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Betrieb & Gewerkschaft

Datensammelsafari

Von Artur Blechschmidt | 01.01.2010

Ohne großen Protest hatte die Große Koalition noch im Frühjahr 2009 ein neues Verfahren zur zentralen Sammlung von Beschäftigten-Daten eingerichtet. Mit Elena, dem elektronischen Entgeltnachweis, sollen ab 2010 sämtliche Daten über Beschäftigungsverhältnisse digital gespeichert werden.

Ohne großen Protest hatte die Große Koalition noch im Frühjahr 2009 ein neues Verfahren zur zentralen Sammlung von Beschäftigten-Daten eingerichtet. Mit Elena, dem elektronischen Entgeltnachweis, sollen ab 2010 sämtliche Daten über Beschäftigungsverhältnisse digital gespeichert werden.

Bereits während der „Rot-Grünen“ Regierungszeit unter Schröder wurde von der Hartz-Kommission eine sogenannte JobCard geplant. Diese sollte den Verwaltungsaufwand bei der Erteilung von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Wohngeld, Elterngeld u.a.) reduzieren und den AntragstellerInnen eine schnellere Bewiligung ihrer Bezüge ermöglichen. Die Abstimmung zur Umsetzung des Verfahrens zog sich jedoch bis zum Frühjahr 2009 hin, das Projekt JobCard hieß inzwischen Elena und die Regierung hatte mittlerweile schwarz-rote Färbung.
Geblieben sind jedoch die hohen Versprechungen. So sollen mit der Abschaffung der papiernen Entgeltnachweise bis zu 85,6 Mio. € jährlich auf UnternehmerInnen-Seite eingespart werden und neben der Effizienzsteigerung für die BürgerInnen auch die technische Innovation der digitalen Signatur vorangetrieben werden.
Plastikkarte ersetzt Unterschrift
Die digitale Signatur, eine Art rechtsverbindliche Unterschrift auf Chipkarten, dient dabei als Zugriffsschlüssel auf die Datensätze, die die Arbeitgeber monatlich an die Zentrale Speicherstelle (ZSS) bei der Rentenversicherung digital übermitteln. Mithilfe dieser Signatur legitimieren die BesitzerInnen den Zugriff auf diese Entgeltdaten, um beispielsweise bei der Arbeitsagentur Arbeitslosengeld beantragen zu können. Wo früher Kopien über die vergangenen Beschäftigungsverhältnisse eingereicht wurden, wird jetzt mit der eigenen Chipkarte und der Chipkarte der SachbearbeiterInnen der Zugriff auf den Entgeltdatensatz ermöglicht. Die digitale Signatur kann dabei auf verschiedene Trägerkarten, wie etwa elektronische Gesundheitskarte, elektronischer Personalausweis oder Geldkarten, aufgebracht werden. Der Zugriff auf die persönlichen Daten sei somit sehr gut abgesichert, lassen die Ministerien verlautbaren. Die Kosten für die Erstellung der Signaturen müssen dabei jedoch die KartenbesitzerInnen übernehmen, die Bürokratiekosten werden somit zu einem großen Teil einfach von der Kapitalseite wegverlagert.
Begehrlichkeiten beim Zugriff
Die Datenübermittelung durch die Kapitalseite mittels des Elena-Verfahrens beginnt zwar bereits 2010, die Erteilung von Sozialleistungen soll allerdings erst ab 2012 ausschließlich über Chipkarte möglich sein. Bisher sind als Zugriffsberechtigte die Agentur für Arbeit, die Familiengeldstelle sowie Justizbehörden (für Zahlungen im Scheidungsfall) genannt. Zusammen mit der Signaturkarte der jeweiligen Personen können diese Stellen dann auf die Elena-Datensätze bei der Zentralen Speicherstelle der Rentenversicherung zugreifen.

Wie interessant diese Menge an Daten jedoch auch für andere Stellen werden könnte, zeigte sich u.a. bei der LKW-Maut, bei deren Daten Generalbundesanwalt Kay Nehm im Jahr 2006 die Freigabe zur Strafverfolgung forderte.

Auch bei Elena ist eine solche Diskussion zu befürchten, wenn beispielsweise Finanzbehörden die Daten zur Prüfung der Steuererklärungen einsehen wollen. Ein Hintertürchen in die eigentlich verschlüsselten Datensätze hat man vorweislich einbauen lassen. So werden sämtliche Datensätze zusätzlich mit einem Master-Key verschlüsselt, dessen Freigabe dem Bundesauftragten für Datenschutz obliegt – so will es zumindest das Gesetz. Damit wäre auch ein Zugriff ohne die Zustimmung der SignaturbesitzerInnen möglich.
Datensammeltrieb
Das Elena-Verfahren stellt neben der Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsverbindungen eine weitere Maßnahme beim vorsorglichen Ansammeln von Informationen durch staatliche Stellen dar. So landen auch sämtliche Personen, die keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen, erstmal in der neuen Datenbank. Neben den Daten der letzten Einkommen werden allerdings auch weitaus sensiblere Daten gespeichert, etwa ob jemand an einem rechtmäßigen oder „wilden“ Streik teilgenommen hat. Dies sei wichtig für die Abrechnung, begründet das Bundesarbeitsministerium, denn nur rechtmäßige Streiks würden als sozialversicherte Beschäftigungszeiten gelten. Darüber hinaus werden ebenfalls die Gründe für Kündigungen in die neue Datenbank Eingang finden.

Wann die Kapitalseite vollen Zugriff auf diese Informationen verlangt, ist vermutlich nur eine Frage der Zeit. Dann ließen sich unliebsame oder kämpferische Kolleg­Innen schon per Eingabemaske aussortieren.

Zusammen mit der im Jahr 2008 eingeführten lebenslangen Steueridentifikationsnummer und der Forderung nach weiterer Zentralisierung von Personendaten (etwa den Meldedaten), ergibt sich ein immer engeres Netz von Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten. So lassen sich in Zukunft problemlos detailierte Profile von Menschen erstellen, angefangen von ihren Einkommensverhältnissen und Schulden bis hin zu ihren politischen Aktivitäten, die sie über E-Mail und Telefon koordinieren.
Das Lieblingskind des IT-Kapitals
Mit Elena versucht nicht zuletzt auch die Informationstechnologie-Branche eines ihrer Lieblingskinder, die digitale Signatur, auf ganz großer Ebene zu etablieren und somit den riesigen Markt des E-Government zu erschließen. Haben erst alle BürgerInnen zwangsweise eine geeignete Karte mit digitaler Signatur, lassen sich zusätzliche Dienste für Zahlungsabwicklungen oder Identifikation im Internet anbieten. Eine wahre Goldgrube für das IT-Kapital, gefördert von der Bundesregierung.

 

E-Government
Mit E-Government wird die Kommunikation zwischen BürgerInnen sowie Unternehmen und staatlichen Institutionen mithilfe von Mitteln der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologie bezeichnet. Die Hauptgründe für das Vorantreiben dieser Entwicklung sind der Abbau von Verwaltungskosten sowie eine versprochene bessere Erreichbarkeit für die BürgerInnen. Das Problem der rechtsverbindlichen Unterschrift soll dabei mithilfe von digitalen Signaturen auf Chipkarten gelöst werden.

 

 

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