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Länder

Afghanistan: Obamas guter Krieg

Von M. Anwar Karimi | 01.10.2009

Die US-Invasion und Besetzung von Afghanistan dauert inzwischen neun Jahre an, doch ein Ende des mörderischen Krieges ist immer noch nicht im Sicht.

Die US-Invasion und Besetzung von Afghanistan dauert inzwischen neun Jahre an, doch ein Ende des mörderischen Krieges ist immer noch nicht im Sicht.

Präsident Obama, der eifrig behauptet, der Krieg gegen Afghanistan sei einen „Krieg der Notwendigkeit“, hat bereits weitere 21 000 US-Truppen nach Afghanistan geschickt. Damit erhöht sich die Zahl der US-Streitkräfte auf etwa 60 000. Achttausend zusätzliche Soldaten aus der 82. Airborne Division werden im November geschickt werden, um afghanische Soldaten auszubilden. Dazu kommen  40 000 Soldaten aus den Nato-Staaten, darunter 4 600 aus Deutschland. Das sind insgesamt 108 000 hoch ausgerüs­tete Soldaten.
Sieg um jeden Preis
Daneben gibt es Söldner der privaten US-Sicherheitsfirmen – es sind vom US-Militär bezahlte Vertragspartner – die auf 130 000 bis 180 000 geschätzt werden. Mit einer Stärke von 200 000 (ca. 84 000 Soldaten und 100 000 Polizisten) unterstützt die Kabuler Regierung ihre westlichen Verbündeten im Kampf gegen den Widerstand.
Doch die amerikanischen und Nato-Militaristen sind damit nicht zufrieden; sie wollen mehr.

Es sollen nächstes Jahr noch 50 000 amerikanische GIs und 20 000 Soldaten aus anderen Nato-Staaten geschickt werden, und die Zahl der afghanischen Streitkräfte soll bis 2014 auf 400 000 steigen.

Mehr als 344 ausländische Soldaten sind bereits in Afghanistan im Jahr 2009 gefallen, es ist damit das tödlichste Jahr für die Besetzungsarmeen. Seit Beginn des Krieges im Jahr 2001 sind nach offiziellen Angaben bis jetzt 1404 Tote zu beklagen, darunter 33 deutsche Soldaten. Im August wurden 51 US-Soldaten getötet, es war der tödlichste Monat für die Vereinigten Staaten in diesem Krieg.
Rückhalt schwindet
Gleichzeitig wird in den westlichen Ländern der Sinn des NATO-Krieges zusehends kritisch hinterfragt. In allen NATO-Ländern, die sich an der ISAF-Mission in Afghanistan beteiligen, ist der Rückhalt in der Bevölkerung stark gesunken: In Deutschland und Großbritannien fordern über 60 Prozent der Bevölkerung einen sofortigen Abzug ihrer Truppen, in den USA wollen über 50 Prozent die Beendigung des Militäreinsatzes.

Nach Angaben des unabhängigen US-Kongress-Organs Congressional Research Service belaufen sich die Ausgaben der USA für den Afghanistan-Krieg inklusive der bereits budgetierten Gelder für 2009 auf 191 Milliarden Dollar. Die Militäroperationen haben 160 Milliarden Dollar verschlungen. Für den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und zivile Projekte gaben die Amerikaner im selben Zeitraum nur 31 Milliarden Dollar aus.

In dem Maße jedoch, wie gerade in Afghanistan der Widerstand gegen die westlichen Truppen zunimmt, sucht die NATO nach Mitteln und Wegen, ihre Kontrollstrategien zu verbessern. Hierfür setzt sie immer stärker auf die so genannte zivil-militärische Zusammenarbeit, mit der zivile Fähigkeiten in den Dienst von Besatzung und Aufstandsbekämpfung gestellt werden sollen. Dieser Ansatz wird in Afghanistan erstmals im großen Stil erprobt, soll aber künftig als Leitbild sämtliche NATO-Einsätze bestimmen. Nicht zuletzt deshalb muss der Widerstand am Hindukusch unter allen Umständen gebrochen werden: Denn Afghanistan ist der Gradmesser, ob die NATO künftig in der Lage sein wird, weitere Länder ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Scheitert sie dort, steht ihre Existenz auf dem Spiel, wie nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel verdeutlicht: „Ich glaube sagen zu können, dass die Stabilisierung Afghanistans derzeit eine der größten Herausforderungen für die NATO und ihre Mitgliedsstaaten ist. Sie ist gleichsam so etwas wie ein Lackmustest für ein erfolgreiches Krisenmanagement und für eine handlungsfähige NATO.“

Um eine Niederlage in Afghanistan zu vermeiden, ist das Pentagon auf der Suche nach einer Strategie, die zur Erhaltung der Dominanz der USA über das Land und die Region führen wird.
Dramatischer Anstieg im Norden
Die wichtigste Entwicklung in diesem Jahr ist ein starker Anstieg der Einflussgebiete des Widerstands im Norden, der bisher als relativ sicher angesehen wurde, und zwar in den Provinzen Balkh, Kundus und Baghlan.

Die Rebellen haben Teile der drei nördlichen Provinzen, aus denen sie im Jahre 2001 vertrieben wurden, zurückerobert, von dort drohen sie, die neue NATO Versorgungsroute aus Zentralasien zu stören und versuchen einen Krieg, der weitgehend auf die südliche Hälfte Afghanistans beschränkt war, zu erweitern.

Die Aufständischen kontrollieren fast vollständig die Bezirke entlang der Autobahn aus Tadschikistan über Kundus und Baghlan nach Kabul. Mit einer Kraft von geschätzten 3 000 bis 6 000 Kämpfern, richten sie in der Nacht Checkpoints auf der Autobahn nach Norden ein. Für die US-Kommandeure, die mit ihren umfangreichen Truppen den Süden nicht befrieden konnten, zeichnet sich hier ein weiteres Problem ab.

Der NATO-Luftangriff in einem von Widerstand kontrollierten Gebiet um Kundus am 03.09.09, der zur Tötung und Verletzung von ca. 150 Zivilisten führte, kam also nicht zufällig. Es zeigt eine erhebliche Nervosität der NATO-Generäle um die Versorgung ihrer Truppen, weil die andere Route über Pakistan und den Khyber Pass wegen permanenter Gefahr durch Aufständische auf pakistanischer Seite, Tahrek-Taliban Pakistan (TTP), unpassierbar ist.

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