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Klimakonferenz in Cochabamba: 20.000 – und kein bisschen leise

Von Thadeus Pato | 01.05.2010

Bei Redaktionsschluss dieser Nummer war die Klimakonferenz in Cochabamba – richtiger: Conferencia Mundial de los pueblos sobre el cambio climatico y los derechos de la madre tierra (Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte von Mutter Erde) – noch in vollem Gange. Wie über tausend weitere angemeldete Teilnehmer­Innen hinderte auch den Autor die Aschewolke aus Island an der Teilnahme. Aber die Veranstalter hatten einen Livestream installiert, mittels dessen man per Internet die Konferenz verfolgen und auch an den Debatten teilnehmen konnte.

Bei Redaktionsschluss dieser Nummer war die Klimakonferenz in Cochabamba – richtiger: Conferencia Mundial de los pueblos sobre el cambio climatico y los derechos de la madre tierra (Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte von Mutter Erde) – noch in vollem Gange. Wie über tausend weitere angemeldete Teilnehmer­Innen hinderte auch den Autor die Aschewolke aus Island an der Teilnahme. Aber die Veranstalter hatten einen Livestream installiert, mittels dessen man per Internet die Konferenz verfolgen und auch an den Debatten teilnehmen konnte.

Nach dem Desaster der Klimakonferenz in Kopenhagen, die ohne jegliches nennenswertes Ergebnis geblieben war, hatte der bolivianische Präsident Evo Morales die Initiative ergriffen und nach Cochabamba zu einer alternativen Konferenz eingeladen. Im Gegensatz zu Kopenhagen, wo die Regierungen verhandelten und die NGOs draußen bleiben mussten, waren letztere hier ausdrücklich willkommen und bestimmten die bereits über Internet vor der Konferenz geführte Diskussion in den 17 Arbeitsgruppen zu den zahlreichen konkreten Einzelthemen maßgeblich mit. Insbesondere die Vertreter­Innen der indigenen Völker und Via Campesina sind hier zu nennen, aber auch die zahllosen Klimaschutzinitiativen, Freunde der Erde und andere Basisinitiativen.
Einige große NGOs allerdings fuhren nicht nach Cochabamba: Sie hatten offensichtlich Angst, bei den Blockierern von Kopenhagen – den Regierungen der Industriestaaten – in Ungnade zu fallen. Und diese Befürchtung war nicht unbegründet. Kurz vor der Konferenz strich die Obama-Regierung den Ländern, die den faulen Kompromiss von Kopenhagen nicht unterzeichnet hatten, die versprochenen Finanzhilfen zum Klimaschutz – im Falle von Bolivien 3 Millionen Euro –  ersatzlos. Wer nicht mit den Wölfen heulen will, wird postwendend abgestraft.  Besonders tat sich bei dem Versuch, Cochabamba zu blockieren, der internationale Gewerkschaftsdachverband IBFG hervor, der seinen Mitgliedern in diplomatisch verpackten Worten empfahl, die Konferenz zu boykottieren… Aber es gab andere, die den Schwanz nicht einkniffen: Die Präsidenten Hugo Chavez (Venezuela), Rafael Correa (Ecuador), Fernando Lugo (Paraguay); Daniel Ortega (Nicaragua) waren gekommen, außerdem die Nobelpreisträger­Innen Adolfo Perez Esquivel aus Argentinien und Rigoberta Menchu aus Guatemala. Hinzu kommen mehr als 50 international anerkannte Wissenschaftler, Führer­Innen sozialer Bewegungen, Forscher­Innen und Künstler­Innen, die auf den 14 Foren sprachen, darunter James Hansen von der NASA, Vandana Shiva aus Indien, Naomi Klein aus Kanada, der frühere Präsident der UN- Generalversammlung Miguel d`Escoto und der bekannte Umweltjournalist Bill McKibben.
Die Eröffnung
Die Auftaktveranstaltung am Dienstag, dem 20. April,war gigantisch: Zweimal musste der Veranstaltungsort, ursprünglich ein Hotel, neu bestimmt werden, denn die Teilnehmerzahlen übertrafen sämtliche Erwartungen. Nachdem zunächst mit 5 000 Menschen gerechnet wurde, wuchs in den Tagen vor Beginn der Konferenz die Zahl auf über 10 000, und am Tag vor Beginn waren bereits über 20 000 akkreditiert, so dass die Eröffnung in ein Stadion verlegt wurde.

