäten, sondern auch wegen des bedrohlichen Klimawandels muss die Produktion so bald wie möglich umgestellt werden auf Fahrzeuge für den ÖPNV (Straßenbahnen, Busse, Bahnen) und beispielsweise auf Fahrräder (Opel hat im 19. Jahrhundert schon einmal Fahrräder gebaut). Nur zur Verdeutlichung: Vor wenigen Jahrzehnten hat die französische Elektrizitätswirtschaft ihre Energiegewinnung innerhalb von nur 15 Jah
ren zu 90 % auf Atomenergie umgestellt, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung des Staates.

Enteignung: Die Konversion der Autoindustrie kann nur dann sinnvoll bewerkstelligt werden, wenn die entsprechenden Betriebe in gesellschaftliche Hand genommen werden. Ohne die Eigentumsfrage zu stellen, sind jegliche Diskussionen in Richtung Konversion nur Schall und Rauch, denn ein Privatbetrieb kann nicht dazu gezwungen werden, entgegen der privatwirtschaftlichen Profiterwartung Geld in die Produktion von Anlagen zu stecken, die nur gesamtgesellschaftlich sinnvoll sind, aber einzelbetrieblich keinen Profit abwerfen. Abgesehen davon hätte auch keiner der Automobilkonzerne die Mittel, um ein solches Umsteuern zu finanzieren. Und die Konversion kann nur dann voll greifen (d. h. ökologisch voll wirksam werden), wenn die gesamte Branche erfasst wird. Begleitend dazu muss dann landesweit der ÖPNV massiv ausgebaut werden (es müssen also entsprechende Aufträge erstellt werden) und er muss für die Benutzer kostenlos werden.

Eine Vergesellschaftung von Opel kann also nur der Anfang sein, d. h. bei diesem Einstieg dürfte es nicht bleiben. Ähnliche Maßnahmen müssten vorrangig auch für die Energiewirtschaft ergriffen werden, sowie in der Folge letztlich für alle anderen Industriebranchen.
Im Übrigen kann eine Enteignung nur dann eine Perspektive sein, wenn es eine Inbesitznahme durch die Arbeiter­Innenklasse ist (und nicht durch den Bundesfinanzminister). In erster Linie müssen die dort Beschäftigten bestimmen, wie künftig produziert wird und wie die internen Hierarchien abgebaut werden. Sie müssen die Bücher kontrollieren und gemeinsam mit der Bevölkerung bestimmen, was, wann und in welchem Umfang produziert wird.

Arbeitszeitverkürzung: Ebenfalls für weit über den Automobilsektor hinaus muss die Kampfparole lauten: Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich. Verteilung der Arbeit auf alle Hände!
Sozialer Schutzschirm: Oberstes Prinzip aller gesellschaftlichen Maßnahmen muss die Verteidigung der Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung sein. Es muss eine breite Bewegung entstehen für einen Mindestlohn von heute 12 Euro, für eine soziale Grundsicherung von 700 €, für ein Verbot von Entlassungen usw. Alle Maßnahmen der Konversion müssen mit den dort Beschäftigten entwickelt werden und dürfen in keinem Fall auf Kosten der Betroffenen geschehen.
Wie durchsetzen?
Die Frage stellt sich: Wer soll das durchsetzen und wie? Die weitgehende Passivität der Arbeiter­Innenklasse in der BRD hat viele dazu bewegt, in Bezug auf die Arbeiter­Innenbewegung von einem Auslaufmodell zu sprechen. Gerade in Attac-Kreisen aber auch weit darüber hinaus meinen viele, die Arbeiter­Innenklasse werde ständig kleiner, sie spiele keine Rolle mehr, wer etwas ändern wolle, müsse dies auf der Straße durchsetzen usw.

Straßendemonstrationen sind wichtig und werden ganz ohne Zweifel eine große Rolle spielen, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Demonstrationen nach Feierabend (und am Samstag) den Herrschenden vielleicht unangenehm sind, weil sie den Bewusstwerdungsprozess unterstützen, aber größere gesellschaftliche Veränderungen sind nur zu erreichen, wenn die Macht der Arbeiter­Innenklasse ins Spiel kommt, und die liegt nun mal in der Arbeitsverweigerung. Wenn keine Busse und Bahnen mehr fahren, wenn die Elektrizitätsversorgung unterbrochen wird, wenn keine Lkw mehr fahren oder die Müllwerker streiken, wenn die Produktion von mechanischen  oder elektronischen Teilen für die Exportindustrie ruht usw., dann steht die Kapitalverwertung auf dem Spiel, weil Geschäfte platzen können, weil Kredite nicht bedient werden können usw. Bei der heutigen Just-in-Time-Produktion und der engen internationalen Verflechtung reichen im Grunde schon wenige Tage, um die Herrschenden in die Knie zu zwingen. Hätten beispielsweise die Lokführer­Innen vor gut einem Jahr nicht auf die GDL-Spitze gehört, dann hätten sie mit ein paar wenigen weiteren Streiktagen alle ihre Forderungen durchsetzen können und nicht nur 30 % davon. Ein anderes Beispiel: In Frankreich wurde z. B. 2006 das Ersteinstellungsgesetz auch und gerade wegen der vielen Streikenden (insgesamt mehrere hunderttausend) zurückgezogen.

Deshalb muss nach dem 28. März das Thema politischer Streik ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das muss anfangen bei Streikmaßnahmen gegen drohende Entlassungen und muss weitergehen bis zu Straßenblockaden während der Arbeitszeit und den Aufbau breiter örtlicher Bündnisse, um jeweils in kürzester Zeit auf neue Herausforderungen reagieren zu können.

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