Zur erfolgreichen 6. Gewerkschaftskonferenz der RLS

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„Gegenmacht im Gegenwind“

Zur erfolgreichen 6. Gewerkschaftskonferenz der RLS

Von Michael Sankari | 06.05.2025

Vom 2. bis 4. Mai 2025 hat in Berlin die 6. Gewerkschaftskonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung stattgefunden. Mit über 3000 Teilnehmenden war sie die größte Zusammenkunft linker Gewerkschafter:innen seit Jahrzehnten – ein eindrucksvolles Zeichen für den Versuch, Gegenmacht in zunehmend rauem Gegenwind zu organisieren. Der Andrang war so groß, dass die Räume aus allen Nähten platzten – ein organisatorisches Problem, das von den meisten Anwesenden jedoch mit Geduld und guter Laune aufgenommen wurde. Trotz der lebendigen Stimmung war allen klar: Härtere Zeiten stehen bevor – nicht nur durch die neue Regierung.

Mehr als ein Klassentreffen

Diese Konferenz war mehr als ein gewerkschaftliches Klassentreffen. Sie war ein politisches Signal: Die Basis lebt, organisiert sich – und stellt Fragen, die über Tarifverträge und -kämpfe hinausweisen. Sie strahlte über die klassische Klientel der Die Linke hinaus und zog viele gewerkschaftlich Aktive an – ob parteinah oder nicht, ob organisiert oder nicht.

Noch sichtbarer als bei früheren Konferenzen waren betrieblich Aktive und Kämpfe von migrantisch geprägten Teilen der Gewerkschaftsbewegung. Die Bühne gehörte diesmal nicht nur prominenten Vertreter:innen aus Vorständen und Funktionärskreisen, sondern insbesondere Kolleg:innen aus betrieblichen Auseinandersetzungen – von Tesla, Charité Facility Management (CFM), aus dem Einzelhandel und anderen.

Zwischen Hoffnung und Sorge

Die Atmosphäre war elektrisierend, fast euphorisch – eine Mischung aus Hoffnung, Aufbruch und Kampfgeist – und gleichzeitig ernster und nachdenklicher als sonst, unserer Zeit angemessen. Immer wieder brandete Applaus auf, Sprechchöre, Gesang und sogar Tränen begleiteten insbesondere kämpferische Redebeiträge. Die Sehnsucht nach Respekt und Würde war spürbar – in einer Zeit, in der Demütigungen und Zumutungen gegenüber Arbeiter:innen zum gesellschaftlichen Dauerzustand geworden sind.

Am Rande wurde – wie immer – überspitzt und kritisiert. Einige sektiererische Gruppen fielen unangenehm auf: Ihre „Kritik“ an der Partei Die Linke – etwa die Behauptung, „nur die AfD sei noch Friedenspartei“ – stieß bei vielen auf Unverständnis. Eine Zuspitzung, die nicht nur analytisch schief hängt, sondern in ihrer Wirkung gefährlich sein kann. Klar wurde: Antimilitaristischer Kampf braucht eine andere Grundlage – eine verbindende, keine spaltende.

Und genau das bot die Konferenz, auch in dieser Frage: keine Angst vor Solidaritätsbekundungen mit Palästina und der Solidaritätsbewegung in Deutschland. Im Gegenteil – es blieb unbestritten, dass dies heute der am weitesten entwickelte Ausdruck internationaler Solidarität innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ist.

Die Rolle der Apparate, deren linker Flügel diese Konferenz durchaus mitprägt, wäre wiederum immer einer kritischeren Betrachtung wert. Denn gerade dieser Teil der Gewerkschaftsbürokratie betrachtet jede Regung zur Transformation gewerkschaftlicher Strukturen – nicht immer im offenen Widerspruch, aber doch mit grundsätzlicher Skepsis.Ausrichtung & Zielsetzung

Die Konferenz stand unter dem Motto „konfliktorientierter, demokratischer, politischer werden“ – und genau diese Linie durchzog viele Diskussionen. Ein zentrales Thema war dabei: Reicht das bisherige Format solcher Konferenzen aus, um eine tiefgreifende gewerkschaftliche Politisierung zu befördern?

