Während der internationale Druck zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zunimmt, skizzieren die Jugendlichen der Generation Z und die Arbeitenden, wie das Land in Zukunft aussehen könnte.
In Madagaskar hat sich [am 12. Oktober] eine neue Staatsmacht etabliert, mit Oberst Michel Randrianirina an der Spitze, dem Leiter des für die Logistik der Armee zuständigen CAPSAT (Corps d’Armée des Personnels et des Services Administratifs et Techniques). Diese Einheit hatte sich nach zwei Wochen exemplarischer Kämpfe der madagassischen Jugend, die sich „Gen Z“ nennt, auf die Seite der Demonstrant:innen gestellt.
Druck und Drohungen
Diese Machtübernahme ist von Andry Rajoelina, dem nun ehemaligen Präsidenten, sofort als Staatsstreich verurteilt worden. Es sei daran erinnert, dass er selbst 2009 unter ähnlichen Umständen an die Macht gekommen war und damals erklärte: „Die Macht gehört dem Volk, es ist das Volk, das die Macht gibt und die Macht zurücknimmt.“
Sämtliche Verfechter:innen der bestehenden Ordnung fordern nun lautstark die „Achtung der verfassungsmäßigen Ordnung“. Macron steht dem in nichts nach: Er warnt vor ausländischen Einmischungen auf der Großen Insel, obwohl er selbst die Ausreise von Rajoelina organisiert hat, um ihn vor einer möglichen Strafverfolgung in seinem Land zu bewahren.
Die Afrikanische Union (AU) vertritt dieselbe Haltung zur Einhaltung der Verfassung. Sie bietet Rajoelina Handlungsspielraum, indem sie den Weg für wirtschaftlichen Druck auf die neuen Machthaber des Landes ebnet. Es droht die Aussetzung der Hilfe, die auf etwa 700 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt wird, solange die verfassungsmäßige Ordnung nicht wiederhergestellt ist. Diese AU verbringt ansonsten ihre Zeit damit, die Wahlfarcen auf dem Kontinent zu billigen.
Den Neuaufbau gestalten
Eine weitere große Herausforderung ist die Gefahr einer Vereinnahmung der Revolution. Bei der Kundgebung auf dem Place du 13 Mai in der Hauptstadt Antananarivo, die zu Ehren der Opfer der Unterdrückung und zur Feier des Sieges organisiert wurde, haben Armeeoffiziere, Politiker und Priester vergeblich versucht, die Jugendlichen in den Hintergrund zu drängen.
Der weit verbreitete Wunsch nach einem radikalen Bruch mit der alten politischen Ordnung ist jedoch nach wie vor lebendig. Es gibt bereits ein „Bürgermanifest für eine neue ausgewogene Regierungsführung in Madagaskar“, und es sind Versammlungen geplant, auf denen über einen „Systemwechsel“ diskutiert werden soll.
Diese Aufbruchstimmung ist auch bei den Beschäftigten zu beobachten. Bei der Fluggesellschaft Madagascar Airlines beispielsweise hat die Gewerkschaft ein Ultimatum gestellt und den Rücktritt des Generaldirektors, eines ehemaligen Managers von Air France, sowie aller ausländischen Berater:innen gefordert. Für den Fall einer Ablehnung ruft die Gewerkschaft dazu auf, den Anweisungen der Geschäftsleitung nicht mehr Folge zu leisten und ein Kollegialgremium zu bilden, das für die Leitung des Unternehmens zuständig ist.
Auch wenn die Lage weiter schwierig ist, bemühen sich junge Menschen und Arbeitende, die sich der Erfahrungen der Vergangenheit, insbesondere derjenigen von 2009, bewusst sind, gemeinsam ein neues Madagaskar aufzubauen.
16. Oktober 2025
Das Regime von Rajoelina bricht zusammen
Paul Martial
Die Jugend, die zwei Wochen lang auf die Straßen gegangen ist und die sich in Anlehnung an die weltweiten Mobilisierungen selbst „Gen Z“ nennt, hat ihren Kampf gegen das Regime von Präsident Rajoelina gewonnen.
