TEILEN
Länder

Zur Vorgeschichte der iranischen Protestbewegung

Von Ali Behrokhi | 01.02.2010

Nach Ansicht des Verfasser sollte bei einer kritisch-solidarischen Analyse der aktuellen politischen Lage im Iran berücksichtigt werden, dass bestimmte Tendenzen und Bestrebungen in den Medien schief und verzerrt präsentiert werden.

Nach Ansicht des Verfasser sollte bei einer kritisch-solidarischen Analyse der aktuellen politischen Lage im Iran berücksichtigt werden, dass bestimmte Tendenzen und Bestrebungen in den Medien schief und verzerrt präsentiert werden.

Vor 30 Jahren überraschte der Iran die Welt mit einem politischen Erdbeben: Millionen von Frauen und Männern übten zwei Jahre lang (1978-1979) den Aufstand und verfolgten dabei folgende Ziele; Sie kämpften für die Verwirklichung politischer Freiheiten und sie wussten, dafür mussten sie das Regime stürzen. Sie versprachen sich mit dem Sturz der korrupten Schah-Clique eine Verbesserung ihrer materiellen Lage.

Das Grundrecht, sich frei zu äußern, sich zu versammeln, sich zu organisieren…war in Iran der „Schah-Zeit“ für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung absolutes Tabu, ebenso Mangelware war ein Minimum an sozialer oder wirtschaftlicher Sicherheit. Die politisch unterdrückten und wirtschaftlich verarmten Schichten und Klassen rebellierten, kämpften, setzten ihr Leben aufs Spiel, um diese Ideale, diese Ziele Wirklichkeit werden zu lassen!

Anders verhielt es sich mit der religiösen Frage; wie in jedem anderen Land, in dem kapitalistische Gesetzmäßigkeiten und Moralvorstellungen vorherrschen, gab es auch in Iran der damaligen Zeit keinen Mangel an religiösen Einrichtungen und Angeboten. Die Menschen hatten also keine Veranlassung, für etwas zu kämpfen, was ihnen reichlich zu Verfügung stand!
Was war dann der Grund für das Desaster? Was führte den Volksaufstand in die islamische Sackgasse? Auf zwei Faktoren (innen- und außenpolitisch) soll hier kurz hingewiesen werden, die die auffällig reibungslose Machtübernahme durch den schiitischen Klerus ermöglichten.
Innere Bedingungen
Das Schah-Regime, das im Februar 1979 in Iran gestürzt wurde, gehörte zu den übelsten Ein-Mann-Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Außer Jubelvereinen und Clubs, die den Kaiser hochleben ließen, gab es keine andere Möglichkeit der politischen Artikulation – mit einer Ausnahme! Aufgrund ihrer autoritären und hierarchischen Strukturen neigen die monotheistischen Religionen generell dazu, sich mit der jeweiligen Obrigkeit zu engagieren.

Iran ist hierfür ein exemplarisches Beispiel. Der Islam schiitischer Prägung war dort seit Jahrhunderten Staatsreligion und die höheren Geistlichen verfügten entweder als Berater der politischen Elite oder als deren Konkurrenz über erhebliche Machtpositionen.
Mit dem CIA-Putsch von 1953 und der zunehmenden Abhängigkeit des Schah-Regimes vom imperialistischen Ausland monierte der Klerus zwar die zügellose Westanpassung des Regimes und das parasitär-luxuriöse Leben am Hof. Doch gleichzeitig waren schätzungsweise bis ca. 80 000 Mullahs im ganzen Land aktiv und bearbeiteten die Volksseele entsprechend.[…]
Äußere Beeinflussung
Im Laufe der Monate Sommer/Herbst 1978 müssen sogar „Freunde“ des Schah-Regimes  einsehen, dass dieses Regime nicht mehr zu halten ist. Speziell zu diesem Thema kommen im Herbst 1978 die Regierungschefs der USA, Englands, Frankreichs und der BRD auf der Karibik-Insel Guadeloupe zusammen und fassen folgenden Beschluss:

  • Der Schah muss weg!
  • Linke Kräfte und somit sowjetischer Einfluss dürfen nicht ans Ruder!
  • Khomeini und seine Anhänger sind die besten Garanten gegen die linke Gefahr! […]

Die kapitalistischen Regierungen wissen aus Erfahrung im eigenen Land und weltweit, dass gewisse Teile der frommsten und gottesfürchtigsten Gläubigen zu ihren strategischen Verbündeten zählen, wenn es darum geht, „kommunis­tische Bedrohung“ und „linke Gefahr“ abzuwehren!

Begünstigt durch das politische Vakuum im Land und ermutigt durch die logistische und propagandistische Unterstützung der Imperialisten übernimmt eine Gruppierung die politische Macht in Iran, die mit den Zielen und Forderungen des Aufstandes nichts im Sinn hat!

Die neuen Machthaber müssen den Aufstand bekämpfen, ja physisch vernichten, wenn sie denn selber an der Macht bleiben wollen! Dies ist der Grund, warum die Mullahs gemeinsam mit den  liberalen  islamischen Politikern (wie Bazargan, erster Ministerpräsident, Bani Sadr Staatspräsident, Yazdi Außenminister…) solche ungeheuerlichen Verbrechen gegen das iranische Volk begangen haben.

  • Die iranischen ArbeiterInnen wollten Beteiligung an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen und so gründeten sie die ersten Betriebsräte und Arbeiterkomitees…
  • Die in Iran lebenden Völker hatten entscheidenden Anteil am Sturz des alten Regimes und forderten nun ihre Rechte… 
  • Iranische Frauen verlangten die lang ersehnte Gleichberechtigung und standen an der vordersten Front der demokratischen Kämpfe…
  • Inspiriert von den revolutionären Ereignissen setzte sich die iranische Jugend für die Verwirklichung dieser Ziele ein…

Die Reaktion des „neuen“ Regimes stellte die Unterdrückungsmethoden des gerade gestürzten Diktators in den Schatten. Die von den ArbeiterInnen gegründeten Räte und Komitees wurden blutig niedergeschlagen und von „islamischen Räten“ ersetzt, die als Auge und Ohr des Regimes in den Betrieben fungierten. […]

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite