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Innenpolitik

28. März Frankfurt und Berlin: Demonstrationen mit Hindernissen

Von B.B. | 01.02.2009

Ein breites Bündnis der sozialen Bewegung, vom linken Flügel der Gewerkschaften und linker Parteien bzw. Organisationen hatte am 6. Januar beschlossen, am 28. März in Frankfurt/M. und Berlin unter dem Motto „Wir bezahlen nicht für eure Krise!“ zu demonstrieren.

Ein breites Bündnis der sozialen Bewegung, vom linken Flügel der Gewerkschaften und linker Parteien bzw. Organisationen hatte am 6. Januar beschlossen, am 28. März in Frankfurt/M. und Berlin unter dem Motto „Wir bezahlen nicht für eure Krise!“ zu demonstrieren.

Mit dabei sind das „Berliner Bündnis“, Attac, Verdi-Bezirk Stuttgart und andere Verdi-Bezirke oder lokale Verdi-Strukturen, ABSP, die Gewerkschaftslinke, die Partei Die Linke, RSB, isl, SAV u.  a. Dagegen versuchen die Vorstände von Verdi und IG Metall, aber auch Teile von attac die Demonstrationen zu unterlaufen.
Von Null auf Hundert?
Nach der Demonstration der Zwanzigtausend am 3. Juni 2006 blieb der erhoffte Aufschwung der sozialen Bewegung aus. Hunderte von sozialen Initiativen gegen Erwerbslosigkeit oder Sozialabbau wurden auf ihre lokale Existenz zurückgeworfen. Das Bündnis vom 6. Januar 2009 muss beim Aufbau der sozialen Bewegung fast von vorne anfangen, zumal nicht sie, sondern nur ihr linker Teil die Demo vom 3. Juni 2006 organisiert hatte. Seitdem gab es kaum nennenswerte bundesweite Aktionen. Es wird deshalb nicht einfach sein, aus dem Stand eine neue soziale Bewegung gegen die Krise aufzubauen. Dazu braucht es einen langen Atem.
Gewerkschaftsspitzen sabotieren
Das Bedürfnis nach Aktionen gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die lohnabhängige Bevölkerung wuchs umso mehr, je weniger die offiziellen Gewerkschaften zu Protesten bereit sind. Gerade aus dem linken Gewerkschaftsbereich wurde der Wunsch geäußert, nicht länger abzuwarten und auf den 28. März als relativ frühen Termin gedrungen. Die „Massen“ werden aber so kurzfristig nicht einfach zu mobilisieren sein und es wird schwierig werden, am 28. März zwei große Demonstrationen auf die Beine zu stellen. Aber wir müssen alles tun, um diese Schwierigkeiten zu überwinden.

Nachdem sich das Bündnis auf die beiden Demonstrationen am 28. März geeinigt hatte und sich auch Verdi Stuttgart und eine ganze Reihe von örtlichen Verdi-Strukturen dafür ausgesprochen hatten, hat sich seit Mitte Januar ein beträchtlicher Druck seitens des Verdi-Vorstands auf die aktiveren Verdi-Bezirke entwickelt. Während der Verdi-Vorsitzende  Frank Bsirske auf dem Juso-Kongress zur „Finanzkrise: Zeit für den Systemwechsel?“  am 7. Februar 2009 in Berlin auftritt, um mitzudiskutieren, „wie eine soziale Regulation des globalen Kapitalismus“ aussehen kann, macht der Verdi-Vorstand intern Druck, um Bezirke und örtliche Strukturen davon abzuhalten, für den 28. März zu mobilisieren. Auch der IG Metall-Vorstand hat intern in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass die IG Metall nicht Mitaufrufer zum 28. März ist.

Kein Wunder, denn der Gewerkschaftsbürokratie ist die Sache aus zwei Gründen ein gewaltiger Dorn im Auge. Erstens will die Bürokratie nicht, dass etwas passiert, was sie nicht kontrolliert. Dies könnte ihre eigene Glaubwürdigkeit (und ihren Führungsanspruch) in Frage stellen. Und zweitens könnten mit dem Aufruf und den Anzeigen sowie den Mobilisierungsveranstaltungen und den Reden auf den Kundgebungen bestimmte Positionen vertreten werden, die den sozialpartnerschaftlicher Kurs der Gewerkschaften in Frage stellen.

Parallel zu dem Druck innerhalb der Einzelgewerkschaften entwickeln die Gewerkschaftsvorstände jetzt ihre eigene Agenda, um die Sache zu unterlaufen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) plant einen zweitägigen „Kapitalismuskongress“ am 15./16. Mai in Berlin mit anschließender Demonstration. Die IG Metall plant für den 17. Juni eine oder mehrere Großkundgebungen.
Breite Kampagne
Die Reaktion auf solche „Sektenpositionen“ der gewerkschaftlichen Großorganisationen darf allerdings nicht umgekehrt zu einer Nichtteilnahme an der DGB-Demonstration am 16. Mai in Berlin führen, wie z. B. ein Attac-Sprecher auf der Konferenz der Interventionistischen Linken am 25. Januar in Frankfurt vorschlug. Vielmehr geht es darum, auch für diese Demo sowie für die Kundgebung der IG Metall am 17. Juni zu mobilisieren.

