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Betrieb & Gewerkschaft

Opel: Nach der Wahl wird alles anders

Von D. Berger | 01.10.2009

Vor der Wahl hat die Große Koalition CDU/CSU und SPD den geplanten Verkauf an Magna als Erfolg gefeiert. Aber weder ist der Deal perfekt, noch sind damit die gewaltigen Probleme, die sich aus den weltweiten Überkapazitäten ergeben, gelöst, noch können die Beschäftigten aufatmen. Im Gegenteil.

Vor der Wahl hat die Große Koalition CDU/CSU und SPD den geplanten Verkauf an Magna als Erfolg gefeiert. Aber weder ist der Deal perfekt, noch sind damit die gewaltigen Probleme, die sich aus den weltweiten Überkapazitäten ergeben, gelöst, noch können die Beschäftigten aufatmen. Im Gegenteil.

Die gewaltigen Überkapazitäten in der Automobilindustrie lagen schon vor der Krise bei knapp 30 %. Genau genommen sind gerade auch diese Überkapazitäten einer der tiefer liegenden Gründe für das Anlegen überschüssigen Kapitals auf den Finanzmärkten und den Aufbau der Finanzmarktblase. Die Verwertungsprobleme der gro­ßen Masse des industriell angelegten Kapitals und das Platzen der Finanzmarktblase haben die Probleme der Überkapazitäten speziell im Automobilsektor erhöht. Die diversen nationalen Konjunkturprogramme (u. a. die Abwrackprämien) haben die Auswirkungen im Krisenjahr 2009 gemildert, aber die Tatsache, dass dadurch lediglich viele Autokäufe vorgezogen wurden, wird die Probleme im nächsten Jahr verschärfen. Ohne Abwrackprämie wären die Überkapazitäten im Krisenjahr 2009 bei annähernd 40 % gewesen. Sie werden wahrscheinlich nächstes Jahr bei mindestens 35 %, eventuell auch bei 40 % liegen.
Neuaufstellung der Autoindustrie
Vor diesem Hintergrund ist das Tauziehen der letzten Monate zu sehen. Es geht um die Neuaufstellung der Autoindustrie für die Zeit nach der Krise. Verkehrsexpert­Innen rechnen damit, dass mindestens vier der großen internationalen Automobilkonzerne im Verlauf dieser Krise Pleite gehen. Also ist die Frage: Wer erhält den Zugriff auf welche Märkte, wer erhält die meisten Staatszuschüsse, wer kann den Arbeiter­Innen die meisten Zugeständnisse abtrotzen? An sich geht es um die Konzentration der europäischen Autoindustrie, was aber im Widerspruch zu den nationalen Rettungsprogrammen steht, die auf die Reduzierung des jeweils inländischen Konfliktpotenzials zielen. Nach der Bundestagswahl werden auch CDU und SPD offiziell auf die Linie ihres Vertreters in der Opel-Treuhandgesellschaft umschwenken. Ex-Conti-Chef Wennemer hat nämlich schon klar gemacht, dass auch bei einem Gelingen des Deals mit Magna und Sber-Bank, die später vom russischen Autokonzern GAZ abgelöst wird, und GM ab 2011 die Insolvenz droht. In dem schärfer werdenden Konkurrenzkampf sei Opel zu klein aufgestellt. Unter rein kapitalis­tischen Gesichtspunkten stimmt das, denn GM wird mit Sicherheit nicht davon abrücken, dass „New Opel“ nicht in China, Südkorea und Nordamerika verkaufen darf. Die einzige noch nicht endgültig entschiedene Frage ist die Bedeutung des russischen Marktes, der ein gewisses Wachstumspotenzial hat. Dort sollen aber keine „GM-Patente“ zur Anwendung kommen. Mit anderen Worten: auch wenn im November die Verträge tatsächlich unterschrieben werden: Der Konkurrenzkampf wird vor allem auf den osteuropäischen Märkten mit harten Bandagen geführt werden, zumal gerade in Deutschland ein Schrumpfen des für Opel so wichtigen Marktes um 12 % erwartet wird.
