TEILEN
isl

Wie weiter nach dem 3.April?

01.03.2004

Interview mit Bernd Riexinger, Ver.di Stuttgart
FLUGSCHRIFTEN: Im Vorfeld des 2. und 3.April ist der Versuch gestartet worden, anknüpfend an die Demonstration vom 1.November ein gleichberechtigtes Bündnis der sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen mit den DGB-Gewerkschaften aufzubauen. Das hat nicht wirklich geklappt. Wo siehst du die Probleme und wie können sie überwunden werden? BERND RIEXINGER: Es hat vielleicht nicht im gewünschten Maße geklappt. Aber es gibt doch hoffnungsvolle regionale und überregionale Ansätze. Wer ein bisschen die Gewerkschaften kennt, weiß, dass es heftige innere Auseinandersetzungen um den weiteren Kurs gibt. Ein Teil hofft nach wie vor, dass durch Anpassung und Modernisierungspartnerschaft ein »neuer« sozialer Kompromiss auf etwas niedrigerem Niveau möglich ist. Dieser Teil will keine außerparlamentarischen Bündnisse, keine ernsthafte Mobilisierung und Politisierung und keinen dauerhaften Konflikt mit der SPD. Der andere Teil, insbesondere auf der Gewerkschaftslinken, hat erkannt, dass die Kapitalangriffe dauerhaft und tiefgehend sein werden, und baut auf Gegenwehr und eigenständig auf dem politischen Feld agierende Gewerkschaften. Diese suchen auch Bündnisse. Dass dieser Klärungsprozess nicht widerspruchsfrei läuft, darf nicht verwundern. Die vorbereitende Aktionskonferenz im Januar hat den Versuch gesehen, eine gemeinsame inhaltliche Grundlage von Gewerkschaftslinken, Erwerbslosen und Attac zu erarbeiten. Das war sehr erfolgreich und das Ergebnis war der Frankfurter Appell (siehe unten). Wie kann die Zusammenarbeit fortgesetzt werden? Die Mehrheit in Frankfurt war sich bewusst, dass die Proteste über den 3.April hinaus fortgesetzt und verstärkt werden müssen. Diesen Prozess inhaltlich und praktisch weiter zu treiben, wird eine wichtige Aufgabe sein. Darüber hinaus muss die Zusammenarbeit auf örtlicher und regionaler Ebene verankert werden. Die Bildung von regionalen Bündnissen und der Aufbau kontinuierlicher Basisarbeit wir entscheidend sein für die weitere Bedeutung der bundesweiten Aktionskonferenz. Die größte Schwierigkeit, vor der wir alle gemeinsam stehen, ist die der Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Dem starken Unmut entspricht nicht eine ebenso starke Bereitschaft zum Protest. Wie siehst du in dem Zusammenhang die Chance zu betrieblichen Aktionen am 2.3. und wie können wir an die Kolleginnen und Kollegen ran kommen? Ich sehe keine Chance für betriebliche Streiks oder Aktionen in der Arbeitszeit in größerem Ausmaß. Es wird auch bei uns betriebliche Aktionen geben, die jedoch der Mobilisierung für den 3.April dienen werden. An diesem Tag werden wir abgezählt und der Erfolg der Demonstrationen wird entscheiden, ob die Protestbewegung gegen Sozial- und Lohnabbau weiteren Auftrieb bekommt oder nicht. Danach muss der Protest wieder verstärkt in die Betriebe getragen werden. Die Linke muss aufpassen, dass sie die Streikfrage nicht zum Fetisch erhebt, so wichtig gerade in Deutschland politische Streiks sind. Exemplarische betriebliche Aktionen halte ich für möglich, sie können auch eine positive Ausstrahlung für die Zeit nach dem 3.April haben. Für die Linke und insbesondere die Gewerkschaftslinke wird es wichtig sein, in den Gewerkschaften über den Charakter der Kapitaloffensive aufzuklären und zu verdeutlichen, dass wir keine Ruhe mehr bekommen, wenn die Gegenwehr nicht verstärkt und der Protest nicht im positiven Sinne radikalisiert wird. Auch müssen die Gegenpositionen, wie sie z.B. im Frankfurter Appell formuliert sind, in den Gewerkschaften und Betrieben verankert werden. Siehst du im Aufbau eines Sozialforums in Deutschland einen nützlichen Schritt? Wenn das Sozialforum nicht lediglich eine Sammlung der ohnehin schon zahlreichen politischen Gruppen, Foren und Initiativen sind, sondern es gelingt, neue Leute anzusprechen und zu aktivieren, dann ja. Es könnte auch einen wichtigen Brückenkopf zwischen Gewerkschaften, sozialen Initiativen, Erwerbslosen und Globalisierungskritikern bilden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur sammeln, was ohnehin da ist, sondern auch neue Leute politisieren und in die aktive Arbeit integrieren.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite