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Innenpolitik

Wie die Bewegung aufbauen?

Von B.B. | 15.09.2004

Nach wie vor gibt es ein großes Missverhältnis zwischen der Zahl der TeilnehmerInnen an den Montagsdemonstrationen in Ost- und Westdeutschland. Auch hier ist die Beteiligung sehr unterschiedlich.

Nach wie vor gibt es ein großes Missverhältnis zwischen der Zahl der TeilnehmerInnen an den Montagsdemonstrationen in Ost- und Westdeutschland. Auch hier ist die Beteiligung sehr unterschiedlich.

Die große Teilnahme an den Protesten in Ostdeutschland liegt auch an der Tradition von 1989, vor allem aber an der größeren Betroffenheit. Liegt dort die Erwerbslosigkeit doch mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Hier muss nach Wegen gesucht werden, die Montagsdemonstrationen vor Ort mehr zu verankern, ohne die Illusion zu haben, eine Teilnahme wie in Ostdeutschland zu erreichen. Dabei entwickeln die Proteste ihre eigene Phantasie. In Marburg wurde eine ganze Demo von einer Blindenschule gestaltet, deren BesucherInnen besonders von Hartz IV betroffen sind. Bunt auch die Sprechchöre wie: “Schröder, du wirst untergehn‘ – mit Agenda 2010”; “Was wollen wir? – Weg mit Hartz vier”; “Sozialabbau im ganzen Land – unsere Antwort: Widerstand”.

Gegen 1-Euro-Jobs

Wichtig ist es, mit Delegationen die örtlichen Einrichtungen zu besuchen, die wahrscheinlich 1-Euro Jobs schaffen wollen (z. B. Stadtverwaltung, Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband), um sie zum Verzicht von 1-Euro-Jobs aufzufordern. Den Gesprächen (immer Erklärungen an die bürgerliche Presse geben!) folgen dann Aktionen, da die Jobs ja doch eingeführt werden. Ebenso muss es gelingen, regelmäßig vor den Arbeitsämtern auf die Montagsdemos aufmerksam zu machen.
In den Betrieben?

Aus den Betrieben heraus!

In verschiedenen Städten nehmen KollegInnen nach Feierabend an den Kundgebungen und Demonstrationen teil. Ein gutes Beispiel dafür ist Mannheim, wo über den Betriebsrat Alstom und das Wirbelbündnis gegen Sozialabbau, in dem Betriebsräte aus dreißig Betrieben vertreten sind, viele KollegInnen an den Montagsdemonstrationen teilnehmen. Hier zahlt sich die geleistete Vorarbeit aus.
Völlig abstrakt wäre es, jetzt zum Streik aufzurufen. Der 2. April hat gezeigt, dass z.B. das Spektrum der Frankfurter Aktionskonferenz kaum in der Lage ist, Streiks ohne den Segen der Gewerkschaftsführungen zu organisieren. Die Teilnahme beschränkte sich damals auf wenige hundert Streikende bundesweit.
Um etwas zu bewegen, gilt es die Beschäftigten aus den Betrieben heraus zu den Montagsdemonstrationen zu mobilisieren. Das wird nur nach Feierabend möglich sein. Aber je mehr Noch-Beschäftigte an den Montagsdemos teilnehmen, desto heftiger werden die Diskussionen in den Betrieben werden, was denn nun gegen den sozialen Kahlschlag getan werden kann. Und da behält die Streikpropaganda natürlich ihren Wert.

Initiativen gründen – Leute einbeziehen

Nicht in allen Städten gibt es Initiativen, die sich wöchentlich treffen und die Montagsdemonstrationen vor- bzw. nachbereiten. Wo sie bestehen, bilden sie einen Anlaufpunkt auch für Lohnabhängige, deren Lebensumstände durch die Kürzungen am miserabelsten betroffen werden. Darunter befinden sich viele Frauen. Sie alle gilt es einzubeziehen, ebenso wie Ausgegrenzte. Hier kann mensch wirklich “im Proletariat” arbeiten und mit Leuten aus der “Masse” eine Arbeit entwickeln. Vor allem muss nach den ersten Debatten über organisatorische Fragen endlich über Inhalte geredet werden. Diskussionen über Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn, Mindesteinkommen und Grundsicherung stehen an.

Gesteigerte Aktivitäten

Von der Linken verlangen die Montagsdemonstrationen eine erheblich gesteigerte Aktivität. Aber es lohnt sich. Wann ist es schon einmal möglich innerhalb einer außerparlamentarischen Bewegung bzw. deren ersten Ansätzen zu arbeiten? Klassenkampferfahrungen wie diese prägen für Jahre, wenn nicht fürs Leben. Sicherlich ist ein Rückgang der Bewegung im Herbst oder im Winter einzukalkulieren. Es gilt die Aktionen und Strukturen bis in den Januar zu retten. Denn dann wird die Betroffenheit durch Hartz IV noch einmal spürbar steigen. Vielleicht entsteht hier etwas von Dauer – denn die neoliberale Offensive von Regierung & Kapital wird mit Schröder und auch nach Schröder weitergehen.

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