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Betrieb & Gewerkschaft

107 Tage Streik bei Case New Holland

Von Anke Berg | 01.07.2006

CNH ist Teil des italienischen FIAT-Konzerns, der 1998 das Berliner Unternehmen Orenstein & Koppel übernahm. Nun soll die Bagger-Produktion nach Italien verlagert werden. Am 23. November  gab CNH die Schließung des Produktionsstandortes und die Vernichtung von ca. 500 Arbeitsplätzen bekannt. Dass das Werk in Berlin-Spandau erst 1989 mit Subventionen neu gebaut wurde und Gewinne schreibt, interessiert dabei nicht.

CNH ist Teil des italienischen FIAT-Konzerns, der 1998 das Berliner Unternehmen Orenstein & Koppel übernahm. Nun soll die Bagger-Produktion nach Italien verlagert werden.

Am 23. November  gab CNH die Schließung des Produktionsstandortes und die Vernichtung von ca. 500 Arbeitsplätzen bekannt. Dass das Werk in Berlin-Spandau erst 1989 mit Subventionen neu gebaut wurde und Gewinne schreibt, interessiert dabei nicht. Auf Kosten der ArbeiterInnen kann der Profit sicher noch gesteigert werden. Im November kämpften in Berlin die Beschäftigten von Samsung und JVC noch um ihre Arbeitsplätze. Beide Unternehmen haben mit­lerweile ihre Werke geschlossen – ohne dass es zu Streiks kam. Bei CNH ist die IGM einen Schritt weiter gegangen. Die Urabstimmung ergab 92% für den Streik. Am 21. Februar war es dann soweit.
Nur Managementfehler?
Es gab immer wieder Aktionen ­in der Öffentlichkeit – Autokorso, Menschenkette, Besuch der Baumaschinenmesse in Paris – die meiste Zeit verbrachten die Streikenden vor den Werkstoren oder im Streikzelt.
Dort sprachen auf den täglichen Versammlungen immer wieder Prominente aus der Politik: Gysi und Lafontaine von der Linksparteifraktion, der Bürgermeister Wowereit und andere SPD-Größen, auch der CDU-Spitzenkandidat zu den Berliner Wahlen. Und alle hatten eine einfache Botschaft: Das Management ist Schuld! Auch von Gewerkschaftsseite wurde viel auf die Manager und deren „italienische Mentalität“ geschimpft. Und so setzte die Verhandlungsgruppe um den IGM-Bezirksleiter Höbel, Stadtteilsekretär Sergio und den Betriebsratsvorsitzenden bis zuletzt auf alternative Konzepte, um CNH oder einem anderen Investor die Fortsetzung der Produktion schmackhaft zu machen. Als „Unternehmensberater“ boten sie schon mal Arbeitsplatzabbau und Lohnverzicht an. In Wahrheit setzte die Konzernspitze knallhart ihre Interessen durch. Es steckt nichts anderes als kapitalistische Profitlogik dahinter, wenn Menschen nach jahrelanger Arbeit einfach rausgeschmissen werden.
Breite Kampffront nötig
Um die Arbeitsplätze zu retten, musste der Konzern besiegt werden. Als einzelne und kleine Belegschaft ist dies nicht einfach. Der Streik hätte jedoch als Hebel für breite Kämpfe genutzt werden können, denn quer durch alle Branchen gab es genug Gründe zur Gegenwehr. Seit Anfang des Jahres steht erneut die Schließung des Spandauer Werkes von Bosch-Siemens-Hausgeräte auf der Tagesordnung. Seit Jahren herrscht am Universitätsklinikum Charité ein tarifloser Zustand.  Auch die Metall-Tarifrunde hätte eine Gelegenheit sein können. So haben sich die Streikenden von CNH an Warnstreiks anderer Metallbetriebe beteiligt. Als die Werksleitung mehrmals versuchte, Bagger abzutransportieren, konnte dies gemeinsam mit KollegInnen von Osram und Siemens verhindert werden. Fast täglich erschienen auf den Streikversammlungen Betriebsrats-Delegationen aus der gesamten Republik, um sich solidarisch zu erklären. Selbst Gewerkschaftsbürokraten wie Peters und Huber gaben sich verbal radikal. Doch weiter ging es nicht. Es fehlte ein entschiedenes Zusammenführen der Kämpfe, so dass sie sich gegenseitig verstärken und endlich den fortgesetzten Angriffen gemeinsam etwas entgegen setzen. Durch eine solche Perspektive hätte der Streik eine andere Dynamik gewinnen können. Doch der Gewerkschaftsapparat war dazu nicht willens oder in der Lage.
Unter der Kontrolle des IGM-Apparates
Und so hatte die IGM auch keine Antwort darauf, dass das Management Verhandlungen verzögerte und Zusagen nicht einhielt. Sie akzeptierte auch, dass die Gespräche weit weg von den Streikenden auf dem Berliner Flughafen oder in Frankfurt stattfanden. Für die Streikenden war dies eine monatelange Kraftprobe, die sie mit viel Witz und teils illegalen Aktionen gemeistert haben. Dennoch: Als Streikleiter Sergio am 2. Juni das Verhandlungsergebnis bekannt gab, waren viele erleichtert. Richtig zufrieden sind mit dem Ergebnis jedoch nur wenige. 333 KollegInnen werden ihre Arbeit verlieren. Als Abfindung werden 1,4 Monatslöhne pro Beschäftigungsjahr gezahlt. Viele Details sind noch ungeklärt. So können bei Nicht-Erreichen bestimmter Stückzahlen die Abfindungen gekürzt werden. Nur, die Zahlen stehen noch gar nicht fest. Der ERA-Fonds zur Angleichung der Arbeiter- und Angestelltenlöhne soll aufgelöst werden. Die Beschäftigten von CNH, deren Lohnerhöhungen in den vergangen Jahren zum Teil in diesen Fonds flossen, werden von dem Geld nichts sehen.

Die IGM war sich ihrer Sache dennoch sicher. Sie hatte den Arbeitskampf fest in ihrer Hand. Die Streikenden durften zwar Vorschläge für Aktionen machen. Aber von den Verhandlungen und Überlegungen zur Streiktaktik waren sie ausgeschlossen. Als Sergio das Ergebnis mit den Worten, es sei nichts besseres herauszuholen, verkündete, konnten ihm die Streikenden letztlich nur glauben – oder nicht. 71,4 % stimmten mit Ja. Am 8. Juni nahmen sie die Arbeit wieder auf.

Der Streik hat dennoch gezeigt, dass auch heute Widerstand gegen große Konzerne möglich ist. Aber die Gewerkschaftsführungen setzen auf isolierte Kämpfe. Und so können die Unternehmen und ihr Staat eine Belegschaft nach der anderen angreifen und billig davonkommen.

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