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Innenpolitik

Wie weiter mit den Montagsdemonstrationen?

Von B.B. | 01.09.2004

In der Bewegung der Montagsdemonstrationen werden Fragen nach einer Zentralisierung, dem Verhältnis zum DGB und der politischen Stoßrichtung aufgeworfen.

In der Bewegung der Montagsdemonstrationen werden Fragen nach einer Zentralisierung, dem Verhältnis zum DGB und der politischen Stoßrichtung aufgeworfen.

Bei der Diskussion über politische Aktionsformen und nächste praktische Schritte geht es nicht um Prinzipien, sondern um die Taktik. Die Forderung nach einer Zentralisierung ist auf zwei Ebenen laut geworden: Vorgeschlagen wird ein Marsch auf Berlin und eine zentrale Koordination der Montagsdemonstrationen.

Wo steht die Bewegung?

Die Diskussion darüber ist sehr konkret. Sie steht im engsten Zusammenhang mit dem Stadium, in dem sich die Bewegung befindet. An manchen Orten gab es schon mehrere Montagsdemonstrationen, an anderen findet die erste erst Anfang September statt. Bis zum 23. August weitete sich die Bewegung von der Zahl der Teilnehmenden und von der Anzahl der Städte aus. In der nächsten Zeit ist nichts anderes zu erwarten.
Was soll da eine bundesweite Demonstration in Berlin bringen? Zu einer solchen Demo würden auf jeden Fall nicht mehr, sondern weniger Menschen kommen als jetzt jeden Montag teilnehmen. Dass wir ansatzweise vom Entstehen einer außerparlamentarischen Bewegung reden können, liegt ja gerade daran, dass nicht eine große Demonstration als Eintagsfliege eine grundlegende Änderung verheißt – die dadurch auch nicht kommt –, sondern Montag für Montag an vielen Orten demonstriert wird.
Sicherlich haben zu dieser Bereitschaft die zentrale Berliner Demonstration vom 1. November 2003 und die DGB-Demonstrationen vom 3. April 2004 beigetragen. Aber deren aufrüttelnde Wirkung liegt hinter uns und nicht vor uns. Dieses Stadium hat die Bewegung bereits hinter sich gelassen. Jetzt gilt es, örtlich die Montagsdemonstrationen zu verbreitern und zu verankern. Bis zum Januar 2005 müssen wir durchhalten, weil dann die Betroffenheit noch einmal sprunghaft steigen wird. Sollte bis dahin eine Flaute eintreten, dann kann eine zentrale Demonstration durchaus noch einmal frischen Wind in die Bewegung tragen. Der ist aber zurzeit vorhanden. Unter den gegebenen Bedingungen lenkt eine zentrale Demonstration nur vom örtlichen Aufbau ab. Im schlimmsten Fall kommt es über eine zentrale Demo in Berlin zu einer bundesweiten Spaltung, die ja bereits in Berlin Tatsache ist.

Koordination als Prokrustesbett

Und was bringt jetzt eine zentrale Koordination? Noch wächst die außerparlamentarische Bewegung an, bringt eine Vielzahl von Aktionsformen hervor und regt eine Unmenge von Diskussionen über die Forderungen an. Da wäre es völlig verfrüht, eine zentrale Koordination zu schaffen, die die Bewegung in ein Prokrustesbett zwängt, bevor an vielen Orten überhaupt die verschiedenen Gruppen und Initiativen zusammengefunden und breite Bündnisse geschaffen haben. Auch die Integration für Einzelpersonen, die die Montagsdemonstrationen mit vorbereiten wollen, ist oft noch nicht gelungen. Eine demokratische Zentralisation ist sicherlich notwendig, muss sich aber auch auf entsprechende örtliche Strukturen stützen können.

Einzel- und Grundsatzkritik

Ein großes Problem gibt es mit den Gewerkschaften. Fast nirgendwo mobilisieren sie wirklich zu den Demonstrationen. Der DGB sieht wieder Verhandlungsmöglichkeiten mit der Regierung, weil sie unter Druck kommt; die Regierung braucht den Schulterschluss mit dem DGB, um nicht noch mehr unter Druck zu geraten. Immerhin sind die Aussichten, dass sich Betriebsräte, Vertrauenskörper und Gewerkschaftsgremien an den Montagsdemos beteiligen, so gut wie noch nie.
Würde aber die Gewerkschaftsbürokratie wie am 3. April breit mobilisieren, dann würden eben die Kräfte an die Spitze des Protestes treten, die nicht grundsätzlich die Agenda 2010 und Hartz IV ablehnen, sondern nur einzelne Gesichtspunkte kritisieren. Das ist zum Glück vor Ort nicht der Fall. Es wäre der Versuch, die außerparlamentarische Bewegung abzuwürgen.
Bei all den Diskussionen über “Marsch auf Berlin”, “zentrale Koordination” und “Einbeziehung der Gewerkschaften” sollten wir die inhaltliche Stoßrichtung nicht vergessen. Es gibt bereits eine bundesweite Diskussion über Mindestlohn, Mindesteinkommen und Grundsicherung. Sie muss auch vor Ort mit den Menschen geführt werden, die zum ersten Mal mitdemonstrieren.

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