Da eine Demo noch keine antikapitalistische Bewegung ausmacht, kommt es eben darauf an, für  die Mobilisierung gegen die kapitalistische Krise dauerhafte örtliche Bündnisse aufzubauen und vor Ort entsprechend aufzuklären.
DIE LINKE für Wischiwaschi-Positionen
Aufgrund der Hinhaltetaktik einiger Vertreter von Attac und auch der Partei Die Linke wurde erst am Montag, den 26. Januar, der „vorläufige“ Aufruf für den 28. März von der „Redaktionsgruppe“ verabschiedet. Schon auf früheren Konferenzen der sozialen Bewegung zeichneten sich Vertreter­Innen der Attac-Spitze durch Positionen aus, die Demonstrationen der sozialen Bewegung offen verzögern, wenn nicht ganz verhindern wollten. Eine solche Haltung lag und liegt sicherlich im Interesse der Gewerkschaftsbürokratie, aber wohl kaum in dem der eigenen Attac-Basis.
Besonders verheerend wirkte sich allerdings aus, dass der Vertreter der Partei Die Linke auf einer klaren Entschärfung des Aufruftextes bestand (sonst würde die Partei nicht mitmachen). So fiel die Forderung nach einem Mindestlohn von 10 Euro / Stunde raus, genauso wie die Forderung nach einer Anhebung des Eckregelsatzes auf 500 Euro. Der Vertreter von Verdi setzte durch, dass in dem gemeinsamen Aufruf nicht mehr die Forderung nach einer Vergesellschaftung der Banken unter Kontrolle der Beschäftigten und einfachen KundInnen auftaucht. Die jetzt erzielte Formulierung „Der private Bankensektor muss gesellschaftlich kontrolliert und am öffentlichen Interesse orientiert werden“ hat rein überhaupt keine Aussagekraft. Da können in der heutigen Situation alle Sozialdemokraten und sogar viele CDUler zustimmen. Hier hat der Vertreter des Verdi-Bezirks Stuttgart unsres Erachtens in politisch nicht vertretbarer Form dem Druck seitens des Verdi-Vorstands nachgegeben, der betont hatte, dass die Verdi-Beschlusslage nicht auf eine Vergesellschaftung des Bankensektors zielt.
Antikapitalistischer Block
Das alles darf die antikapitalistische Linke nicht davon abhalten, alles für das Gelingen der Demonstrationen am 28. März zu tun und mit dem Bündnis vom 6. Januar in Berlin und Frankfurt zu demonstrieren. Der RSB wird während der Mobilisierung und auf den Kundgebungen die Forderung nach der Enteignung der Banken unter Kontrolle der Beschäftigten und der einfachen KundInnen in den Mittelpunkt stellen.
Vertreter des RSB haben auf der Konferenz der Interventionistischen Linken vorgeschlagen, auf der DGB-Demo am 16. Mai in Berlin einen antikapitalistischen Block zu bilden. Gerade das Verhalten der gemäßigten Spitzen der sozialen Bewegung zeigt, wie notwendig ein solch antikapitalistischer Block ist.

Trotz ihrer schwachen inhaltlichen Ausrichtung können die Demonstrationen ein erster Schritt zur Erneuerung der sozialen Bewegung auf dem Weg zur Schaffung einer außerparlamentarischen Opposition sein.
Die kapitalistische Krise hat die Menschen geschockt. Bei vielen herrscht Empörung über die Milliardengeschenke der Regierung an die Banken. Sie kann in blinde Wut umschlagen, wenn die Große Koalition oder irgendeine andere Regierung nach der Bundestagswahl, die Krisenlasten auf die Lohnabhängigen abzuwälzen versucht.

 

Systemtreue Gewerkschaftsführung
Auf seinem „Kapitalismuskongress“ Mitte Mai in Berlin will der DGB die „Aufarbeitung der Krise“ vorantreiben. Am Ende eines Diskussionsprozesses soll „eine wirklich soziale Marktwirtschaft stehen“, die „solche auch aus Gier geborenen Krisen künftig vermeidet“, so der DGB-Vorsitzende Sommer. Dass dieser Kongress nicht „Antikapitalismuskongress“ heißt, sagt alles über den DGB und seine Positionen zur Krise. Neben altbekannten Rezepten wie „Mitbestimmung“, „Regulierung von Finanzmärkten“, „gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung“ und einen Sozialstaat fordert der DGB wortwörtlich auch den „starken Staat“. Vielleicht den „starken Staat“ Brünings, Schleichers oder Hindenburgs während der damaligen Weltwirtschaftskrise, vor denen die Weimarer Vorgänger der Sommer im ADGB feige kapitulierten? Unter dem Druck der Krise sucht die Gewerkschaftsbürokratie, bar jeder Systemalternative, Halt beim Kapitalismus und dem bürgerlichen Staat, die sie von „Auswüchsen“ und einer „falschen Politik“ rein zu waschen sucht. Wir dürfen ihr die Gewerkschaften und unsere Aktionen nicht überlassen.
B.B.

 

 

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