Evo Morales nahm kein Blatt vor den Mund: Zunächst einmal sprach er deutlich aus, dass es das kapitalistische System sei, das die drohende Klimakatastrophe verursache. Er begann seinen Beitrag mit den Worten: „Dieser Planet oder der Tod – wir werden siegen!“ Und dann wies er darauf hin, dass es keine Harmonie zwischen Mensch und Natur geben könne, solange ein Prozent der Weltbevölkerung mehr als 50 Prozent der Reichtümer des Planeten besitze: „Der Kapitalismus ist der Hauptfeind der Erde, nur auf der Jagd nach Profit, zum Schaden der Natur.“ Und er forderte, dass die bevorstehende Konferenz von Cancun im November die Ergebnisse von Cochabamba respektieren müsse.

Bereits vorher schlug er vor dem diplomatischen Korps bei einer Pressekonferenz eine überraschende Volte: „Kopenhagen ist für uns kein Scheitern, sondern ein Triumph; für uns ist es (nämlich) das Scheitern der Regierungen der entwickelten Länder, die ein Dokument verabschieden wollten, das dem Abkommen von Kyoto direkt zuwiderläuft, das 1997 die Reduktion des Treibhausgasausstosses vorsah – aber das nicht durchsetzen konnten.“

Der chilenische Autor Eduardo Galeano, der seine Teilnahme ursprünglich angekündigt hatte, konnte nicht kommen, aber es wurde ein Brief von ihm verlesen, in dem er formulierte, dass „die Tauben auf die Stimme der Menschenrechte und die Stimme der Natur hören mögen.“

Der brasilianische Aktivist Etelvina Mazzioli, einer der Führer der indigenen und sozialen Bewegungen Lateinamerikas, forderte in seinem Beitrag eine breite Allianz der unterentwickelt gehaltenen Länder gegen den Kapitalismus und seine Politik der Umwelt- und Naturzerstörung. Fausto Torres, der Vertreter von Via Campesina, der Bäuer­Innenorganisation, die weltweit in 122 Ländern vertreten ist, stellte fest, dass nur eine gänzlich andere Art der Agrarproduktion, nämlich ökologischer und organischer Anbau, den Planeten „abkühlen“ und damit die globale Erwärmung stoppen könne.
Ausblick
Die Konferenz wird am 22.4., dem Tag der Erde (dieser wurde auf Vorschlag Boliviens von der UN-Generalversammlung 2009 beschlossen), enden. Als sicher kann gelten, dass der Vorschlag Boliviens, ein weltweites Memorandum zum Klimawandel durchzuführen, angenommen wird. Das ist ein zentraler Punkt, denn er bietet eine gemeinsame Aktionsperspektive für die sich entwicklende Klimaschutzbewegung und den Ausgangspunkt für weitere Debatten. Und die nächste Gelegenheit, sich zusammenzutun und den Blockierern eines wirksamen Klima- und Umweltschutzes entgegenzutreten, steht vor der Tür: Ende diesen Jahres findet im mexikanischen Cancun die Nachfolgekonferenz zu Kopenhagen statt. Die mexikanische UNORCA (Nationale Union der autonomen regionalen Bauernvereinigungen), die ebenfalls in Cochabamba vertreten ist, hat angekündigt, dass sie zu einem Gegengipfel in Cancun aufrufen wird, um dafür zu sorgen, dass die Signale, die jetzt von Cochabamba ausgehen, gehört werden. Darüber hinaus ist zu hoffen und zu fordern, dass die Konferenz von Cochabamba der Ausgangspunkt für eine breite solidarische Debatte über konkrete Alternativen zum herrschenden System der Ausbeutung des Menschen und der Natur wird. Oder, wie es die 4. Internationale in ihrer breit verteilten Erklärung in Cochabamba formulierte:

„Wir teilen die Überzeugung von Evo Morales, dass der Kapitalismus der Hauptvera
ntwortliche für die uns bedrohende Klimakatastrophe ist. Um das Klima zu retten, muss mit diesem System gebrochen werden! Wir brauchen antikapitalistische Alternativen, ein anderes Zivilisationsmodell, neue Paradigmen für Produktion und Konsum. Für uns ist diese neue Gesellschaft, solidarisch verfasst und fähig, in Harmonie mit der Natur zu leben, der Ökosozialismus“.

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