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Betrieb & Gewerkschaft

Freudenberg-Beschäftigte demonstrieren gegen Entlassungen

Von Korrespondent Weinheim | 01.06.2009

Ca. 800 Beschäftigte verschiedener Freudenbergbetriebe aus Weinheim und ganz Deutschland, sowie Kolleginnen und Kollegen aus Freudenbergwerken in Frankreich und Holland, haben am 15.5.2009, anlässlich der Bilanzpressekonferenz des Freudenbergkonzerns, mit einem Protestmarsch durch Weinheim gemeinsam gegen geplante Entlassungen im Freudenbergkonzern demonstriert.

Ca. 800 Beschäftigte verschiedener Freudenbergbetriebe aus Weinheim und ganz Deutschland, sowie Kolleginnen und Kollegen aus Freudenbergwerken in Frankreich und Holland, haben am 15.5.2009, anlässlich der Bilanzpressekonferenz des Freudenbergkonzerns, mit einem Protestmarsch durch Weinheim gemeinsam gegen geplante Entlassungen im Freudenbergkonzern demonstriert.

Hintergrund: Schon seit einigen Monaten ist die Krise auch beim Freudenbergkonzern mit Hauptsitz in Weinheim (ca. 5 000 Beschäftigte in Weinheim) angekommen. Der Auftragseinbruch bei der Autoindustrie schlägt beim Zulieferer Freudenberg voll durch. Dies drückt sich seit Anfang des Jahres in einer hohen Kurzarbeitsquote besonders im Bereich Dichtungs- und Schwingungstechnik (FDS) aus. Allein bei FDS Europa sind im 1. Quartal ca. 1 300 Beschäftigte mit Zeitarbeitsverträgen und Leiharbeiter/innen, aber auch Stammbelegschaft abgebaut worden. Selbst ganze Werke, z. B. in Tschechien und Spanien, wurden zwischenzeitlich dicht gemacht. Weitere Entlassungen sind in Colmar (Frankreich) und in Holland geplant. Das Werk in Kerkrade (Holland) soll ebenfalls geschlossen werden.

Vor ca. drei Wochen wurden die Betriebsratsgremien verschiedener Betriebe der Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik, Vibracoustic, Anlagen- und Werkzeugbau in Weinheim, aber auch verschiedener anderer Werke in Europa, von den jeweiligen Geschäftsleitungen über einen geplanten drastischen Personalabbau informiert. Nach heutigem Stand sollen in den deutschen Werken ca. 550 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Davon allein in Weinheim ca. 380. Beim Anlagen- und Werkzeugbau und bei Vibracoustic wollen die Geschäftsleitungen sogar zusätzlich zum Personalabbau das Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen und die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf bis zu 32 Stunden verkürzen.

Nach jahrelangem schleichendem Personalabbau (in Weinheim waren Anfang der 70er Jahre noch ca. 14 000 Menschen beschäftigt) wollen die Beschäftigten nun nicht mehr widerspruchslos den personellen Niedergang des Standorts akzeptieren. Immerhin haben sie gemeinsam vor ca. zwei Jahren den Verkauf des Bodenbelagsherstellers Freudenberg Bausysteme an einen Konkurrenten erfolgreich, durch eine allseitige Werksblockade verhindert. Diese Erfahrung ist nach wie vor lebendig und gibt Selbstvertrauen.
Kämpferische Stimmung
Die Stimmung bei der Demo war deshalb sehr kämpferisch. Die auswärtigen Delegationen aus von Kündigung betroffenen Freudenbergbetrieben waren am Treffpunkt Tor 2 des Weinheimer Stammwerkes begeistert empfangen worden. Viele Fahnen der Gewerkschaft IG BCE und Transparente wurden mitgetragen. Unter dem Motto: „Arbeitsplatzsicherung kennt keine Grenzen!“ und „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ setzte sich der Demozug zunächst über das gesamte Werksgelände und dann in Richtung Innenstadt zum Marktplatz in Bewegung.

Ursprünglich war ein „Besuch“ der Beschäftigten bei der Bilanzpressekonferenz der Konzernspitze geplant, die an diesem Tage im „Hermannshof“ in Weinheim stattfinden sollte, um die ehrenwerten Herrschaften in Anwesenheit der überregionalen Presse über die Ansichten der Belegschaften zu informieren. Leider hatte die Konzernleitung Wind von der Aktion bekommen und war abgehauen, sodass sich der Besuch des „Hermannshof“ erübrigte. Wie sich später herausstellte, wurde die Pressekonferenz wg. der Belegschaftsaktion kurzfristig nach Mannheim, bzw. den Airport Frankfurt verlegt. Der Konzernleitung passte es nicht ins Konzept bei der Bilanzpressekonferenz einerseits den für das Jahr 2008 ausgewiesenen Gewinn in Höhe von 176 Millionen Euro bekannt zu geben, immerhin der vierthöchste seit Bestehen der Firma, und gleichzeitig von den Belegschaften mit dem geplanten Personalabbau konfrontiert zu werden.

Der Konzernbetriebsratsvorsitzende B. Egner und H. Schmitt, Vorsitzender der Ortsgruppe Weinheim der IG BCE, kritisierten dieses Verhalten auf der Kundgebung am Weinheimer Marktplatz als inakzeptabel. Dies zeige die eigentliche Wertschätzung, die den „lieben Mitarbeitern“ entgegengebracht wird. Nachdem die Beschäftigten über viele Jahre die guten Ergebnisse überhaupt erst möglich gemacht hätten, sollen sie nun abserviert werden. Die Konzernspitze sei noch nicht einmal bereit, der Belegschaft gegenüberzutreten.

Die Tatsache, dass der Konzern Freudenberg nach Einschätzung von Konzernsprecher Dr. Peter Bettermann nach wie vor äußerst liquide ist und mit einer Eigenkapitalquote von 47 % einen Traumwert ausweist, zeige, dass Geld genug da ist, um die Beschäftigten weiter zu beschäftigen.

B. Egner und H. Schmitt fordern von Freudenberg, dass die vorhandenen Gelder zu allererst in die Erhaltung der Arbeitsplätze investiert werden. Die Arbeit dürfe nicht der Profitsteigerung dienen, sondern den Menschen und der gesamten Gesellschaft.
Die gerechte Verteilung der Arbeit auf alle durch entsprechende Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich sei deshalb das Gebot der Stunde. Das gelte gerade auch für die aktuell laufenden Haustarifverhandlungen in verschiedenen Freudenberggesellschaften.

Bis zur Umsetzung dieser Forderung müssten die Möglichkeiten der Kurzarbeit weiter genutzt werden, um Entlassungen zu verhindern.

Wenn die Entlassungspläne nicht zurückgenommen würden, dann sei dies erst der Auftakt für weitere Aktionen gewesen.
Nach der Kundgebung marschierte der Demozug geschlossen wieder zurück zum Ausgangspunkt, um die auswärtigen Teilnehmer zu verabschieden.

Resümee dieser Belegschaftsaktion: Die Konzernleitung Freudenberg hat registrieren müssen, dass die Belegschaften und der Konzernbetriebsrat sowie die örtliche IG BCE es jedenfalls nicht widerstandslos hinnehmen werden, dass sich der Konzern mit Entlassungen schadlos halten will, und, dass die Kosten und die Lasten der Krise nun auf die Beschäftigten abgewälzt werden, einer Krise, die sie nicht zu verantworten haben.

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