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Innenpolitik

Krankenhausprivatisierung: Unter Geiern

Von Thadeus Pato | 01.07.2009

Im Windschatten der ökonomischen Krise arbeitet eine Branche emsig an ihrer weiteren Expansion, die als eine der wenigen auf zuverlässigem Wachstumskurs ist: Die „Gesundheits“industrie. Was an staatlichem Tafelsilber bisher noch nicht verscherbelt wurde, wird zur Auffüllung der öffentlichen Kassen demnächst unter den Hammer kommen…

Im Windschatten der ökonomischen Krise arbeitet eine Branche emsig an ihrer weiteren Expansion, die als eine der wenigen auf zuverlässigem Wachstumskurs ist: Die „Gesundheits“industrie. Was an staatlichem Tafelsilber bisher noch nicht verscherbelt wurde, wird zur Auffüllung der öffentlichen Kassen demnächst unter den Hammer kommen…

Den Anfang machte einer der kleineren Krankenhauskonzerne, die in den letzten dreißig Jahren wie Pilze aus dem morastigen Boden der Privatisierungspolitik der vergangenen Bundesregierungen geschossen waren.
Die Konzerne füllen die Kriegskasse
Die MediClin-AG teilte im Dezember 2008 mit, dass sie ihre Kapitalerhöhung abgeschlossen und damit 38 Millionen Euro in die Kassen bekommen habe. MediClin erzielte 2007 mit 33 Klinikbetrieben, acht Pflegeeinrichtungen und drei Medizinischen Versorgungszentren in elf Bundesländern, einer Gesamtkapazität von rund 7.900 Betten und rund 7.800 Mitarbeitern einen Konzernumsatz in Höhe von 392 Millionen Euro. Aber der mit einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro (Anteil am Umsatz der gesamten Gesundheitswirtschaft: 4 Prozent) weit größere Asklepios-Konzern, im Wesentlichen im Besitz des Gründers, eines Herrn Broermann, der auch schon einmal unrentable Häuser in 4 Sterne-Hotels umwandelt, nahm ebenfalls eine Kapitalerhöhung vor und stieg zunächst mit 10,6 % bei MediClin ein. Im Mai 2009 wurde dann die Beteiligung auf 20 % aufgestockt, inzwischen sind es 25 %.
Die Konkurrenz reagierte: Die Rhön-Kliniken AG kündigte Anfang Juni eine Kapitalerhöhung um eine halbe Milliarde an und begründete dies explizit mit der zu erwartenden nächsten Welle der Krankenhausprivatisierung im Jahr 2010 – nach der Bundestagswahl. Rhön-Kliniken waren bereits 2006 zum europaweit größten Krankenhauskonzern aufgestiegen. 16 % der Aktien befanden sich 2006 im Besitz der (Gründer)familie Münch, 27 % im Streubesitz und 47 % gehörten institutionellen Anlegern  in Europa, Nordamerika und Asien, 10 % institutionellen Anlegern in Deutschland.

