Weder Pazifismus noch Burgfrieden
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Aus Anlass des 8. Mai

Weder Pazifismus noch Burgfrieden

Von Fabienne Dolet und Manon Boltansky | 08.05.2025

Der 8. Mai ist fast in jedem Jahr ein Anlass dafür, dass Kommentator:innen von Jahrzehnten des Friedens sprechen, die nach der Kapitulation und dem Ende der Feindseligkeiten in Europa im Jahr 1945 eingetreten wären.

Es wäre überraschend, wenn auch in diesem Jahr von 80 Jahren Frieden in Europa die Rede wäre. Seit der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 scheint die Erzählung von einem dauerhaften Frieden auf unserem Boden seltener aufgetischt zu werden.

80 Jahre Frieden – wirklich?

Das ist eine Erzählung, in der regelmäßig die Kriege außerhalb Europas weggelassen werden, in denen der französische Staat jedoch eine Rolle spielt: Algerien, Vietnam, Kanaky in den 1980er Jahren und im Jahr 2024, Ruanda 1994… Eine Erzählung, in der die Konflikte in Bosnien, Kroatien und Serbien in den 1990er Jahren nicht vorkommen.

Frieden ist zwar gut für das Geschäft, und zweifellos hielten es die europäischen Bourgeoisien nach der riesigen Katastrophe des Zweiten Weltkriegs für klüger, sich mit den USA zu arrangieren und Geschäfte zu machen.

Dennoch ist Frieden keine Option, wenn die Grenze für Profite nicht mehr existiert, wenn die Grenze für den Wettlauf um Absatzmärkte für die eigenen nationalen Märkte nicht mehr existiert, wenn die Grenze für die Aneignung von Ressourcen nicht mehr existiert. Donald Trump verkörpert diesen grenzenlosen Appetit auf Gewinn, Markt und Ressourcen in all seinen Stellungnahmen: zu Grönland; gegenüber China wegen der Strafzölle; in seinen Gesprächen mit Selenskyj und Putin.

Diese infernalische Eskalation des kapitalistischen Systems führt innerhalb aller Länder dazu, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden – so sehr, dass selbst Le Monde einen Artikel vom 6. Mai mit dem Titel „Ungleichheit: Wie Frankreich wieder zu einer Gesellschaft von Erben wurde“ versehen muss. Es führt auch weltweit dazu, dass der globale Norden den globalen Süden ausbeutet, und streut die Saat für bewaffnete Konflikte aus.

Aufrüstung auf dem Vormarsch

„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“, sagte Jean Jaurès. Was liegt also für Antikapitalist:innen näher, als Krieg gegen den Krieg zu führen? Umso mehr, als die Militärbudgets steigen, vor allem in Frankreich. Von 2017 bis 2024 ist der Anteil der Ausgaben für die französische Verteidigung von 32,3 Milliarden Euro auf rund 47 Milliarden Euro gestiegen. Zwischen 2023 und 2024 beträgt der Anstieg 6,1 %. Der Anteil der Militärausgaben am BIP war in Frankreich seit 1956 (über 6 % des BIP) kontinuierlich gesunken. Im Zeitraum von 25 Jahren haben die Ausgaben 2 % nicht überschritten (alle Zahlenangaben nach Statista). Jetzt steigen sie wieder an. Dies signalisiert, dass die Aufrüstung in vollem Gange ist.

Kein Cent für den Krieg

Am 1. Mai war in einigen Demonstrationszügen der Slogan „Kein Cent für den Krieg“ zu hören. Offensichtlich freut sich niemand in der Arbeiterbewegung über den Anstieg der Militärausgaben. Wir verurteilen die Bedrohung, die von Atomwaffen ausgeht.

Aber von welchem Krieg reden wir? Von Kriegen zwischen imperialistischen Mächten mit kaskadenartigen Folgen aufgrund von Bündnissen und Aufstellungen? Von regionalen Kriegen um Ressourcen wie denen um den Kongo und Ruanda oder zwischen Mosambik und Simbabwe? Oder von Kolonialkriegen wie in Palästina oder in der Ukraine?

Wie können die Antikapitalist:inen gegen den Krieg kämpfen, ohne in einen Pazifismus zu verfallen, den uns der Klassenkampf und die notwendige internationale Solidarität verbieten?

Ja zum bewaffneten Widerstand

Wir kämpfen an der Seite der Völker von Kanaky, Mayotte und Guadeloupe gegen unseren eigenen Imperialismus und alle Imperialismen. Wir verteidigen das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und auf Widerstand, mit oder ohne Waffen. Wir verteidigen die unterdrückten Völker, die für ihre Rechte kämpfen, ohne den internationalen Kampf der Arbeiter:innen gegen die Profite aufzugeben. Das bedeutet, dass die finanzielle Solidarität mit denjenigen, die für ihre Rechte kämpfen, von der Arbeiterbewegung organisiert werden sollte, nicht über die Staaten.

Aus all diesen Gründen rufen wir dazu auf, gegen den Imperialismus und die Kriege, die er hervorbringt, und für die Rechte der unterdrückten Völker, für ihr Recht, auf ihrem eigenen Land zu leben, aktiv zu werden.

Die Mobilisierung gegen die Paris Air Show im Salon von Bourget vom 16. bis 22. Juni wird eine Gelegenheit sein, dass all die zusammenkommen, die Nein zum Krieg, aber auch Nein zum Kolonialismus sagen wollen. Wir werden dies jedenfalls mit Nachdruck äußern und gleichzeitig den unterdrückten Völkern das Recht auf bewaffneten Widerstand zuerkennen.

Es geht nicht darum, sich hinter einen Imperialismus zu stellen, auch nicht um einen Burgfrieden, und es geht ebenso wenig um einen abstrakten Pazifismus. Wir müssen uns im internationalen Klassenkrieg klar positionieren.


Dieser Artikel ist in der Wochenzeitung LAnticapitaliste (Nr. 753 vom 8. Mai 2025) erschienen und ist von Wilfried aus dem Französischen übersetzt worden.

Fabienne Dolet und Manon Boltansky gehören der Leitung der französischen Nouveau Parti Anticapitaliste-LʼAnticapitaliste an.

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