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15. Weltkongress der IV. Internationale

Von François Sabado | 14.02.2003

Vom 9. bis 14. Februar hat der 15. Weltkongress der IV. Internationale getagt. Wir werden in der nächsten Ausgabe hierauf zurückkommen und bringen hier einen Bericht, der in Rouge, der Wochenzeitung der LCR, veröffentlicht worden ist.

Dieser Kongress stand unter dem Zeichen eines neuen Anlaufs unserer internationalen Strömung. Es waren Delegationen von rund 50 Organisationen zu dem Kongress zusammengekommen, bei dem Erfahrungen und die Debatten der Antiglobalisierungsbewegung sowie die leidenschaftlichen Diskussionen über die gegenwärtige Lage in Brasilien die vorherrschenden Themen waren. Die Diskussionen zeigten das neue Potential für die Erneuerung oder die Weiterentwicklung von Strömungen der radikalen oder revolutionären Linken an. Eingeladen waren auch Gäste von der britischen SWP bzw. ihrer internationalen Strömung, von der schottischen SSP, der griechischen Organisation DEA, der australischen DSP sowie der Freedom Socialist Party und der Socialist Party aus den USA. Außerdem nahmen GenossInnen von Lutte Ouvrière als BeobachterInnen an dem Kongress teil.

Hervorzuheben ist zu allererst einmal, dass und wie sehr sich das politische Klima seit dem letzten Weltkongress, der im Juni 1995 stattgefunden hatte, geändert hat. Dieser Kongress hatte in einer Lage stattgefunden, die von dem Zusammenbruch der UdSSR und der osteuropäischen Staaten in der Art, wie dies der Fall gewesen war, von den gesellschaftlichen Niederlagen der Arbeiterbewegung in einer Reihe von europäischen Ländern und den Rückschlägen der Guerillabewegung in Lateinamerika geprägt war. Der 15. Kongress hat in einem ganz anderen politischen und ideologischen Kontext stattgefunden. Sicher haben wir die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen auf Weltebene nüchtern zu analysieren – die Wucht der Offensive des Liberalismus, die bewaffnete Globalisierung, die Defensive der Lohnarbeitenden, die Schwäche insbesondere der gewerkschaftlichen und politischen Vertretungen der sozialen Bewegungen in den riesigen Ländern USA, Russland und China, die Diskrepanzen zwischen dem sozialen Widerstand und dessen Übersetzung in revolutionäres sozialistisches Bewusstsein. Zugleich hat der Kongress sich bemüht, die gegenwärtigen Widersprüche des kapitalistischen Systems, die Tiefe der Wirtschaftskrise und vor allem die sozialen und demokratischen Widerstände abzumessen. Der Umfang der Antikriegsbewegung beweist, wie lebendig der Widerstand der Völker ist.

Diese Veränderungen haben sich in den Diskussionen und bei den Perspektiven, die der Kongress skizziert hat, lebhaft bemerkbar gemacht, insbesondere bei der entscheidenden, strategischen Bedeutung, die einer Mitarbeit der revolutionären MarxistInnen in der Antiglobalisierungsbewegung zukommt. Das Ausmaß von Kräften, die die Antiglobalisierungsbewegung vor allem unter Jugendlichen mobilisiert, wie die gesamten programmatischen und politischen Fragen, die von diesen Bewegungen aufgeworfen werden, verleihen ihr eine zentrale Bedeutung für den Prozess der Reorganisation der sozialen Bewegungen und der Erneuerung einer radikalen Linken. Genauer gesagt, ausschlaggebend ist die Verbindung zwischen der Antiglobalisierungsbewegung und der Antikriegsbewegung. Unabhängig davon, wie groß oder klein die Kräfte der jeweiligen Sektion der Internationale sind, bemühen sich zahlreiche Organisationen und Aktive um Wege und Mittel, um die Bewegung aufzubauen und mit den neuen Generationen in einen Dialog zu kommen.

Als einer der wichtigeren Abschnitte des Kongresses wird die Diskussion über die Situation in Brasilien und die aktive Rolle unserer Genossinnen und Genossen von der Tendenz Sozialistische Demokratie in der Arbeiterpartei (PT) im Gedächtnis bleiben. Sie wiesen darauf in, dass das Eingreifen der Massenbewegung in das soziale und politische Geschehen in Brasilien im Zentrum ihres Kurses steht, damit die sozialen und ökonomische Hauptprobleme des Landes angegangen werden: Agrarreform, Schulden, Verhinderung der Privatisierungspläne, Lohnerhöhungen, Ablehnung der Autonomie der Zentralbank, Ablehnung der von Orlando Palacci, dem Finanzminister der Regierung Lula, vorbereiteten Rentenreform. Sie unterstützen alle positiven Maßnahmen der Regierung Lula und stellten zugleich ihre vollständige Unabhängigkeit klar; sie sind bereit, mit der gesamten PT-Linken die Anpassung der Regierung Lula an die liberale Politik und die Zugeständnisse an den Imperialismus und an die Finanzmärkte zu bekämpfen. Die Tendenz Sozialistische Demokratie, die durch den Minister für Agrarreform Miguel Rossetto in der Regierung vertreten ist, der von der Bewegung der Landlosen (MST) Unterstützung erhält, und der mit der Senatorin Heloísa Helena eine der wichtigsten SprecherInnen der linken Opposition der PT zur Regierung Lula angehört, wird mitten in den Entwicklungen der brasilianischen Politik stehen können.

Außerdem hat der Kongress ein paar Pflöcke für eine Politik der Einigung der revolutionären Kräfte auf internationaler Ebene gesetzt. Auf der einen Seite ist es geboten, unsere internationale Strömung im Hinblick auf ihre Koordination und ihr Auftreten zu stärken; in diesem Zusammenhang ist insbesondere der Beitritt neuer Kräfte zur IV. Internationale – wie der Revolutionären Arbeiterpartei Mindanao (Philippinen) – festzuhalten. Auf der anderen Seite werden in Zukunft die Kontakte zu anderen internationalen Strömungen, die im Verlaufe dieses Kongresses ausgebaut werden konnten, entscheidend werden. Ausgehend von der Konferenz der europäischen radikalen antikapitalistischen Linken wurden auf diesem Weltkongress erste Diskussionen über die Idee einer internationalen Konferenz der radikalen Linken geführt. Es geht dabei nicht darum, einen neuen organisatorischen Rahmen zu schaffen, sondern Initiativen für Debatten und gemeinsame Aktivitäten von einer ganzen Reihe von Strömungen und Organisationen der radikalen oder der revolutionären Linken zu ergreifen, um Schritte hin auf neue Gemeinsamkeiten zu ergreifen. Ein Test für solch ein neues gemeinsames Verständnis wird vor allem in einen gemeinsamen Ansatz in den Antiglobalisierungsbewegungen umzusetzen sein.

Übersetzung und Bearbeitung: Friedrich Dorn

Vorabveröffentlichung aus Inprekorr Nr. 376/377 (März/April 2003)

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