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Länder

¡Honduras resiste!

Von Karl Lindt | 01.09.2009

Seit über zwei Monaten halten sich nun die Putschisten in Honduras. Trotz massiver Repression, Zensur der Medien und weitgehender Einschränkung der bürgerlichen Rechte ist es der sozialen Bewegung bisher immer wieder gelungen, Massendemonstrationen und Aktionen durchzuführen. Sie fordern die sofortige Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten Zelaya.

Seit über zwei Monaten halten sich nun die Putschisten in Honduras. Trotz massiver Repression, Zensur der Medien und weitgehender Einschränkung der bürgerlichen Rechte ist es der sozialen Bewegung bisher immer wieder gelungen, Massendemonstrationen und Aktionen durchzuführen. Sie fordern die sofortige Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten Zelaya.

Was war passiert? Am 28. Juni 2009 um 5:25 Uhr morgens hatte ein Kommando der Armee die Residenz des gewählten Präsidenten von Honduras gestürmt. Präsident Zelaya wurde aus dem Bett gezogen und fand sich wenig später halb nackt auf dem Rollfeld eines Militärflughafens wieder. Der Putschist Micheletti ersetzte dann den außer Landes geschafften rechtmäßigen Präsidenten. Derweilen befindet sich „Mel“ Zelaya immer noch im Exil in Nicaragua und kämpft von dort aus für seine Rückkehr.
Der Putsch vor dem Putsch
Eigentlich hatte der Putsch aber schon am 25. Juni stattgefunden. An diesem Tag weigerte sich der Oberkommandierende der Streitkräfte, General Romeo Vásquez Velásquez, die für den 28. Juni geplante Meinungsumfrage bezüglich eines Plebiszits über eine verfassunggebende Versammlung logistisch zu unterstützen. In Honduras ist das Militär für die Überwachung und Verteilung des Wahlmaterials zuständig. Präsident Zelaya setzte Vásquez Velásquez daraufhin ab. Der Oberste Gerichtshof des Landes erklärte diese Entscheidung für nichtig – obwohl dieser darüber rechtlich gar nicht entscheiden kann. Die Exekutive und die Judikative, zumindest Teile dieser beiden Gewalten, hatten sich somit gegen die Regierung gestellt. Der gewählte Präsident hatte de facto keine Macht mehr. Er sah sich einem „technischen Staatsstreich“ gegenüber. Seine Verschleppung und Zwangsexilierung zwei Tage später hatte nur noch symbolischen Wert. Von dem Geschehen an diesem Tag ging eine eindeutige Nachricht der mächtigen Oberschicht von Honduras an die den Präsidenten unterstützenden Armen aus: „Wir setzen hier die Präsidenten ein“, lautete diese Nachricht, „und wir setzen sie auch wieder ab.“
Die Fassade der Putschist­Innen
Ein Teil der seit dem Putsch groß aufgezogenen und von (fast) allen staatlichen und privaten Medien des Landes lancierten Desinformationskampagne ist die Behauptung, Zelaya habe „Vaterlandsverrat“ begangen, weil er die Verfassung durch die o. g. Volksabstimmung novellieren lassen wollte. Er hätte damit das Verbot der Wiederwahl umgehen wollen, werfen ihm die Putschisten vor. Mit diesen und zahlreichen anderen Lügen wollen sie im Nachhinein ihrem Handeln einen legalen bzw. legitimen Anstrich verpassen. Sieht mensch jedoch etwas genauer hin, zerfällt die Fassade recht schnell. Die Frage für die nicht bindende Volksumfrage, die am 28. Juni stattfinden sollte, lautete: „Sind Sie damit einverstanden, dass bei den allgemeinen Wahlen im November 2009 eine vierte Urne aufgestellt wird, um über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung zu entscheiden?“ Die verfassunggebende Versammlung hätte also erst lange nach den kommenden Wahlen stattgefunden. Wie also wäre Zelayas Wiederwahl möglich gewesen? Er hätte davon gar nicht mehr profitieren können.
Die Angst der Oligarchie…
Der wirkliche Grund für den Staatsstreich liegt woanders. Die lateinamerikanische Oligarchie hat aus den Entwicklungen der letzten Jahre in Ländern wie Venezuela, Bolivien oder Ecuador gelernt – um ihre Herrschaft zu behaupten, müssen sie frühzeitig eingreifen, bevor die sozialen Bewegungen sich zu einem ernsthaften Machtfaktor im Land aufgebaut haben. Dem wollten die Putschist­Innen nun gerecht werden. Der Unterschied zwischen Zelaya und anderen, linksgerichteten Staatschefs in Lateinamerika ist allerdings groß: Manuel Zelaya gehört der Liberalen Partei Honduras (PLH), einer Gruppierung der Oberschicht, an. Parteivorsitzender dieser Partei ist, nach einem internen Putsch beim Parteikongress Ende vergangenen Jahres, Micheletti, der nach dem Staatsstreich auch de facto Präsident von Honduras ist. Zelayas eigene Partei hatte ihn also aus dem Präsidentenamt geputscht, wie konnte das passieren?
…vor sozialer Veränderung
Zelaya hatte das „Verbrechen“ begangen, mit den sozialen Bewegungen zu reden und teilweise Programme gegen die größte Not der Bevölkerung einzuführen. Verstaatlichungen, selbst mit Entschädigung der Eigentümer­Innen, einen Umbau der Armee zu einer Volksmiliz, ein Kampf gegen die Medienmonopole oder Ähnliches, wie von den linken Regierungen Lateinamerikas in den letzten Jahren umgesetzt, standen in Honduras nie zur Debatte. Die Regierung Zelaya beschränkte sich hingegen auf klassische sozial-liberale Projekte. Unter seiner Präsidentschaft wurde der kostenlose Zugang zum staatlichen Schulwesen garantiert; 1,3 Millionen Kinder bekamen in den Schulen täglich eine warme Mahlzeit; Kleinbauern mit weniger als zwei Manzanas (200 mal 200 Meter) Land wurden vom Staat gefördert, indem ihnen etwa Saatgut zur Verfügung gestellt wurde. Das kubanische Alphabetisierungsprogramm „Yo si puedo“ (Ja, ich kann) wurde eingeführt.