Diese Jugend war mit einer brutaler Unterdrückung konfrontiert: Mindestens zwanzig Tote und Dutzende Verhaftungen trafen die jungen Demonstrant:innen, aber auch die Gewerkschafter:innen, die sich diesem Kampf angeschlossen hatten. Die Mobilisierung, die zunächst wegen Wasser- und Stromknappheit begonnen hatte, führte jedoch sehr schnell zu politischen Forderungen, insbesondere nach dem Rücktritt von Rajoelina.
Die Armee lässt das Regime fallen
Als am Samstag, den 11. September, noch mehr Demonstrant:innen als an den Tagen zuvor auf die Straße gingen, ist es zu etwas Entscheidendes eingetreten: Die Militärs des CAPSAT traten auf den Plan. Ihr Oberst, Michael Randrianirina, forderte alle Sicherheitskräfte auf, nicht mehr auf die Demonstrant:innen zu schießen und den Befehlen der Regierung nicht mehr zu gehorchen; in derselben Erklärung sagte: „Die jungen Menschen haben Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, während Korruption und Plünderung von Reichtümern in unterschiedlicher Form immer weiter zunehmen“ und „die Sicherheitskräfte unsere Landsleute verfolgen, verletzen, inhaftieren und auf sie schießen“.
Das „Corps dʼAdministration et des Services Techniques des Armées“ (CAPSAT) ist der Logistikdienst der Armee; er verwaltet das Material und ist für die Lagerung der Munition zuständig. In der Armee ist eine Versetzung zum CAPSAT oft gleichbedeutend mit einer Versetzung ins Abseits. So wurde Michael Randrianirina, ehemaliger Chef der Region Androy im Süden des Landes, aufgrund politischer Differenzen mit den Behörden zum CAPSAT versetzt.
Ein besonderes Armeekorps
Diese Einheit spielte jedoch eine entscheidende Rolle im jüngsten politischen Leben der großen Insel. Als 2009 im ganzen Land große Demonstrationen gegen den damaligen Präsidenten Ravalomanana ausbrachen, ermöglichte das Eingreifen des CAPSAT seinen Sturz, und ein junger Politiker, der Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo, wurde an seine Stelle gesetzt – ein gewisser Andry Rajoelina.
Die CAPSAT ist die einzige Einheit, deren Kaserne sich innerhalb der Hauptstadt befindet, im Stadtteil Soanierana, im Gegensatz zu den anderen, die in Ivato in der Nähe des internationalen Flughafens, etwa dreißig Kilometer vom Zentrum entfernt, stationiert sind. Die Soldaten der CAPSAT leben täglich mit den Einwohner:innen der Hauptstadt zusammen und teilen die Bedürfnisse der Bevölkerung.
Die Offiziere der CAPSAT erklärten, die gesamte Armee sei auf die Seite der Meuterer gewechselt. Dies zeigte sich in der Übergabe der Macht an einen von der CAPSAT unterstützten General.
Rajoelina ist mit einem Flugzeug der französischen Armee außer Landes gebracht worden; dadurch konnte er sich seiner Verantwortung für die wirtschaftliche Plünderung der Großen Insel durch seinen Clan und für die Gewalt gegen die jungen Menschen entziehen, die mehr als zwanzig Tote und hundert Verletzte gefordert hat, er weigerte sich zurückzutreten.
Es bleibt die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe: die radikale Veränderung des Systems, eine Forderung der Bevölkerung.
Paul Martial ist Mitglied der Vierten Internationale in Frankreich und Redakteur der Online-Publikation Afriques en lutte. Diese Webseite geht auf das gleichnamige gedruckte Bulletin zurück, das bis 2016 erschien und zunächst von der Afrika-Kommission der Ligue Communiste Révolutionnaire erstellt wurde.
Seine Artikel sind in der Wochenzeitung LʼAnticapitaliste Nr. 772 vom 23. Oktober bzw. Nr. 771 vom 16. Oktober 2025 veröffentlicht worden. Frühere Artikel zu Madagaskar (1896 bis 1960 französische Kolonie) auf der Webseite von LʼAnticapitaliste: https://lanticapitaliste.org/category/tags/madagascar