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3. Der Klassenkampf unter dem Kapitalismus, der Kampf für demokratische Rechte und die Entstehung der Diktatur des Proletariats

01.06.1985

Die herrschende Klasse setzt alle ihr zur Verfügung stehenden ideologischen Mittel ein, um die bürgerlich-parlamentarischen Institutionen mit der Erhaltung demokratischer Freiheiten gleichzusetzen. Vor allem in Westeuropa, in Japan und Australien suchen die kapitalistischen Herrscher zum Beispiel als VerteidigerInnen der demokratischen Bedürfnisse der Arbeiter- und der plebejischen Massen zu erscheinen, die durch die negativen Erfahrungen des Faschismus und des Stalinismus erheblich verstärkt worden sind.

Eine der zentralen Vorbedingungen für den Kampf zur Gewinnung der Massen für die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats besteht darin, die demokratischen Bedürfnisse der Massen aufzugreifen und ihnen in geeigneter Form Ausdruck zu verleihen” um damit den beständigen Bemühungen der ReformistInnen entgegenzuwirken, sich diese Bestrebungen zunutze zu machen und sie in die Sackgasse der bürgerlich-parlamentarischen Institutionen abzuleiten.

Die demokratischen Rechte, die die Massen unter dem Kapitalismus genießen – von der Redefreiheit über das Recht auf Bildung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien und das allgemeine Wahlrecht bis zum Recht auf freie Abtreibung – sind Errungenschaften, die durch Massenkämpfe gewonnen wurden. Die revolutionären MarxistInnen kämpfen für die umfassendsten demokratischen Freiheiten, die unter dem Kapitalismus möglich sind. Je umfassender diese Freiheiten sind, desto größer sind die Möglichkeiten der Arbeitenden und ihrer Verbündeten, für ihre Interessen zu kämpfen, die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen zugunsten des Proletariats zu verändern und so die endgültige Kraftprobe mit den KapitalistInnen unter den besten Bedingungen aufzunehmen.

Das Klasseninteresse der Arbeitenden schließt also den Kampf zur Verteidigung jeder Errungenschaft der Massen einschließlich der demokratischen Freiheiten gegen die bürgerliche Reaktion ein. Die Geschichte hat gezeigt, dass die ArbeiterInnenklasse die einzige Klasse ist, die fähig ist, diesen Kampf bis ans Ende zu führen, und dass die Arbeitereinheitsfront das beste Instrument ist, um erfolgreich einen derartigen Kampf gegen die Gefahr einer faschistischen oder einer Militärdiktatur zu führen. Im Kampf gegen die kapitalistische Reaktion setzen wir auch in keiner Weise Vertrauen in den bürgerlichen Staat oder irgendeine seiner Institutionen. Bei Einschränkungen demokratischer Rechte durch den bürgerlichen Staat besteht die Gefahr, dass sie gegen die ArbeiterInnenklasse und vor allem gegen ihren revolutionären Flügel benutzt werden. Der Faschismus wie jeder andere Versuch zur Durchsetzung eines autoritären Regimes kann nur durch unabhängige Massenmobilisierungen der ArbeiterInnenklasse und ihrer Verbündeten im Rahmen einer Einheitsfront gestoppt werden.

Der niedergehende Kapitalismus führt zur Reaktion. Der Umfang der demokratischen Rechte und Freiheiten, die die Massen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Land genießen, wird durch die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen bestimmt. Die allgemeine historische Tendenz geht in der imperialistischen Epoche in Anbetracht verschärfter Klassenpolarisierung in Richtung einer Verminderung der demokratischen Freiheiten der Massen. Dies gilt umso mehr, je mehr sich eine bürgerliche Klasse in einer zugespitzten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise befindet und je geringer ihre Basis und ihre materiellen Reserven sind. Dies zeigt sich heute am deutlichsten an der Vielzahl brutaler Diktaturen in den halbkolonialen Ländern.

Es ist also eine entscheidende Aufgabe der revolutionären MarxistInnen, den ReformistInnen als “Repräsentanten” der demokratischen Bedürfnisse der Arbeitenden die Führung der Massen zu entreißen. Eine programmatische Klärung, insbesondere der Kampf gegen die reformistischen und parlamentarischen Illusionen, greift in dieser Hinsicht eindeutig zu kurz, so wichtig sie auch ist. Die Massen lernen vor allem durch ihre tägliche praktische Erfahrung. Daher ist es auch so wichtig, mit ihnen diese Erfahrungen zu teilen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Je mehr sich der Klassenkampf verschärft, desto mehr werden die Arbeitenden die Autorität und die Vorrechte der Bourgeoisie auf allen Ebenen in Frage stellen. Sie werden beginnen, mittels ihrer eigenen Organisationen – Gewerkschaftskomitees, Fabrikkomitees, Organe der ArbeiterInnenkontrolle, ArbeiterInnenräte im eigentlichen Sinne – immer mehr wirtschaftliche und politische Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise werden sie immer mehr Vertrauen in ihre eigene Kraft gewinnen, den bürgerlichen Staat zu stürzen.

Um ihre Kämpfe mittels breitester Beteiligung so wirksam wie möglich zu führen, werden die Arbeitenden im Verlauf dieses Prozesses auch die Notwendigkeit verstehen, auf die demokratischsten Organisationsformen zu setzen. Durch diese Kampferfahrung und ihre Teilnahme an den eigenen demokratisch strukturierten Organisationen werden die Massen eine viel größere Handlungsfreiheit und eine viel größere Freiheit überhaupt gewinnen, als sie sie im institutionellen Rahmen der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie je gehabt haben. So werden sie den unersetzbaren Wert der proletarischen Demokratie kennen lernen. Dies ist das unabdingbare Verbindungsglied in der Kette der Entwicklungen, die von der kapitalistischen Herrschaft zur Eroberung der Macht durch das Proletariat führt. Die beste Schule für die proletarische Demokratie unter der Diktatur des Proletariats ist also die Selbstorganisation des Proletariats im Verlaufe des Klassenkampfes unter dem Kapitalismus – von den demokratischen Streikvollversammlungen und den demokratisch gewählten Streikkomitees bis zum verallgemeinerten System der Doppelherrschaft.

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