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Länder

Solidarität mit den Arbeiterinnen und Arbeitern und der Bevölkerung von Haiti!

Von Galia Trépère | 28.01.2010

Die Tragödie, die seit dem Erdbeben am 12. Januar die Bevölkerung Haitis heimsucht und das Land in ein Ruinenfeld verwandelt und große Verwüstungen angerichtet hat, hat eine sprunghafte Welle der Solidarität unter der Bevölkerung ausgelöst, die in deutlichem Kontrast zu den schleppend in Gang kommenden Hilfsaktionen steht. Aber auch zu Empörung und Aufruhr angesichts des militärischen Einsatzes von zehntausend Marines aus den USA und von Blauhelmen der UNO ist es gekommen. Gewiss geht es dabei um die Sicherung der Lieferungen an Hilfsgütern und Lebensmitteln, aber auch und vor allem darum, ab sofort die Kontrolle über die Bevölkerung, das Land und das, was an Infrastruktur übriggeblieben ist, darunter den Flughafen, sicherzustellen.

Zur Rechtfertigung dieses Militär- und Polizeiaufmarschs machen Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen „Plünderungen“ und Gewalttätigkeiten geltend. Aber ist das verwunderlich, wenn ein Volk dazu verdammt ist, mit bloßen Händen, ohne Wasser, ohne Lebensmittel gegen die Katastrophe, die über es hereingebrochen ist, anzukämpfen? Ist das verwunderlich, wenn diejenigen, die die Hilfe bringen, die Soldaten derjenigen sind, die das Land seit Jahrhunderten ausplündern, und die die Bevölkerung jetzt mit ihrer militärischen Besetzung überziehen? 

Armut und Elend, die schon seit Langem auf der Bevölkerung lasten, sind kein unerklärlicher „Fluch“. Sie sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Katastrophe, genannt Kolonialismus, Imperialismus und Ausplünderung der unterdrückt gehaltenen Völker durch die westlichen Großmächte. Das von Obama, Sarkozy und ihren Freunden öffentlich bekundete Mitgefühl gilt vielen als Heuchelei. Denn die USA und Frankreich tragen ja die ganze Verantwortung für diese Armut und diese Not.

Haiti erreichte 1804 seine Unabhängigkeit als Ergebnis einer von Toussaint Louverture angeführten Revolution, die drei Jahrhunderten der Sklaverei auf den Zuckerrohrplantagen ein Ende setzte. Die Wiederherstellung der Sklaverei durch die von Napoleon entsandten Truppen konnte vereitelt werden. Aber Haiti musste bis ins Jahr 1888 einen schwer lastenden Tribut für die Anerkennung der Unabhängigkeit an Frankreich zahlen, einen Tribut, der das Land in den Ruin trieb. Das war der Beginn der Ausplünderung über die Verschuldung, die auch nicht aufhörte, nachdem Frankreich die Zügel an die USA abgetreten hatte. Die Sklavenarbeit zu einem Lohn von heute 3 bis 4 Dollar pro Tag schuf das Vermögen der Kapitalisten, die die besten Ländereien oder die Kontrolle über den Handel an sich gerissen hatten. Die USA unterwarfen die Ökonomie des Landes vollständig ihren eigenen Interessen. Damit ruinierten sie die Landwirtschaft und beraubten die Bevölkerung ihrer Subsistenzmittel. Um diese saftige Ausbeutung zu garantieren, interveniert der amerikanische Staat permanent in das politische Leben des Landes, um Diktaturen zu stützen und Aufstände im Zaum zu halten – immer mit Frankreich als Komplizen. So haben die USA im Jahr 1991 den blutigen Staatsstreich unterstützt, der zum Sturz des Präsidenten Aristide führte. Damit sollte die Volksbewegung, deren Unterstützung Aristide hatte, in Schach gehalten werden. Im Jahr 2004 besetzten 6000 Soldaten und 1400 Polizisten das Land. Sie hatten den Auftrag, unter der Ägide der UNO, die Ordnung der Herren der Welt aufrecht zu erhalten.

Die Intervention der Großmächte, um Hilfsmittel nach Haiti zu bringen, steht in der Tradition dieser schrecklichen Geschichte der Unterdrückung, der Erniedrigung, der Zwangsmaßnahmen, der Ausplünderung, die das tiefe Elend des haitianischen Volkes, seine absolute Notlage erst hervorgebracht hat. Sie entspricht mehr den Interessen der Großmächte, in erster Linie denen der USA, als den Bedürfnissen des Volkes. Die Kehrseite der Hilfsmaßnahmen sind die Überziehung des Landes mit einem Netz von Stützpunkten durch die bewaffneten Kräfte, eine drückendere militärische Besetzung und – für die Zukunft – eine noch weiter vorangetriebene Integration von Haiti in die Politik des amerikanischen Imperialismus.

Deshalb sind unsere Solidarität und unsere Spenden fest verbunden mit Forderungen zur Wiederherstellung des Rechts und der Achtung des haitianischen Volkes:

  • Sofortige Annullierung der Schulden!

  • Ende der militärischen Besetzung!

  • Die Organisierung der Hilfslieferungen wie die Verwaltung der Spendengelder unter der Kontrolle der betroffenen Bevölkerung!

  • Frankreich, das dem früheren Diktator Jean Paul Duvalier für immer ein Aufenthaltsrecht gewährt, muss dem Volk von Haiti die 900 Millionen Euro aus dessen persönlichen Vermögen zurückgeben, die dem Volk unter Schweiß und Blut abgepresst worden sind.

  • Frankreich muss seine Grenzen für alle Asyl suchenden HaitianerInnen öffnen und sofort die Rechte „illegaler“ (sans papiers) ArbeiterInnen aus Haiti anerkennen!

Zu unserer Solidarität gehört auch der Kampf gegen die Politik des französischen Staates, für die Beachtung der Rechte des Volks von Haiti.

*Galia Trépère ist Mitglieder französischen NPA (Neue antikapitalistische Partei)


Übers.: Jochen Herzog

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