Sackgasse Belegschaftsbeteiligung
Nicht nur wegen der möglichen Einsprüche durch Brüssel, sondern vor allem wegen der dann plötzlich nicht mehr vorhandenen staatlichen Mittel wird nach der Wahl alles anders werden. Die neue Regierung wird plötzlich – wie aus heiterem Himmel und völlig „unerwartet“ –  kein Geld mehr haben. Sie wird dann den Kassensturz machen, den sie vor der Wahl nicht machen will, und wird feststellen, dass für weitere Hilfen kein Geld da ist. Neben den bereits geflossenen 1,3 Milliarden € Überbrückungskredit (zugesagt sind 1,5 Mrd.) werden die weiteren Hilfen von 3 Milliarden Euro nicht als Zuschuss, sondern bestenfalls als Kredit gewährt. Das schnürt den Handlungsspielraum von New Opel gewaltig ein.
Zweitens wird das Gerangel zwischen den Standorten heftiger werden. Nicht nur die anderen Regierungen werden powern, auch die Belegschaften in den anderen Ländern werden sich rühren, ähnlich den Aktionen in Saragossa am 19. September. Das Fatale ist, dass es nicht nur keine länderübergreifende gemeinsame Gegenwehr gibt, sondern dass gerade in Deutschland, wo der Deal eingefädelt wurde, die Belegschaften nicht auf Gegenwehr orientiert werden, sondern auf Kapitalbeteiligung. Sie sollen also „ihren Beitrag“ zur Rentabilisierung leisten, obwohl sie nicht mal ansatzweise die „Gegen­leis­tung“ der Arbeitsplatzsicherheit bekommen: Mindestens 4 000 Stellen sollen abgebaut werden und der Konkurs ist alles andere als abgewendet.
Was droht jetzt?
Zunächst sollen die Beschäftigten 1,2 Milliarden € einbringen (das soll dann ihre „Unternehmensbeteiligung“ von 10 % sein). Dieser Beitrag käme über eine Absenkung der Entgelte und Sonderzahlungen mindestens auf das Niveau des Flächentarifvertrages und vor allem über einen Verzicht auf Tarifsteigerungen zusammen. Dies hätte verheerende Auswirkungen auf die Tarifkampffähigkeit der IG Metall, denn eine Belegschaft wird nicht für etwas kämpfen, was sich – zumindest direkt – nicht auf sie selbst auswirkt. Und dies wäre auch ein gewichtiger Meilenstein in der tariflichen und betriebspolitischen Schwächung der Beschäftigten im Automobilsektor, der wichtigsten Bastion der deutschen Arbeiter­Innenklasse. Wenn diese Belegschaften ihre bisher immer noch intakte (wenn auch nur selten genutzte) Kampfkraft nicht mehr in die Waagschale werfen können, dann wird sich die Spirale nach unten nur noch schneller drehen. Dann gäbe es nicht mehr so etwas wie 1996, als die Beschäftigten „vom Daimler“ wegen der geplanten gesetzlichen Einführung von Karenztagen bei der Lohnfortzahlung die Brocken hinwarfen und drei Tage später war alles vom Tisch. Eine Schleifen der Bastion der Beschäftigten in der Autoindustrie wäre dann vergleichbar mit der Schwächung der UAW in den USA, die vor allem im Rahmen der Zugeständnisse bei den wiederholten Fast-Pleiten von Chrysler ihre Glaubwürdigkeit und ihre Macht verlor.

