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Betrieb & Gewerkschaft

Sackgasse Co-Management oder Kampf für Alternative?

Von D. Berger | 01.12.2009

Monatelang haben Bundesregierung, Betriebsrat und IG Metall so getan, als säßen alle in einem Boot und Magna wäre der Retter. Der angekündigte Arbeitsplatzabbau wurde wie ein Naturereignis behandelt, das nicht zu verhindern ist.

Monatelang haben Bundesregierung, Betriebsrat und IG Metall so getan, als säßen alle in einem Boot und Magna wäre der Retter. Der angekündigte Arbeitsplatzabbau wurde wie ein Naturereignis behandelt, das nicht zu verhindern ist.

Für die Verteidigung der Interessen der Automobilwerker­Innen (nicht nur bei Opel) war die Verfolgung dieser Perspektive aus mehreren Gründen verheerend: Die Politik des Co-Managements seitens des Gesamtbetriebsrats unter Führung von Klaus Franz und das Stillhalten der IG Metall, die ebenfalls außer Verzicht und Lobbypolitik nichts zu bieten hatte, orientierten Belegschaft und Öffentlichkeit einzig und allein auf ein Arrangement mit Magna-Sberbank. Weder wurden dadurch andere, nämlich gesellschaftlich nützliche und realistische Perspektiven diskutiert, noch wurde die Belegschaften der deutschen Standorte auf Widerstand und Kampf eingestellt, und erst recht nicht wurde damit der Boden für eine grenzübergreifende Gegenwehr aufbereitet.
Schwierigkeiten zu überleben
Dabei sprach von Anfang an praktisch alles gegen den Magna-Deal1: Magna ist ganz stark von der russisch­en staatlichen Sberbank abhängig, die 17 % der Magna-Anteile hält. Der russische Automobilproduzent Gaz, der Teil des neuen Konsortiums werden sollte, ist selbst in einer existenziellen Krise, nicht zuletzt, weil der russische Automarkt 2009 um 60 % eingebrochen ist. Hinzu kommen mindestens drei weitere schwerwiegende Hinderungsgründe für ein Überleben von New Opel:
Erstens haben die anderen, vor allem europäischen Autokonzerne, kein Interesse an der Entstehung eines neuen Konkurrenten. Sie haben den Deal im Grunde favorisiert, weil sie davon ausgingen, dass New Opel spätestens nach 5 Jahren schließen würde und dann könnte man sich seine Marktanteile aneignen. Ginge dies nicht von selbst, dann hätte die Konkurrenz notfalls nachgeholfen und Magna unter Druck gesetzt, denn Magna ist selbst unter großen finanziellen Schwierigkeiten und als Autozulieferer äußerst abhängig von den Kunden VW, BMW usw. Das Einzige, was den großen Automobilkonzernen (außer GM) nicht gefiel und weiter nicht gefällt, sind die beträchtlichen Subventionen für Opel („staatlicher Eingriff zugunsten eines Konkurrenten“).

Zweitens ist GM, das weiterhin an New Opel beteiligt gewesen wäre, nicht daran interessiert, dass moderne Technologie, ob mit Patenten versehen oder nicht, nach Russland transferiert wird. Dies um so weniger, als GM heute zu 75 % in Staatsbesitz ist. Der US-Imperialismus hat seine strategischen Interessen ganz und gar nicht an den Nagel gehängt.

Drittens hat ein Automobilkonzern heute auf dem Weltmarkt nur dann eine Chance zu überleben, wenn er auf mindestens 3,5 bis 4 Mio. Einheiten im Jahr kommt (also mindestens dreimal so viel wie New Opel realistischerweise hätte produzieren können) zumal wichtige Absatzmärkte wie USA und China vertragsmäßig verschlossen geblieben wären. Denn für ein weltweites Funktionieren entsprechender Kfz-Produktionsplattformen müssen nicht nur große Stückzahlen her, sondern der Vertrieb muss auf mindestens vier der sechs großen Regionalmärkte (USA, China, Europa, Russland, Japan, Südamerika) funktionieren. Das Scheitern des Deals zeigt nur, wie recht wir hatten, als wir in der Oktober-Avanti schrieben: „Nach der Wahl wird alles anders“ und „Opel-‚Rettung‘ durch Magna längst noch nicht in trockenen Tüchern“.

Im Grunde ist das Platzen des „Deals“ nur Ausdruck der verschärften Konkurrenzbedingungen gerade in Zeiten der Krise sowie der unterschiedlichen Belebung imperialistischer Industriepolitik. Vor der Wahl hatte die Große Koalition einen zaghaften Versuch der Reaktivierung kapitalistischer Industriepolitik gemacht. Dabei lässt sich nur spekulieren, inwieweit der Regierung das Scheitern von vornherein klar sein musste und sie nur aus wahltaktischen Gründen gehandelt hat. Etwas entschiedener ist da schon die strategische protektionistische Politik Frankreichs und der USA.
Gescheiterte Gewerkschaftspolitik
Es gibt zwei eng miteinander verbundene Gründe für das Scheitern der Politik der IG Metall und der Betriebsratsspitze: Zum einen weigerten sie sich, die Realitäten auf dem Weltmarkt und der Konkurrenzbedingungen anzuerkennen. Von den heute noch 12 existierenden internationalen Automobilkonzernen werden nach der Krise mindestens 2 (eher 4) verschwunden sein, d. h. die anderen kaufen sie auf und teilen sich den Marktanteil auf. In spätestens 10 Jahren werden wahrscheinlich nur noch 6 – 7 Konzerne überlebt haben. Der Grund liegt sowohl in den gewaltigen Überkapazitäten (von heute mindestens 30 % bei der Pkw-Produktion, s. Kasten) als auch in den steigenden Problemen des Klimawandels wie auch im näher rückenden Peak-Oil, also dem Zeitpunkt der maximalen Erdölförderung. Danach wird der Spritpreis rasant ansteigen, was enorme Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit des Individualverkehrs für breite Bevölkerungsschichten haben wird.

