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Progress-News: Eine Zeitung verblendet den gesellschaftlichen Zusammenhang

Zitat des Artikels aus der Progress News: McDonald’s tötet!

Von Progress News | 11.12.2005

Wir geben an dieser Stelle zum besseren Verständnis unserer Kritik an diesem Text den Artikel vollständig wieder.

Wer kennt sie nicht diese Sprüche gegen „multinationale Konzerne“ oder im Zweifelfalle gleich gegen den imaginierten Hauptfeind des Weltfriedens: die Vereinigten Staat von Amerika.

Derartige Parolen resultieren aus einem Verständnis der Welt, welches auf einer Einteilung der Welt der kapitalistischen Warenproduktion in Gut und Böse, in TäterInnen und Opfer aufbaut.

Die unpersönlichen Verhältnisse des Kapitalismus werden zu persönlichen umgekehrt. Die Urheberschaft für das, was sich an Negativem aus diesem Wirtschaftssystem ergibt, wird Einzelnen angelastet. Die Schuldfrage scheint also geklärt zu sein, nicht der Kapitalismus als großes Ganzes soll abgeschafft werden, sondern nur seine modernen Ausläufer. Also jene multinationalen Konzerne auf die in der Überschrift angespielt wird. Das führt dann stellenweise auch soweit, dass der Staat angerufen wird, als Beschützer vor den „global players“. Aber gerade der Staat kann und will diesen Dienst nicht leisten, was bei Betrachtung der Abhängigkeiten zwischen Staat und dem kapitalistischen Wirtschaftssystem schnell klar wird.

Und weder der Staat noch Aktionäre oder multinationale Konzerne sind dafür verantwortlich, dass die Welt in diesem elenden Zustand gerät und darin verbleibt. Denn keineswegs beharrt Chef XY eines weltweit agierenden Konzerns darauf, dass für seine Produktion Trinkwasser vergiftet und Kinderarbeit verricht wird.

Es ist also nicht möglich, bestimmt Gruppen oder gar Einzelpersonen zur Verantwortung zu ziehen. Die Suche nach den Urhebern endet meist irgendwo beim „Spekulantenschwein“, dem „international operierenden Finanzkapital“, dem „imperialistischen Amerika“ oder gleich in offener und direkter Form beim sogenannten „Weltjudentum“. Dass diese Projektionsflächen austauschbar sind, fällt den selbsternannten „OpfervertreterInnen“ nicht auf. Doch gerade weil die Projektionsfläche austauschbar sind steckt hinter dem sogenannten strukturellen Antisemitismus die gleiche Ideologie, nur unter leicht variierten Vorzeichen.

E ist z.B. nur ein sehr kleiner Schritt zwischen der Verbrennung der US-amerikanischen Flagge sowie der Darstellung des amerikanischen Präsidenten als Satan mit blutendem Mund und dem Bild des übel raffgierigen Juden der das Schicksal der Welt aus dem Hintergrund bestimmt. Das ersteres bei den Anti-Bush-Demonstrationen und einem Großteil der Antikriegsaktionen und letzteres in Nazi-Deutschland beliebt war, fällt da offenbar kaum noch ins Auge.

Die hier aufgestellten Personifikationen des Bösen, auch struktureller Antisemitismus genannt, funktionieren jedoch nur unter einer totaler Verkennung der realen Verhältnisse, denn der Kapitalismus ist eben kein direktes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen. Im Gegenteil – er funktioniert über die totale Vergesellschaftung, denn alle ob als Produzenten oder Konsumenten nehmen daran teil, egal ob sie Produkte bei dem „Eine Welt Laden“ oder bei „McDonald’s“ kaufen. Es sind also alle im gleichen Maße verantwortlich oder eben nicht verantwortlich für die negativen Auswirkungen, die sich ergeben aus der Produktion von Konsumgütern.

Dies sollte aber kein Ansporn sein sich von den Versprechungen des Kapitalismus (Glück, Individualität, Wunschbefriedigung, ständige Modernisierung) zu distanzieren, um in völliger Enthaltsamkeit sein Leben zu fristen; die Erfüllung dieser Versprechen ist radikal einzufordern und zwar für alle Menschen. Denn erst aus der prinzipiellen Unfähigkeit des Kapitalismus, diese einzulösen, ergibt sich eine Notwendigkeit, ihn zu überwinden.

Quelle:

McDonald’s tötet!, in: Progress News. Zeitschrift gegen den gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang, 02.  Ausg. (Dezember 2002) S. 08-09.

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