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Geschichte und Philosophie

Vor 99 Jahren: SozialdemokratInnen und Regierungsbeteiligung

Von RSB | 01.09.2003

Auf dem Weltkongress der Sozialistischen Internationale 1904 in Amsterdam ging es u.a. auch über die Frage der Regierungsbeteiligung. Dabei stellten die revolutionären SozialistInnen aus Frankreich geschickterweise die Resolution des SPD-Parteitags in Dresden als Antrag zur Abstimmung:

Auf dem Weltkongress der Sozialistischen Internationale 1904 in Amsterdam ging es u.a. auch über die Frage der Regierungsbeteiligung. Dabei stellten die revolutionären SozialistInnen aus Frankreich geschickterweise die Resolution des SPD-Parteitags in Dresden als Antrag zur Abstimmung:

"Der Kongress verurteilt auf das entschiedenste die revisionistischen Bestrebungen, unsere bisherige bewährte und sieggekrönte, auf dem Klassenkampf beruhende Taktik in dem Sinne zu ändern, dass an Stelle der Eroberung der politischen Macht durch Überwindung unsrer Gegner eine Politik des Entgegenkommens an die bestehende Ordnung der Dinge tritt. Die Folge einer derartigen revisionistischen Taktik wäre, dass aus einer Partei, die auf die möglichst rasche Umwandlung der bestehenden bürgerlichen in die sozialistische Gesellschaftsordnung hinarbeitet, also im besten Sinne des Wortes revolutionär ist, eine Partei wird, die sich mit der Reformierung der bürgerlichen Gesellschaft begnügt.

Daher ist der Kongress im Gegensatz zu den vorhandenen revisionistischen Bestrebungen der Überzeugung, dass die Klassengegensätze sich nicht abschwächen, sondern stetig verschärfen, und erklärt:

  1. dass die Partei die Verantwortlichkeit ablehnt für die auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden politischen und wirtschaftlichen Zustände, und dass sie deshalb jede Bewilligung von Mitteln verweigert, welche geeignet sind, die herrschende Klasse an der Regierung zu erhalten;

  2. dass die Sozialdemokratie gemäß der Resolution Kautsky des Internationalen Sozialistenkongresses zu Paris im Jahre 1900 einen Anteil an der Regierungsgewalt innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nicht erstreben kann.


Der Kongress verurteilt ferner jedes Bestreben, die vorhandenen Klassengegensätze zu vertuschen, um eine Anlehnung an bürgerliche Parteien zu erleichtern.

Der Kongress erwartet, dass die sozialdemokratischen Fraktionen die größere Macht, die sie durch die vermehrte Zahl ihrer Mitglieder wie durch die gewaltige Zunahme der hinter ihnen stehenden Wählermassen erlangen, nach wie vor zur Aufklärung über das Ziel der Sozialdemokratie verwenden und entsprechend den Grundsätzen unseres Programms dazu benutzen, die Interessen der Arbeiterklasse, die Erweiterung und Sicherung der politischen Freiheit und der gleichen Rechte überall aufs kraftvollste und nachdrücklichste wahrzunehmen und den Kampf wider Militarismus und Marinismus, wider Kolonial- und Weltmachtpolitik, wider Unrecht, Unterdrückung und Ausbeutung in jeglicher Gestalt noch energischer zu führen, als es ihnen bisher möglich gewesen ist, und für den Ausbau der Sozialgesetzgebung und die Erfüllung der politischen und kulturellen Aufgaben der Arbeiterklasse energisch zu wirken."

Dieser Antrag wurde von Bebel verteidigt und von Jaures angegriffen. Er wurde mit 25 gegen 5 Stimmen bei 12 Enthaltungen angenommen.

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