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7. Eine klare Position zur sozialistischen Demokratie ist unverzichtbar, um die ArbeiterInnen für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats zu gewinnen

01.06.1985

Das Eintreten für ein klares, unzweideutiges Programm der sozialistischen Demokratie stellt heute einen unverzichtbaren Bestandteil des Kampfs gegen die reformistischen Führungen dar, die den Arbeitenden in den imperialistischen Ländern bürgerlich-demokratische Mythen und Illusionen eintrichtern wollen. Ebenso unverzichtbar ist es, um Illusionen in den Kapitalismus und antisowjetischen Vorurteilen, die in verschiedenen Schichten von KritikerInnen und Oppositionellen der bürokratisierten Arbeiterstaaten verbreitet sind, während des Verlaufs des Kampfes für die politische Revolution in diesen Ländern entgegenzutreten.

Die katastrophale historische Erfahrung des Faschismus und anderer Regierungsformen reaktionärer bürgerlicher Diktatur in den kapitalistischen Ländern einerseits und die Erfahrung der bürokratischen Regime in der UdSSR, in China, in Osteuropa und anderen Ländern andererseits haben in der ArbeiterInnenklasse der imperialistischen Länder und der bürokratisierten ArbeiterInnenstaaten ein tiefes Misstrauen gegenüber jeder Form von Einparteiensystem und gegenüber jeder Einschränkung der demokratischen Rechte nach dem Sturz des Kapitalismus geweckt.

Sollten die revolutionären MarxistInnen auch nur den mindesten Eindruck erwecken, die demokratischen Freiheiten der Arbeitenden – einschließlich der Freiheit, die Regierung zu kritisieren, Oppositionsparteien zu gründen und eine Oppositionspresse zu haben – würden unter der Diktatur des Proletariats eingeschränkter sein als unter der bürgerlichen Demokratie, dann wird es wesentlich schwieriger, wenn nicht gar völlig unmöglich sein, die ideologische Vorherrschaft all jener zu durchbrechen, die innerhalb der ArbeiterInnenbewegung Illusionen in den Parlamentarismus verbreiten. Jedes Zögern und jede Zweideutigkeit der revolutionären Avantgarde in dieser Frage kann nur den reformistischen Lakaien der liberalen Bourgeoisie helfen, das Proletariat zu spalten und einen großen Teil der Klasse unter dem Vorwand, demokratische Rechte zu sichern, in eine Verteidigung der Institutionen des bürgerlichen Staates zu drängen.

Es ist argumentiert worden, das oben Gesagte sei nur auf Länder anwendbar, in denen die LohnarbeiterInnen bereits eine deutliche Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung darstellen. Es stimmt, dass dort, wo es eine große Mehrheit kleiner WarenproduzentInnen gibt, die entsprechenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse der vollständigen Entfaltung der sozialistischen Demokratie objektive Hindernisse in den Weg legen und zum Phänomen der Bürokratisierung in den meisten existierenden Arbeiterstaaten beitragen.

Insofern gegenwärtig immer mehr halbkoloniale Länder einen teilweisen Industrialisierungsprozess durchlaufen, hat das Proletariat in der erwerbstätigen Bevölkerung dieser Länder heute bereits ein relativ größeres Gewicht als das russische Proletariat 1917 oder das chinesische Proletariat 1949. Dank eigener Kampferfahrungen wird dieses Proletariat rasch einen Grad an Bewusstsein und Selbstorganisation erreichen, der bereits zu Beginn einer revolutionären Krise die Schaffung von Staatsorganen nach Art der Sowjets auf die Tagesordnung stellen wird (das Beispiel Chile hat dies schon verdeutlicht). Insofern es besonders für die politische Revolution in den bürokratisierten Arbeiterstaaten gilt, ist das Programm der IV. Internationale über die Demokratie der ArbeiterInnenräte als Grundlage der Macht des Proletariats in seinen Grundzügen ein universelles Programm für die Weltrevolution, das ganz und gar dem gesellschaftlichen Charakter, den historischen Bedürfnissen und der Denkweise der ArbeiterInnenklasse selbst entspricht. Es ist keineswegs ein “Luxus”, der nur den ArbeiterInnen der “reichsten Länder” vorbehalten ist, selbst wenn seine Umsetzung in den Ländern, in denen das Gewicht der ArbeiterInnenklasse äußerst begrenzt ist, gewissen Einschränkungen unterliegen kann.

So ist es auch notwendig, theoretisch klar zu unterscheiden zwischen den Institutionen der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie, die sich vor allem in den imperialistischen Ländern Dank Überausbeutung Hunderttausender Bauern/Bäuerinnen und ArbeiterInnen in den kolonialen, halbkolonialen und abhängig gehaltenen Ländern und der gewaltsamen Unterdrückung ihrer elementarsten demokratischen Rechte entfalten können, und den Institutionen der proletarischen Demokratie einschließlich ihrer Keimformen in der bürgerlichen Gesellschaft, die ein Ergebnis langjähriger Kämpfe, Opfer und Siege der Selbstorganisation des Proletariats und seiner graduellen Erlangung von Klassenbewusstsein sind. Erstere sind historisch zum Verschwinden verurteilt, Letztere werden sich im Zug der sozialistischen Weltrevolution und in der gesamten Phase des Aufbaus einer sozialistischen Welt ausbreiten und wachsen wie nie zuvor.

Selbstverständlich setzt ein gutes Funktionieren der sozialistischen Demokratie voraus, dass ein Mindestmaß an allgemeiner Bildung und Industrialisierung der Gesellschaft erreicht wird. Gesellschaftliche Verhältnisse, unter denen ein größerer Teil der arbeitenden Bevölkerung Analphabeten sind, leisten zwangsläufig einer bürokratischen Entartung der Machtorgane Vorschub. Das erklärt auch, warum Lenin in seinen letzten Schriften so sehr darauf beharrt, das Bildungsniveau der Massen anzuheben. In dieser Hinsicht sind die Alphabetisierungskampagnen, die in Kuba und Nicaragua durchgeführt wurden, vorbildlich.

Auf der anderen Seite kann die Diktatur des Proletariats in den weniger industrialisierten Ländern zunächst von der proportionellen Vertretung der verschiedenen Bevölkerungsteile abweichen. Sie kann sich offen dafür entscheiden, die Vertretung der ArbeiterInnenklasse insbesondere gegenüber den Bauern/Bäuerinnen Vorrang einzuräumen, wie es in der russischen Verfassung von 1918 der Fall war.

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