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Innenpolitik

Die Linkspartei auf verschiedenen Wegen

Von B. B. | 01.12.2009

Die tiefe Krise des Kapitalismus drückt die Linkspartei in zwei unterschiedliche Richtungen: der große Teil der Mitglieder und Funktionäre geht weiter nach rechts, während sich z. B. in NRW ein Teil der Funktionäre stärker links artikuliert.

Die tiefe Krise des Kapitalismus drückt die Linkspartei in zwei unterschiedliche Richtungen: der große Teil der Mitglieder und Funktionäre geht weiter nach rechts, während sich z. B. in NRW ein Teil der Funktionäre stärker links artikuliert.

Lenin und Trotzki bezeichneten seinerzeit als „Opportunismus“ „einen Block der Führung der reformistischen Partei bzw. der Gewerkschaftsbürokratie mit der Bourgeoisie, der sich gegen die Lohnabhängigen richtet“. Seitdem ist viel Wasser den Rhein hinabgeflossen, aber den Beschluss der Koalition von SPD und Linkspartei in Brandenburg, 11 000 Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst abzubauen, kann kaum anders charakterisiert werden. Das Zustandekommen einer solchen Koalition scheiterte in Thüringen und im Saarland nicht an der mangelnden Bereitschaft der Linkspartei zur Anpassung, sondern am Unwillen ihrer möglichen Koalitionspartner.

Die Linkspartei reagiert auf die Krise mit einer Rechtswende, indem sie den Schulterschluss mit der bürgerlichen SPD sucht und mit dem Eintritt in möglichst viele kapitalistische Landesregierungen. Das war schon immer die klassische Reaktion des Reformismus auf Krisensituationen.
Linker Flügel NRW
Ein Teil der Linkspartei reagiert jedoch auf die kapitalistische Krise mit linkeren Forderungen. So forderte der Landesparteitag der Linkspartei in NRW z. B. die Vergesellschaftung von Opel. Außerdem soll sich „Die Linke.NRW (…) an keiner Regierung beteiligen oder eine tolerieren, die Privatisierungen, Personal- und Sozialabbau vornimmt und die nicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert.“

Nicht Wenige lesen das als Ablehnung einer bürgerlichen Regierungsbeteiligung. Da mit der Resolution aber die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen nicht grundsätzlich abgelehnt wird, können die „Bedingungen“ für die „Ablehnung“ sehr wohl die Brücke sein, über die führende Funktionär­­Innen der Linkspartei in eine Landesregierung SPD-Grüne gelangen oder diese tolerieren.
Aber festzuhalten gilt: Mit der Verabschiedung linkerer Resolutionen durch den Landesparteitag ist zum ersten Mal ein organisierter, linker Flügel in der Linkspartei entstanden – eben deren Landesverband NRW.
Antikapitalismus mit bürokratischen Tricks?
Die Mehrheit der Strömung Antikapitalistische Linke, die in Konkurrenz zur Strömung Sozialistische Linke den Landesverband NRW der Linkspartei führt, steht allerdings auf wackeligen Beinen.

Die Delegierten zum „antikapitalistischen“ Landesparteitag wurden vor anderthalb Jahren gewählt.  Heute zählt der Landesverband fast 9 000 Mitglieder, vor anderthalb Jahren waren es ungefähr 7 000 Mitglieder.

Um zu verhindern, dass die seitdem eingetretenen ca. 2000 neuen Mitglieder, die nicht gerade als radikal links gelten, die Delegierten für den Landesparteitag mitwählen konnten, verhinderte der „linke“ Landesvorstand NRW die Neuwahl der Delegierten. Diese werden erst in Kürze neu gewählt, wenn die beiden Landesparteitage in Hamm und Mülheim längst vorbei sind und u. a. die Kandidat­Innen für die Landtagswahl 2010 bestimmt haben.

Das war ein klassisches bürokratisches Manöver. Für die Mehrheit der Linkspartei NRW heiligte der Zweck, ihre „antikapitalistischen“ und linkeren Resolutionen (und Personen!) durchzusetzen, die Mittel, sprich die Verhinderung der Neuwahl der Delegierten. Damit traten die „Antikapitalist­Innen“ in der Linkspartei NRW nicht nur die Mitgliedsrechte von rd. 2000 Mitgliedern mit den Füßen.
Vor allem sollte nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa klar sein, dass mit Methoden der Manipulation und bürokratischen Schiebung „antikapitalistische“ Positionen nicht zu befördern sind. Antikapitalistische und revolutionäre Ziele erfordern entsprechende emanzipatorische Mittel der Durchsetzung und Überzeugung – auch dann, wenn ihre Befürworter­Innen dadurch in die Minderheit geraten sollten.
„Antikapitalismus“ vor Ort
Ein altes Gesetz reformistischer Parteien lautet: Parteitagsresolutionen sind oft „linker“ als die Politik derjenigen, die sie verabschiedet haben. Auch in NRW widerspricht manche örtliche Praxis der „antikapitalistischen“ Strömung dem eigenen Anspruch.
In der „antikapitalistischen“ Aachener Linkspartei taten sich Vertreter­Innen der Antikapitalist­­Innen und des regierungswilligen Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) vor der letzten Kommunalwahl zusammen, um die Mehrheit von SAV und anderen Linken auszuhebeln, die auf der entsprechenden Wahlversammlung ihren Kommunalwahlvorschlag durchgesetzt hatten. „Antikapitalist­Innen“ und FDS zogen nämlich aus der Versammlung aus, fochten diese an und setzten in einer zweiten Versammlung gemäßigte Kommunalwahlkandidat­Innen durch.

Die „antikapitalistische“ Linkspartei in Duisburg, die warmherzig das Ergebnis des NRW-Parteitags in Hamm als „deutlichen politischen Kurswechsel“ begrüßte, bedauerte zeitgleich das Nichtzustandekommen einer Koalition im Duisburger Stadtrat aus SPD, Linkspartei und Grünen. Den Grünen, die aus den Verhandlungen ausgestiegen waren, warf die Linkspartei vor, „das Kommunalwahl-Ergebnis zu missachten“, wo doch „im Rat erstmals seit vielen Jahren wieder eine Gestaltungsmehrheit mit 42 (von 74) Stimmen möglich wäre“. In Duisburg-Hamborn schlossen SPD und Linkspartei ein Kooperationsabkommen in der Bezirksvertretung bis 2014. Darin enthalten ist u. a. folgende angestrebte „Verbesserung“: „Ein weiterentwickeltes kommunales Jugendparlament – das mehr als eine Alibiveranstaltung sein muss – für den Bezirk Hamborn“. Ob damit der außerparlamentarische Anspruch der Linkspartei untermauert werden soll?

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