Helios wiederum, der dritte der „big player“, mehrheitlich im Besitz der Fresenius AG, bzw. deren Stiftung, und 2006 hinter Rhön und vor Asklepios Nummer zwei auf dem europäischen Krankenhausmarkt, hat ebenfalls in den letzten Jahren massiv expandiert. 2005 hatte Fresenius den deutschen Klinikkonzern Helios für 1,5 Milliarden Euro erworben. Im darauf folgenden Jahr erwarb die Dialysetochter FMC den  US-Konkurrenten Renal Care Group für 3,5 Milliarden Dollar. Im Sommer 2008 kaufte Fresenius das US-Pharmaunternehmen APP, das intravenös zu verabreichende Medikamente herstellt. Der Kaufpreis belief sich auf bis zu 5,6 Milliarden US-Dollar.
Die Trüffelschweine
Der Gründer von Asklepios, Broermann, und der von Helios, Helbig (der 2005 an Fresenius verkaufte) haben etwas gemeinsam. Ursprünglich hatten sie nämlich im Jahr 1987 zusammen Asklepios gegründet, 1994 trennte sich Helbig von Broermann und benannte seine Dr. Helbig Klinikgruppe in Helios um. Broermann, der zunächst in den USA eine Kette als Manager aufgebaut hatte, soll sein Startkapital für Asklepios von der Bank of America bekommen haben. Diese beiden hatten die Zeichen der Zeit erkannt: Die Deregulierung des Gesundheitswesens schritt voran und flächendeckend verscherbelten kommunale und andere Träger ihre Gesundheitseinrichtungen zu Schleuderpreisen. Dass es dabei manchmal nicht mit so ganz rechten Dingen zuging, merkte sogar die Hamburger Morgenpost. In einem Kommentar vom 12.5.2009 schrieb der Kommentator C. Burmeister: „Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) hält einen Rekord: für die schlechteste Entscheidung, die in der jüngeren Geschichte Hamburgs getroffen wurde. Die Privatisierung der Krankenhäuser gegen den Willen der Mehrheit der Hamburger im Jahr 2004 stellt sich heute als Desaster heraus, das den Steuerzahler bisher 108 Millionen Euro gekostet hat. Und es wird noch mehr nachkommen. Der Deal war für die Stadt so schlecht, dass nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder Peiner ist so unfähig gewesen, dass der aktuelle Finanzsenator daneben wie Einstein wirkt, oder Peiner hat seinem Ex-Geschäftspartner, dem Asklepios-Gründer Broermann, bewusst das Geschäft seines Lebens ermöglicht.“

Die privaten Krankenversicherer waren allerdings noch schneller. Die heutige Sana-Klinikgruppe wurde bereits 1972 vom „Verein zur Planung und Förderung privater Krankenhäuser e. V.“ (Köln) durch 18 private Krankenversicherungsunternehmen gegründet. Inzwischen sind 33 Versicherer mit im Boot und es gibt eine interessante Verflechtung mit der Medizinindustrie: Zusammen mit Siemens und weiteren Firmen ist die Sanagruppe an der Pro Consilio AG beteiligt, die sich im Disease Management tummelt. Sana war es auch, die zum ersten Mal in Deutschland als Privatunternehmen das Management einer Universitätsklinik übernahm, nämlich des Uniklinikums Rostock. Sana ist heute hinter den Marktführern Asklepios, Helios und Rhön der viertgrößte Konzern in Europa.
Von langer Hand vorbereitet
Dass der Verband der privaten Krankenversicherer einer der Ersten war – neben der heute eher in der zweiten Liga spielenden Paracelsus-Kliniken-Kette – der auf die Privatisierung des Krankenversorgungssystems setzte, kam nicht von ungefähr. Die Versuche der Marktradikalinskis aus den herrschenden bürgerlichen Parteien, auch in diesem Sektor ganz „normale“ kapitalistische Prinzipien durchzusetzen, reichen weit zurück. Nur konnte dafür nie eine entsprechende gesellschaftliche Akzeptanz hergestellt werden, in allen Umfragen war seit Jahrzehnten eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Privatisierung. So musste Sana sich zunächst darauf beschränken, kleinere notleidende Privatkliniken und freigemeinnützige Häuser aufzukaufen. Der Durchbruch kam erst mit dem Kunstgriff, den Seehofer und seine Nachfolgerinnen im Gesundheitsministerium, die Grüne Andrea Fischer und die Sozialdemokratin Ulla Schmidt, anwandten. Als klar wurde, dass eine offene Privatisierung nicht durchsetzbar war, setzte man zunächst ab 1993 die Häuser mit einer finanziellen Deckelung unter Druck und änderte dann mit der Einführung des DRG-Systems die Finanzierung so, dass es im Gegensatz zu früher möglich war, Profite zu erzielen – und auch, in Konkurs zu gehen. Damit war der Weg frei für Broermann, Helbig, Münch und die anderen Aasgeier, die sich über die ausgebluteten kommunalen Krankenhäuser hermachten und inzwischen auch Unikliniken aufkauften (die Uniklinik Gießen/Marburg gehört inzwischen den Rhön-Kliniken).