Statt auf den betriebsübergreifenden gemeinsamen Widerstand der Belegschaften zu orientieren, setzt die IG Metall immer noch auf Co-Management und auf Appelle, dass man doch bitte die Zugeständnisse der IG Metall mit einer Arbeitsplatzsicherheit belohnen möge.

Die einzige wirklich sinnvolle Perspektive ist der Kampf für eine Vergesellschaftung der Automobilindustrie und die Umstellung der Produktion auf umweltfreundliche Verkehrsmittel und andere Produkte. Im Rahmen eines solchen Kampfes könnten gewisse Schranken eingezogen und ein zukunftsweisender Zusammenhalt zwischen den Belegschaften hergestellt werden. Wir sollten nicht resignieren: Wenn demnächst die konkreten Entlassungszahlen für die einzelnen Betriebe auf den Tisch kommen, könnte sich nach der Wahl auch bei
den Belegschaften einiges ändern.

 

Opel-„Rettung“ durch Magna längst noch nicht in trockenen Tüchern
Jens Berger schreibt am 12.9.09 unter der Zwischenüberschrift „Schlachtfeld Russland“:
„GM hat bereits angekündigt, dass man sich ein Vetorecht für die russische Produktion von Opelteilen, auf die man in Detroit ein Patent besitzt, einräumen will. An diesem Punkt könnte nicht der Verkauf an Magna, sondern sogar die Zukunft von Opel scheitern. Sollte GM Opel hier allzu große Steine in den Weg legen, werden sich die österreichisch-kanadisch-russischen Käufer wohl vom Vertrag zurückziehen und den Weg für Ripplewood freimachen.
GM, Magna und Opel – dieser Übernahmepoker ist nicht nur ein schwer zu durchschauendes Ränkespiel zwischen Industrie­unternehmen, hinter den Kulissen spielen vor allem Regierungen eine Schlüsselrolle. GM ist seit der Insolvenz ein amerikanisches Staatsunternehmen. Hinter dem Magna-Konsortium steht die russische Sberbank, die als Staatsbank vom Kreml kontrolliert wird. Opel wiederum bekommt nur dann Staatsgelder, wenn Magna zum Zuge kommt – im Hintergrund führt die Bundesregierung die Regie. Aber auch die britische und die belgische Regierung sind involviert, da dort Standorte der europäischen GM-Tochter sind. … alle Beteiligten sind sich darin einig, dass weder Geld noch Patente nach Russland gehen sollen. Am Ende könnte die EU sämtlichen Übernahmespekulationen die Luft entziehen…“    
    
Quelle: www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31123/1.html (12.9.09)

 

 

Gegen die „Betriebsgemeinschaft“
Eine Belegschaft aus einem Nachbarort von Rüsselsheim (Opel) schreibt an „Wir sind Opel“
„Der Kostenfaktor wehrt sich! Für den Erhalt ALLER Arbeitsplätze bei Fife-Tidland“
An die Betriebsräte, IGM-Vertrauensleute und Kolleg­Innen  der „Adam Opel GmbH“ und andere Interessierte Kolleg­Innen
Liebe Kolleg­Innen und Freund­Innen !
Am 5. September versuchten Kolleg­Innen der Fife-Tidland GmbH auf dem Opernplatz in Frankfurt Flugblätter von unseren Auseinandersetzungen im Betrieb an „Wir sind Opel“-Kolleg­Innen zu verteilen. Die meisten Kolleg­Innen verweigerten die Annahme, ohne auch nur ein Auge auf das Flugblatt zu werfen. Auch nach der Information, um was es sich handelt, waren sie nicht bereit, die Flugblätter entgegenzunehmen!
Dies können wir  nur so deuten, dass diese Kolleg­Innen anscheinend die Idee der „Betriebsgemeinschaft“ schon so aufgesogen haben, dass man außerhalb keinerlei Unterstützung für notwendig hält.
Wir bitten Euch dieser Idee und deren Auswirkungen entgegenzuwirken und darüber zu diskutieren. Auch gerne mit uns !
Wir sind nicht „Opel“, wir sind nicht Sch…, wir sind V…oder, oder…!
Kolleginnen und Kollegen, auch außerhalb der Großbetriebe gibt es andere, nicht in der Öffentlichkeit bekannte betriebliche Ausein­andersetzungen von Klein- und Mittelbetrieben, die auch der Solidarität bedürfen, die ihr von uns allen bekommen habt und auch weiterhin bekommt.
Wir sind gegen die falsche Idee der „Betriebsgemeinschaft“ und die damit wohl offensichtlich verbundenen genau so falschen Auswirkungen.
Grundsätzlich ist es heute und immer notwendig, dass Kolleginnen und Kollegen aus allen Betrieben egal ob groß oder mittel oder klein ihre Kräfte bündeln und gemeinsam und solidarisch miteinander kämpfen.

Mit kämpferischen und solidarischen Grüßen

Kolleg­Innen und Betriebsrat-Kelkheim der Fife-Tidland Kelkheim

Solidaritäts-Homepage: http://fife-tidland-soli.npage.de

 

 

 

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