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Innenpolitik

Enteignet Schaeffler!

Von B. B. | 01.07.2009

Der Zusammenbruch von Konzernen, der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen lassen die IG Metall-Führung vor einer radikalen Infragestellung der Vermögensverhältnisse zurückschrecken. Als scheinbare Alternative setzt sie auf Mitbestimmung im Aufsichtsrat, was regelmäßig zum Schulterschluss mit Geschäftsführung, Management oder Eigentümerin führt – wie bei Schaeffler.

Der Zusammenbruch von Konzernen, der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen lassen die IG Metall-Führung vor einer radikalen Infragestellung der Vermögensverhältnisse zurückschrecken. Als scheinbare Alternative setzt sie auf Mitbestimmung im Aufsichtsrat, was regelmäßig zum Schulterschluss mit Geschäftsführung, Management oder Eigentümerin führt – wie bei Schaeffler.

Mitte 2008 verkündete Schaeffler, den dreimal so großen Autozulieferer Continental zu übernehmen. Für die „feindliche Übernahme“ verpflichtete sich der Konzern, 75 Euro je Conti-Aktie zu zahlen. Damals begrüßten Betriebsräte von Schaeffler die Übernahme. Als die Börsenkurse infolge der Krise einbrachen, nahmen 90 % der Conti-Aktionäre das Angebot an. Die Schaeffler-Gruppe saß auf rd. 10 Mrd. Euro Schulden, deren Zinsen sie nicht bezahlen konnte. Ihr droht die Insolvenz.
Lobbypolitik für Schaeffler
In Herzogenaurach, dem Sitz der Schaeffler-Gruppe, ist eine Initiative „Auch wir sind Schaeffler“ aktiv. Ihrer – von der Belegschaft nicht demokratisch gewählten – „Steuerungsgruppe“ gehören der Betriebsratsvorsitzende und der Leiter des Bereichs Wissensmanagement der Schaeffler-Gruppe an. Die Initiative betreibt Lobbypolitik für Frau Schaeffler, die sich bekanntlich im Pelzmantel und einem Glas Champagner in der Hand auf einer Party in Kitzbühel zeigte – am gleichen Tag, an dem sie im Berliner Regierungsviertel um Staatshilfen bettelte.

Über die Höhe des Schaeffler-Vermögens macht „Auch wir sind Schaeffler“ keine genauen Angaben, gibt aber dafür folgende Ansicht zum Besten: „Frau Schaeffler hat in der Betriebsversammlung bereits deutlich gemacht, dass Gewinne in der Vergangenheit in die Firmengruppe reinvestiert worden sind. Das Vermögen der Familie steckt in unserer Firma. Das jetzt notwendige Finanzierungsvolumen übersteigt jedoch nun die Möglichkeiten des Familienunternehmens. Derzeit arbeitet Schaeffler zusammen mit den Banken, mit möglichen Investoren und mithilfe der Politik an einer gemeinsamen Lösung. Es geht bei den Gesprächen mit der Politik um eine zeitlich begrenzte Überbrückung in einer besonderen Ausnahmesituation“.
Geheimnistuerei um das Vermögen
Wenn es doch „unsere Firma“ ist, wieso gehört dann das in ihr steckende Vermögen nicht „uns“ sondern der Familie Schaeffler? Aus dem Schaefflerschen Vermögen wird ein Geheimnis gemacht. In keiner einzigen Erklärung des Betriebsrates von Schaeffler in Herzogenaurach oder der Initiative „Auch wir sind Schaeffler“ wird das Privatvermögen einer der reichsten Familien der Welt genannt. Dabei genügen zwei, drei Klicks im Internet, um zu erfahren, dass es rd. 8,5 Mrd. US $ beträgt. Die Milliarden sind nicht von Frau Schaeffler und ihrem Sohn erarbeitet worden, sondern von den weltweit 71 000 „lieben Mitarbeitern“.

Die IG Metall beteiligt sich an dieser Geheimnistuerei. Zwar steht in einer Erklärung der IGM-Bezirksleiter Meine, Neugebauer und Schild, dass es „nicht darum (geht), das Privatvermögen der Familie Schaeffler abzusichern“. Aber nirgendwo wird es von der IG Metall benannt. Während die IGM der Schaeffler-Gruppe vorwirft, „als Personengesellschaft ein völlig intransparentes Unternehmen“ zu sein, breitet sie selbst den Mantel des Schweigens über die Höhe des Schaeffler-Vermögens aus.
Mitbestimmung wofür?
Ein Grund dafür liegt nahe: Um die Schaefflerschen Forderungen nach staatlichen Hilfen zu unterstützen, verlangte die IG Metall die Schaffung eines Aufsichtsrats nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976. Dem stimmte Frau Schaeffler, die sich mit dem IGM-Vorsitzenden Huber traf, zu. Über den dann neu einzurichtenden Aufsichtsrat sollen mögliche staatliche Beihilfen „kontrolliert“ werden. Aber was soll das für eine Kontrolle sein, wenn die IG Metall nicht einmal wagt, das Schaefflersche Vermögen weder zu benennen, noch anzuprangern oder seine politische Haftung einzufordern?
Schaeffler enteignen!
Der tiefere Grund für diesen Kotau der IG Metall vor der Familie Schaeffler ist der „Heiligenschein“, der das Privateigentum an Produktionsmitteln und die darauf beruhenden Vermögen umgibt. Die Benennung des Schaefflerschen Vermögens würde Fragen aufwerfen, wie es entstanden ist und was mit ihm geschehen soll. Es gibt nur wenige Fälle, die die Forderung nach Enteignung so nahelegen, wie die mögliche Insolvenz der Schaeffler-Gruppe. Das weiß die IGM-Bürokratie genau so gut wie wir. Sie sucht diese Debatte zu vermeiden, weil sie selbst Teil des Systems ist.
Mit Schaeffler für Staatshilfen demonstrieren?
So demonstrierten die IG Metaller­Innen in Herzogenaurach für Staatshilfen für die Schaeffler-Gruppe. Aus dem Motto der Initiative „Auch wir sind Schaeffler“ wurde bei der IGM „Wir sind Schaeffler“. Auch Frau Schaeffler reihte sich unter die 8 000 Demonstrant­Innen ein. Sie winkte ihnen zu und als bei einigen Arbeitern darüber Jubel ausbrach, vergoss sie publikumswirksam ein paar Tränen.
Die Unternehmensleitung will angeblich keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen. Für dieses vermeintliche Zugeständnis sollen bei den Arbeiter­Innen und Angestellten 250 Mio. Euro Personalkosten eingespart werden. Das Verzichtsprogramm enthält: Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, freiwillige Aufhebungsverträge, Altersteilzeit, Kürzung von Einmalzahlungen, Gründung von Transfergesellschaften, und Verschiebung der tariflichen Lohnerhöhung.

So sieht die Politik der Klassenzusammenarbeit aus, die die IG-Metall-Bürokratie betreibt. Wer wie sie die Privatvermögen der Milliardär­Innen selbst in der Krise nicht antasten will, muss mithelfen, die Folgen der kapitalistischen Krise auf die Lohnabhängigen abzuwälzen.

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