Klar wurde: Es macht einen Unterschied, wie organisiert wird – nicht nur dass. Organizing-Methoden, die sich allein auf betriebliche Tarifkämpfe beschränken, werden nicht ausreichen. Es braucht eine strategische Verbindung von Alltagsarbeit im Betrieb und gesellschaftlicher Politisierung – ohne Stellvertreterpolitik, ohne reine Eventkultur.

In diesem Zusammenhang wurde der Begriff „Kleinarbeit“ zum Schlagwort. Kleinarbeit – das ist der Moment, wo Propaganda aufhört und Organisierung beginnt. Die Hinwendung zu „den vielen“ statt Konzentration auf vermeintlich „fortschrittliche“ Milieus. Die unaufgeregte, aber dauerhafte Entwicklung von Konflikten. Nicht laut, nicht öffentlichkeitswirksam – aber zentral für jede reale Bewegung. Es lohnt, diesen Faden gesondert weiterzudenken.

Praxis trifft Theorie: Räume für strategisches Lernen

Ein gelungenes Beispiel für politische Bildung und praktische Orientierung war der Workshop mit Keith Brown von Labor Notes (USA), moderiert von Violetta Bock. Mit über 200 Teilnehmenden gehörte er zu den bestbesuchten Veranstaltungen der Konferenz.

Die Mischung stimmte: Einblicke in die Praxis des US-Organizing, Erfahrungsberichte aus den Kämpfen gegen Trump und Union Busting – und zugleich konkrete Werkzeuge, wie Organizing am eigenen Arbeitsplatz aussehen kann. Viele gingen aus dem Workshop mit dem Gefühl: Ich kann direkt morgen anfangen.

Dass mittlerweile selbst die IGBCE Organizing entdeckt hat, um Belegschaften zu neuer Stärke zu führen, zeigt, wie stark diese Ansätze inzwischen ins Zentrum gewerkschaftlicher Erneuerung rücken.

Kein Frieden mit der Aufrüstung

Beim Abschlussplenum folgte ein deutliches Statement gegen Aufrüstung und Kriegsindustrie – verbunden mit dem Appell, sich auf den kommenden Gewerkschaftstagen gegen die integrationswillige Linie der Führung zu formieren. Dieser Kampf ist offen – noch ist unklar, wie viele Kolleg:innen sich ihm stellen werden. Aber der Ruf ist gesetzt.

Fanny Zeise, eine Mitorganisatorin der Konferenz, benannte drei Säulen der gewerkschaftlichen Erneuerung: „Konfliktbereiter, demokratischer und politischer – das ist es, was der Gegenwind des immer weiter fortschreitenden Neoliberalismus von uns erfordert“. Die künftige Bundesregierung gebe keine Antwort auf die aktuellen Probleme, sagte Fanny in ihrer Rede am Samstagabend. Im Gegenteil greife sie den vor 100 Jahren erkämpften Acht-Stunden-Tag an. Es gelte, dagegen im Bündnis mit der Bevölkerung und vor allem mit streikwilligen Belegschaften Druck aufzubauen.

Mehr als Mutmachen: ein strategischer Moment

Die 6. Gewerkschaftskonferenz war mehr als ein Mutmach-Event. Sie war ein Ankerpunkt – vielleicht sogar ein Wendepunkt – für eine Bewegung, die nicht stehen bleibt, sondern Konfliktfähigkeit, politische Klarheit und verbindende Organisierung zusammendenken will. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat damit nicht nur einen Raum bereitgestellt, sondern – hoffentlich – eine dauerhafte Struktur gestärkt, auf die sich linke Gewerkschafter:innen in Zukunft verlassen können.

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