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Innenpolitik

Zur sozialistischen Kapitalismuskritik

Von D. Berger | 01.07.2005

Im Gegensatz zu den Sonntagsreden der ReformistInnen aber auch im Gegensatz zu den SalonbolschewistInnen ist für revolutionäre MarxistInnen die Kritik des Kapitalismus grundsätzlich eine Einheit von Theorie und Praxis. Was wir am Kapitalismus kritisieren muss sich in unsrer täglichen Praxis widerspiegeln.

1. Eine schlüssige Kapitalismuskritik ??muss ausgehen vom Grundwider-??spruch in der Gesellschaft, also vom unversöhnlichen Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital. Hier kann es keinen Ausgleich und keine Harmonie geben, weil die Interessen dieser beiden Hauptklassen in der kapitalistischen Gesellschaft entgegengesetzt sind. Spätestens seit der Marx"schen Analyse des Kapitals ist dies zweifelsfrei nachgewiesen und die Geschichte des Kapitalismus belegt dies unaufhörlich, nicht erst seitdem die Ankündigung von Massenentlassungen die Aktienkurse hochtreibt.
2. Der Systemcharakter des Kapitalismus wirkt deswegen so verheerend auf alle Lebensbereiche – also auch außerhalb des Betriebes – weil die Triebfeder Konkurrenz das alles beherrschende Ordnungsprinzip dieser Gesellschaft ist. Dies hat zwangsläufig zur Folge,
– dass nicht nach den Bedürfnissen der Menschen produziert und verteilt wird, sondern so, dass die Profite der Produktionsmittelbesitzer gewahrt und nach Möglichkeit gemehrt wer- den. Damit entsteht trotz der gewalti- gen technischen Möglichkeiten, die es heute gibt, Unterversorgung und Elend;
– dass dabei gesamtgesellschaftliche Kosten unterschlagen bzw. der Gemeinschaft aufgebürdet werden (etwa mit der Zerstörung der Umwelt);
– dass dabei auch grenzüberschreitende Herrschaftsansprüche des Kapitals oder bestimmter Kapitalfraktionen zur Geltung kommen und Kriege die Folge sind:
– dass die Unterdrückung der Frauen aufrechterhalten wird, weil mit der unentgeltlichen Hausarbeit die Reproduktion der Ware Arbeitskraft verbilligt wird und weil mit dem "Frauenabschlag" bei den Löhnen und Gehältern ein für das Kapital sehr nützliches Verbilligungs- aber auch Spaltungsinstrument gewahrt bleibt;
– dass alle möglichen Lebensbereiche – von der Gesundheitspolitik über die Medien bis zum Sport – vom Renta- bilitäts- und Verwertungsprinzip durchdrungen sind.
3. Zur Absicherung der Kapitalherrschaft wird grundsätzlich ein repressiver Apparat (vom Verfassungsschutz über die Bereitschaftspolizei bis zur Armee) aufrechterhalten. Dieser Apparat stellt sicher, dass notfalls "irrtümliche" Entscheidungen eines bürgerlichen Parlaments in keinem Fall zu einer Beeinträchtigung der kapitalistischen Produktionsweise und des bürgerlichen Ordnungsprinzips (also der Konkurrenz) führt. Zur Kritik des Kapitalismus gehören in jedem Fall die radikale Kritik der Waffen und ein konsequenter antimilitaristischer Kampf.
4. Eine Kritik des Kapitalismus muss zwangsläufig auch konkret sein und den realen Gegner benennen. Das Kapital ist zwar ein abstrakter Begriff, aber wenn es darum geht, die Bereicherung auf Kosten der Armen und Bedürftigen anzuprangern, muss mensch auch bereit sein, Ross und Reiter zu nennen, also die Gewinner-Innen im real existierenden Kapitalismus mit Namen zu nennen. Schließlich muss unmissverständlich klar gemacht werden: Wer den Armen geben will, muss den Reichen wegnehmen.
5. Eine glaubhafte Kapitalismuskritik ist daran gebunden, dass sie eine Vorstellung von einer anderen Gesellschaft vermittelt. Ein anderes Zusammenleben ist möglich (vgl. dazu B. Brosius zur "bedürfnisorientierten Ökonomie" in die internationale theorie, Nr. 29 oder zum Urkommunismus in Inprekorr Nr. 400/401, März/April 2005). Der Mensch ist nicht zwangsläufig ein "Konkurrenzwesen". Ein anderes Ordnungsprinzip der Ökonomie ist sehr wohl möglich. Ein anderes Gesellschaftsmodell ist gerade auf der Grundlage der seit Marx gewaltig gestiegenen technischen Möglichkeiten um vieles leichter zu bewerkstelligen als dies noch vor zwei, drei Generationen der Fall war. Eine Kapitalismuskritik ist vor allem dann schlüssig, wenn sie mit der Vermittlung einigermaßen greifbarer Vorstellungen einer alternativen, einer sozialistischen Gesellschaftsordnung verknüpft ist. Diese Vorstellung muss allerdings auch eine klare und einleuchtende Abgrenzung zum Stalinismus und zum so genannten "real existierenden Kapitalismus" vornehmen.
Glaubwürdig schließlich ist die Kapitalismuskritik vor allem dann, wenn sie Teil eines realen antikapitalistischen Kampfes ist. Dazu braucht es wie wir meinen ein Übergangsprogramm, also ein Programm, das an den Tagesfragen und Tagesforderungen anknüpft, gleichzeitig aber mit den eigenen Vorschlägen dem Kampf eine weiterreichende Perspektive zu weisen versucht.
Dieser Kampf ist naturgemäß nicht als Individuum zu führen. Er erfordert zunächst ein Zusammentragen all der unterschiedlichen Problemlagen im Land (und darüber hinaus), eine gemeinsame Erarbeitung eines jeweils aktuellen Kampfprogramms wie auch einen gemeinsamen, möglichst machtvollen Einsatz für ein solches Kampfprogramm.

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