Und da, wo diese Masche auf den Widerstand der Bevölkerung stieß, wie in Hamburg, wo im Rahmen eines Bürgerentscheids die Privatisierermafia unterlag, zeigte sich, welch gute Demokrat­­Innen als Volksvertreter in den Parl
amenten sitzen: Man ignorierte den Entscheid ganz einfach und verkaufte trotzdem. Und dass zu vermuten steht, dass dabei nicht nur ideologische Überzeugungen eine Rolle spielten, hat nicht nur die Morgenpost in dem oben zitierten Kommentar festgestellt, es gibt auf kommunaler Ebene noch eine Reihe weiterer Beispiele. Auf diese Weise ist die Zahl privater Krankenhäuser von 1996 bis 2007 um knapp 42 Prozent gestiegen, fast ein Drittel der rund 2.000 Kliniken wird inzwischen von privaten Klinikketten wie Asklepios, Rhön, Sana & Co. betrieben – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die vom RWI Essen und dem Institut für Gesundheitsökonomik in München im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK) erstellt worden ist.
Profite – aber wie?
Nun mutet es ja etwas merkwürdig an, dass sich profitorientierte Anleger ausgerechnet auf Krankenhäuser stürzen, die chronisch defizitär sind. Aber sobald sie privatisiert sind, sind sie es nicht mehr lange: Die Rhön-Klinikum AG beispielsweise wies für 2007 eine Eigenkapitalrendite von 14,4 Prozent aus. Die anderen Konzerne ließen die Zahlen in ihren Geschäftsberichten lieber ungenannt. Am Beispiel der Unikliniken Gießen und Marburg lässt sich klar belegen, wie diese Profite auf dem Rücken von Patient­­Innen und Belegschaft erwirtschaftet werden:

Seit Februar 2006 ist die Uniklinik im Besitz der Rhön-Klinikum-AG. Ende Juni 2007 war die Gewinnzone erreicht. In diesem Zeitraum wurden 280 von über 7000 Stellen abgebaut, das machte 11,5 Millionen Euro Einsparung, ca. 30 weitere Stellen wurden auf das Land Hessen verlagert, das machte noch einmal 1,2 Millionen, und weitere 2,7 Millionen wurden durch Managementmaßnahmen eingespart.

Dass dieses Vorgehen kein Einzelfall ist, zeigt sich an den entsprechenden Statistiken. Private und „freigemeinnützige“ Träger (in der Regel die Kirchen) liegen, was den Stellenschlüssel betrifft, fast gleichauf, die öffentlichen Krankenhäuser haben durchgängig bessere Bedingungen – vom Tarif ganz zu schweigen.
Perspektiven?

International liegt die BRD mit ihrer Krankenhausprivatisierungspolitik weit vorn. Eine Analyse der Gewerkschaft ver.di  kommt zu dem Schluss:

  • •     Nirgendwo in der EU werden mehr Krankenhäuser verkauft.
  • •    Nirgendwo werden größere Krankenhäuser verkauft.
  • •     Kein anderes Land verkauft ganze Uniklinika.
  • •     Deutsche Krankenhauskonzerne sind die größten Europas.

Ohne Gegenwehr wird voraussichtlich 2010 der private Sektor den öffentlichen eingeholt haben. Und dass die Versorgung dann billiger und besser werde, stimmt bereits heute nicht. Die Versorgung wird wegen des DRG-Systems gleich teuer, aber durch die genannten Maßnahmen zur Gewinnmaximierung wird die Qualität sinken. Damit das niemand merkt, wurde folgerichtig mit einer „Qualitätssicherung“ erst begonnen, als die Privatisierung bereits im Gang war. Damit ist ein Vergleich zu vorher schon einmal vorsorglich verhindert worden. Und die Geier können unbehelligt weitermachen.

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