Die Probleme mit der Oberschicht begannen dann, als die Sozial- und Staatsreformen ihre Privilegien bedrohten. Zwei Monate vor dem Amtsantritt des Präsidenten Zelaya waren die Treibstoffpreise plötzlich über Nacht angehoben worden. Der Beitritt zu dem von Venezuela gegründeten energiepolitischen Bündnis „Petrocaribe“ bot eine Lösung für die Versorgungsengpässe durch die Lieferung venezolanischen Öls zu Vorzugsbedingungen. Nicht nur dieses Abkommen bedrohte die Profite von Spekulant­Innen. Als Zelaya zum Präsidenten gewählt wurde, ließ er die Medikamentenversorgung untersuchen, einen Wirtschaftsbereich, den bis dahin der Millionär und Medienmogul Jorge Canahuati Larach kontrollierte. Auch die Umweltpolitik der Regierung stieß schnell auf den Widerstand der großen Konzerne. Der Schutz der Wälder war z. B. ein Projekt, das Zelayas Regierung vor­antrieb, was die Holzindustrie um ihre Profite bangen ließ. Die Regierung kam aber nicht nur mit der besitzenden Klasse schnell in Konflikt. Nachdem der Präsident Mitte Mai diesen Jahres sein Veto gegen einen Gesetzesvorschlag der Rechten einlegte, der die „Pille danach“ verbieten sollte, stand auch die katholische Kirche gegen die Regierung auf.
Honduras resiste – Für die Rückkehr Zelayas
Die Fronten in Honduras sind klar. Während die Kapitalist­Innen, die Kirche, die Führungsschichten des Militärs und ihre internationalen Verbündeten, wie z. B. die Naumann-Stiftung der deutschen FDP, hinter dem Staatsstreich stehen, kämpft die soziale Bewegung nun schon seit zwei Monaten auf den Straßen und in den Betrieben gegen das Regime der Putschist­Innen. Auch nur einen Bruchteil
der Aktionen aufzuführen, die in den letzten Wochen gezeigt haben, dass das honduranische Volk sich nicht mit der Diktatur abfinden wird, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Eins ist aber klar, egal ob es die Bauern und Bäuerinnen von „Via Campesina“, Aktivistinnen der Gewerkschaften, Feminist­Innen, Mitglieder der linken Partei Unión Democrática (UD), die Streikenden im Öffentlichen Dienst oder die hunderttausenden Menschen, die in den letzten Wochen an den Demonstrationen teilgenommen haben sind, sie alle kämpfen für die Rückkehr von Zelaya und für eine Volksabstimmung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung.

Gegen die Massendemonstrationen, die sich mittlerweile nicht mehr nur auf die Hauptstadt des Landes konzentrieren, geht das Militär derweilen massiv vor. Die Situation ist alles andere als einfach, das Regime der Unterdrückung lastet schwer auf der Bewegung, insbesondere in den ländlichen Gebieten, wo wenig oder keine unabhängige Presse und internationale Beobachter­Innen sind. Hinrichtungen, das „Verschwindenlassen“ von Aktivist­Innen und ihren Angehörigen, willkürliche Verhaftungen und systematisch eingesetzte Folter erinnern an die dunk­le Zeit der lateinamerikanischen Diktaturen der 60er bis 80er Jahre. Der ständig steigenden Repression hat bis heute noch nicht zum Einbrechen der Bewegung geführt, doch wie lange kann es eine Bewegung schaffen, unter solchen Bedingungen politisch lebendig zu bleiben? Jeder Tag, an dem die Putschistinnen an der Macht sind, wird die gesamte lateinamerikanische Oberschicht in ihren Plänen bestärken, Ähnliches auch in Venezuela, Bolivien, Ecuador und überall dort zu machen, wo die Geknechteten und Unterdrückten ihr Haupt erheben. Und so geht es heute in Honduras nicht nur um das Schicksal dieses Landes, sondern auch um die Zukunft Lateinamerikas insgesamt.

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