Am 15. Januar wird in Berlin wieder Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts öffentlich gedacht. Liebknecht und Luxemburg waren am 15. Januar 1919 in Berlin von Freikorpssoldaten brutal ermordet worden. Rosa Luxemburg bekämpfte den sich um die Jahrhundertwende in der SPD breit machenden Revisionismus, der die marxistische Orientierung der Partei revidiert wissen wollte: Krisen würden – so Eduard Bernstein, der wichtigste Revisionist – immer unwahrscheinlicher und kaum noch ausbrechen.
Die künftige weitere Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise werde sich ohne Katastrophen und im langsamen Aufwärtsgang vollziehen, was die Demokratisierung der politischen Verhältnisse und die stetige Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse ermögliche. Eine revolutionäre Eroberung der Macht zur Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft sei nicht mehr nötig.
Rosa Luxemburg widerlegt in ihrer Schrift Sozialreform oder Revolution (1900) nicht nur die optimistischen Prognosen der Revisionisten – sehr bald tat das auch die deutsche und europäische Wirklichkeit –; sie kritisiert auch scharf die reformistische Politik der Revisionisten: “Es blieb Bernstein vorbehalten, den Hühnerstall des bürgerlichen Parlamentarismus für das berufene Organ zu halten, wodurch die gewaltigste weltgeschichtliche Umwälzung: die Überführung der Gesellschaft aus den kapitalistischen in sozialistische Formen vollzogen werden soll.”
Gegen die Gefahr der Anpassung der Arbeiterbewegung an den kapitalistischen Status quo entwirft Rosa Luxemburg in der “Massenstreik-Debatte” eine Strategie zur Mobilisierung und Aktivierung der Massen: den politischen Massenstreik als das wesentliche Mittel zur Erziehung und Vorbereitung der Massen auf die kommenden revolutionären Zusammenstöße. Mensch muss – so Rosa Luxemburg – mit der alltäglichen Praxis Schluss machen, die sich auf Wahlkämpfe, ökonomische Streiks und auf abstrakte Propaganda “für den Sozialismus” beschränkt.
Rosa Luxemburgs scharfe Kritik an Revisionismus und Reformismus hinderte die SPD allerdings nicht, zunehmend revisionistischer und reformistischer zu werden. Das zeigte sich spätestens am 4. August 1914, als die SPD im Reichstag ihre Zustimmung zu den Kriegskrediten gab.
Zum Ersten Weltkrieg
1916 schreibt die seit 1915 inhaftierte Rosa Luxemburg in Die Krise der Sozialdemokratie:
“Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt – als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit –, so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt. Mitten in diesem Hexensabbat vollzog sich eine weltgeschichtliche Katastrophe: die Kapitulation der internationalen Sozialdemokratie.”
Die SPD-Reformisten, die Rosa Luxemburg in der Massenstreik-Debatte vorgeworfen hatten, sie riskiere durch ihre ‚abenteuerliche Taktik‘, dass das Blut von Arbeitern vergossen werde, ließen nach dem 4.August 1914 das Blut von Millionen Arbeitern vergießen – allerdings nicht für die Sache der Arbeiter, sondern für die ihrer Ausbeuter. Das veranlasst Rosa Luxemburg zu ihrem berühmten Ausspruch: “Die Sozialdemokratie ist nur noch ein stinkender Leichnam.”
Zur Russischen Revolution von 1917
Die Bolschewiki haben sich – so Rosa Luxemburg über die russische Oktoberrevolution – “das unvergängliche geschichtliche Verdienst erworben, zum erstenmal die Endziele des Sozialismus als unmittelbares Programm der praktischen Politik zu proklamieren.”
Aber sie spart nicht mit Kritik, z.B. schreibt sie folgende – prophetische – Warnung: “Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie das allein tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im rein bürgerlichen Sinne…”
Spartakusbund und KPD
1916 ist Rosa Luxemburg Mitbegründerin des Spartakusbunds und schreibt dessen Programm Was will der Spartakusbund?: “Aus all dieser blutigen Wirrsal und diesem gähnenden Abgrund gibt es keine Hilfe, keinen Ausweg, keine Rettung als im Sozialismus. Nur die Weltrevolution des Proletariats kann in dieses Chaos Ordnung bringen, kann allen Arbeit und Brot verschaffen, kann der gegenseitigen Zerfleischung der Völker ein Ende machen, kann der geschundenen Menschheit Frieden, Freiheit, wahre Kultur bringen. Nieder mit dem Lohnsystem! Das ist die Losung der Stunde…. Sozialismus ist in dieser Stunde der einzige Rettungsanker der Menschheit. Über den zusammensinkenden Mauern der kapitalistischen Gesellschaft lodern wie ein feuriges Menetekel die Worte des ‚Kommunistischen Manifestes‘: Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!”
Und am 31.12.1918 erklärt Rosa Luxemburg in ihrer Rede auf dem Gründungsparteitag der KPD: “Für uns gibt es jetzt kein Minimal- und kein Maximalprogramm; eines und dasselbe ist der Sozialismus; das ist das Minimum, das wir heutzutage durchzusetzen haben.”
Rosa Luxemburgs letzter Artikel
Im Januar 1919 wurde der “Spartakus-Aufstand” niedergeschlagen, daraufhin tobte der weiße Terror. Einen Tag vor ihrer Ermordung analysiert Rosa Luxemburg die Gründe für die Niederlage des „Spartakus-Aufstandes” und beendet ihren Artikel mit den Worten: “Ihr stumpfen Schergen! Eure ‚Ordnung‘ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ‚rasselnd wieder in die Höh‘ richten‘ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!”