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Betrieb & Gewerkschaft

Streik bei Daimler Sindelfingen: Ein mehrfaches Lehrstück

Von Korrespondent Stuttgart | 01.01.2010

Zwischen dem 1. und 7. Dezember haben im Daimler-Werk Sindelfingen die wahrscheinlich wichtigsten Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital der letzten Zeit stattgefunden. Der Konflikt hatte sich an der vom Vorstand rücksichtslos vorangetriebenen Absicht entzündet, ab 2014 die Produktion der nächsten Baureihe des bestverkauften Mercedes-Modells, der C-Klasse, von Sindelfingen nach Bremen und vor allem nach Tuscaloosa (Alabama, USA) zu verlagern.

Zwischen dem 1. und 7. Dezember haben im Daimler-Werk Sindelfingen die wahrscheinlich wichtigsten Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital der letzten Zeit stattgefunden. Der Konflikt hatte sich an der vom Vorstand rücksichtslos vorangetriebenen Absicht entzündet, ab 2014 die Produktion der nächsten Baureihe des bestverkauften Mercedes-Modells, der C-Klasse, von Sindelfingen nach Bremen und vor allem nach Tuscaloosa (Alabama, USA) zu verlagern.

Derzeit sind von den 20 000 Produktionsarbeiter­Innen in Sindelfingen 4 500 in der C-Klasse-Produktion beschäftigt. Hiervon sollten nach den ursprünglichen Planungen 3 000 ihren Job im Werk verlieren sowie weitere 2 000 Menschen bei Zulieferern in der Region, die unmittelbar für die C-Klasse arbeiten. Zudem ist klar, dass in einer Region, in der jeder 6. Arbeitsplatz vom Automobil abhängt, wahrscheinlich Tausende weitere Arbeitsplätze verschwinden werden.

Diese Erkenntnis, das Gefühl, in den vergangenen Jahren – vor allem 1996 und 2004 – ohne nachhaltigen Erfolg auf viel zu viel verzichtet zu haben, sowie das rücksichtslose Verhalten des Managements führte in der Belegschaft, vor allem bei Basisaktivist­Innen der Gewerkschaft, zu einer explosiven Stimmung. Ab dem 1. bis zum 7. Dezember wurde in dem Werk so gut wie nicht gearbeitet, Betriebsversammlungen, Aktionen auf dem Hof und große Demonstrationen mit über 15 000 Teilnehmer­Innen in die Innenstadt von Böblingen und Sindelfingen fanden statt.

Die Proteste, vor allem die Aktionen im Werk, waren von einer solchen nicht erwarteten Wucht, dass sie zeitweise der Betriebsratsspitze nicht mehr beherrschbar schienen. Auch der Bezirksleiter der IG Metall Jörg Hoffmann befürchtete, „dass die Situation in Sindelfingen droht, außer Kontrolle zu geraten“. Leider gab es in Sindelfingen aber keine organisierende Struktur, die die Spontaneität der Kolleg­Innen hätte auffangen und gegebenenfalls in andere, weiterführende Protestaktionen hätte lenken können. „Das wird uns nicht noch einmal passieren“ war deshalb der Gründungsgedanke einer neuen „Alternative“, die nun in Sindelfingen in Form einer weiteren Liste zur Betriebsratswahl antreten will.

Offenbar durch die spontanen Proteste in Angst und Schrecken versetzt, schloss der Vorstand dann in einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2019 aus, hielt sich aber sofort einen Ausstieg bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten offen.

Selbstverständlich ist auch Personalabbau über Aufhebungsverträge, Altersteilzeit oder Nichtersetzen der Fluktuation möglich. Dazu verpflichtet sich der Betriebsrat, sich zukünftig für „eine kontinuierliche Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und eine Steigerung der Effizienz“ einzusetzen, was mit Sicherheit auch Arbeitsplätze kosten wird. Diese Vereinbarung wird auch von der örtlichen und bezirklichen IG Metall-Spitze getragen. Bei den absehbaren Folgen für die Arbeitsplätze in der Region eine inakzeptable Haltung.

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