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Länder

Afghanistan: Neue Niederlage der Bundeswehr

Von B.B. | 01.05.2010

In Afghanistan starben innerhalb von nur vierzehn Tagen sieben deutsche Soldaten, dreizehn wurden verletzt. Hintergrund der steigenden Zahl von Toten und Verwundeten ist der Versuch der Bundeswehr, die Aufständischen gezielt in ihren Hochburgen anzugreifen, um sie nach Oberst Klein „zu vernichten“.

In Afghanistan starben innerhalb von nur vierzehn Tagen sieben deutsche Soldaten, dreizehn wurden verletzt. Hintergrund der steigenden Zahl von Toten und Verwundeten ist der Versuch der Bundeswehr, die Aufständischen gezielt in ihren Hochburgen anzugreifen, um sie nach Oberst Klein „zu vernichten“.

Dass diese neue Taktik nicht aufgeht, zeigte die Schlappe am 2. April in einem Dorf in Chahar Darreh nahe Kunduz, die drei deutschen Soldaten das Leben kostete; acht wurden verwundet. Die 1. Infanteriekompanie des 373. Fallschirmjägerbataillons war in ein Gefecht mit Aufständischen verwickelt worden. Die Fallschirmjägerkompanie, ca. 150 Soldaten stark, wurde von 30-40 Taliban angegriffen. Obwohl die Elitesoldaten speziell für Orts- und Häuserkampf ausgebildet sind, erlitt die Bundeswehreinheit eine Schlappe gegen einen weit unterlegenen Gegner. Auch Einheiten der afghanischen Armee (ANA) waren an dem Einsatz beteiligt. Als nach acht Stunden Entsatz anrückte, stieß dieser auf eine ANA-Einheit, die als Feind angesehen wurde. Im „friendly fire“ der Bundeswehr starben sechs afghanische Soldaten. Bereits im Februar waren sieben afghanische Polizisten ums Leben gekommen, als sie im Einsatzgebiet der Bundeswehr bombardiert wurden. Das militärische Desaster der Bundeswehr in Afghanistan kann auch nicht durch die beklemmenden Trauerbekundungen der hiesigen herrschenden politischen Kaste übertüncht werden.

Wenn sich Aufständische in Häusern verschanzen können, dann geht das in einem Land, wo viele Männer bewaffnet sind, nicht ohne die Unterstützung der örtlichen Bevölkerung. Dass das Gebiet um Kunduz eine frühe Hochburg der Taliban im Bürgerkrieg gegen die Nordallianz war, haben die Bundestagsabgeordneten von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen den Bundeswehrsoldaten allerdings nicht auf den Weg zum Hindukusch mitgegeben, sondern behauptet, die Bundeswehr werde im „ruhigen Norden“ eingesetzt. Das Gefecht in Chahar Darreh belegt im Kleinen, was auch im Großen gilt: Eine Aufstandsbewegung, die in der Bevölkerung verankert ist, kann von fremden Invasoren kaum besiegt werden.
Mehr Soldaten + mehr Ausrüstung = mehr Krieg
Die Bundeswehr, deren „mangelnde Ausrüstung“ nun von den Regierenden beklagt wird, hat bereits 970 gepanzerte Fahrzeuge in Afghanistan im Einsatz. Im Laufe dieses Jahres sollen weitere zweihundert hinzu kommen. Mit diesen dann 1170 gepanzerten Fahrzeugen könnten rund 9 500 Soldat­Innen transportiert werden. Schon tauchen die ersten Forderungen auf, dass das deutsche ISAF-Kontingent auf 8 000 Soldaten (!) erhöht werden müsse.

Kriegsminister zu Guttenberg genehmigte den Einsatz von Panzerabwehrraketen und schweren Panzerhaubitzen. Der neue Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Königshaus (FDP), schlägt vor, schwere Panzer Leopard 2 nach Kunduz zu schicken. Entgegen allen Beteuerungen läuft die bürgerliche Politik nicht auf den Abzug aus Afghanistan, sondern auf eine Ausweitung des Krieges hinaus.

Vor allem die in Afghanistan eingesetzten deutschen Offiziere setzen auf eine militärische Lösung, die es nicht gibt. Für sie ist alles so fremd in diesem Land, dass sie die verbündeten Soldaten nicht von den gegnerischen Kämpfern unterscheiden können. Wer das Gebiet außerhalb des eigenen Kasernengeländes als „Talibanistan“ bezeichnet, zeigt nur, wie isoliert er von der Bevölkerung ist.
Jeder zusätzliche Soldat und jedes neue Militärfahrzeug verstärken das Gefühl der Bevölkerung, dass die Bundeswehr eine feindliche Besatzungsarmee und Afghanistan nicht selbstbestimmt ist.
Ein Reformprogramm soll‘s richten
Die Bundesregierung gibt vor zu wissen, dass die Auseinandersetzungen nicht rein militärisch, sondern nur mithilfe eines zivilen Aufbauprogramms d. h. mit mehr Schulen, Brunnen und Unternehmensgründungen – die neuen Brücken und Straßen dienen den Militärtransporten – zu gewinnen sind. Vorher müsse das Land aber abgesichert d. h. die Aufständischen geschlagen werden. Dieses Etappenmodell besagt also: erst militärischer Sieg, dann ziviler Aufbau.

Jahre vor dem Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten gab es bereits ein solch ziviles Aufbauprogramm – abgesichert durch die sowjetische und afghanische Armee. Es wurden Krankenhäuser, Schulen und Fabriken gebaut und in entsprechenden Berufen ausgebildet. Das Reformprogramm wurde aber von einem Teil der Bevölkerung nicht angenommen, weil sie ihre Kultur und Souveränität durch die sowjetische Besatzung missachtet sahen, von den gezielten Destabilisierungsaktionen der USA ganz abgesehen. Damals gab es immerhin bedeutende Kräfte, die zumindest in den Städten hinter der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) und ihrem Reformprogramm standen. Die DVPA und die Sowjetunion verloren den Krieg trotz aller Reformen. Weshalb sollen heute die Reformen von oben durch die korrupte Regierung Karzai und ihre westlichen Verbündeten anziehender auf die Bevölkerung wirken als die der DVPA?
Untersuchungsausschuss = Freispruch
Während im Süden Afghanistans die Großmächte mit den Taliban um die Kontrolle des Drogenanbaus kämpfen und im Norden die Bundeswehr den Krieg massiv ausweitet, verkündet die CDU/CSU-FDP-Regierung hierzulande nicht nur Durchhalteparolen. Der parlamentarische Ausschuss zur Untersuchung des Massakers von Kunduz hat erfolgreich seine Arbeit so lange verschleppt, bis die Särge der toten Soldaten das Kriegsverbrechen in den Hintergrund drängten. Passend zur Kriegs­rhetorik der Regierung wurde die Anklage gegen Oberst Klein nach dem Völkerstrafgesetzbuch abgeschmettert. Unterdessen hat Kriegsminister zu Guttenberg die Verhandlungen über die Entschädigungen von Opfern des Kriegsverbrechens mit deren Bremer Anwalt abgebrochen.

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