Zum anderen wollten Gewerkschaft und Gesamtbetriebsrat jeglichen Konflikt mit dem Kapital vermeiden und haben um Staatshilfen gebettelt, in der illusionären Hoffnung, damit einer größeren Katastrophe aus dem Weg gehen zu können. In Wirklichkeit haben sie damit nur in eine Sackgasse orientiert und die Belegschaften zuerst mal politisch wehrlos gemacht. Nicht nur haben sie nicht auf Kampf gesetzt, sondern sie haben sogar Zugeständnisse an Magna gemacht, hinter der sie bei den neuen Verhandlungen mit GM kaum noch zurück können. So wurden das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld zur Disposition gestellt. Für 2010 und für 2011 wurde die Altersversorgung ausgesetzt und drei Jahre lang soll es keine Tariferhöhung geben (allein die letzten beiden Posten kosten die Belegschaften in Deutschland 176,8 Mio. Euro).

Die dafür erwartete 10 %-Beteiligung ist ein Linsengericht, denn weder gibt es die geringste Garantie für das Überleben dieses Projekts und damit der Auszahlung irgendwelcher „Dividenden“, noch wird es dafür Stimmrechtsanteile im Aufsichtsrat geben (die Regierung sinngemäß: Die „Arbeitnehmer haben ja schon die Hälfte der Sitze“).

Die Übernahme durch Magna zu favorisieren war aus gewerkschaftspolitischer Sicht von vornherein eine scharf zu verurteilende Linie: Magna ist extrem gewerkschaftsfeindlich (Mitgliedsbeiträge bezeichnet die Konzernspitze als „Schutzgeldzahlungen“). Im April und Mai diesen Jahres hat Magna den Beschäftigten in Österreich weitgehende Lohnzugeständnisse abgepresst usw.
Was kommt jetzt?
GM kann sich jetzt auf die von Magna ausgearbeiteten Sanierungskonzepte stützen und wird mit dem US-Staat im Rücken sehr selbstbewusst auftreten. Es drohen Entlassungen im großen Ma&
szlig;stab schon im nächsten Jahr. Welcher Standort geschlossen werden soll, hängt natürlich auch von der Gegenwehr ab sowie von der Frage, ob es jetzt gelingt, eine gemeinsame Kampffront aufzubauen, die das Gegeneinanderausspielen verhindert. Ein Beispiel für Kampfbereitschaft haben die Kolleg­Innen in Spanien bewiesen: In Saragossa drohten die Gewerkschaften UGT und CCOO mit einem viertägigen Streik. Sofort wurde angekündigt, dass statt der geplanten 1 700 Stellen „nur“ noch 900 Stellen gestrichen werden sollen.

Davon hat sich die IG Metall aber noch nicht beeinflussen lassen. Der Frankfurter Bezirksleiter Armin Schild setzt jetzt darauf, dass die Bundesregierung auch GM helfen und notfalls „mehr Geld“ lockermachen soll, denn die bisher anvisierten 3 Mrd. € reichten ja „nur für Sozialpläne und nicht für neue Investitionen“.

So weit weg dies scheint: Angesichts der gewaltigen Überkapazitäten und angesichts der Klimaprobleme bleibt nur eine einzige Perspektive wirklich realistisch: der Kampf für die Vergesellschaftung der Autoindustrie unter Arbeiter­Innenkontrolle und die Umstellung der Produktion auf umweltschonende Produkte. Dieser Kampf sollte bei Opel ansetzen aber muss konzernübergreifend geführt werden, genauso wie der Kampf für eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich. Nur wenn jetzt umgesteuert wird und ein Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze aufgenommen wird, kann eine Wende eingeleitet werden. Die Perspektive muss sein:

  • • Entschädigungslose Enteignung von Opel unter Arbeiter­Innenkontrolle.
  • Garantie der Arbeitsplätze durch die Gesellschaft und gleichzeitiger Kampf für die Konversion, d. h. die Umstellung der Produktion auf klimafreundliche Produkte (vor allem auf umweltverträglichere Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen, Fahrräder usw.)
  • Ausbau und kostenlose Nutzung des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs.

1    Vgl. dazu auch Winfried Wolf: „Opel-Magna: ein Bündnis wider die Vernunft und gegen die Beschäftigten“ in: „Weltwirtschaft & Krise der Autoindustrie“
Winfried Wolf: „Weltwirtschaft & Krise der Autoindustrie“, hg. Von TIE Global, Netzwerk Auto und der LP21-Redaktion (Sonderheft von Lunpark21 vom Oktober 2009, 4,50 €); zu bestellen unter www.lunapark21.net oder Lunapark21, An den Bergen 112, D-14552 Michendorf.

 

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