Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, aber Trump hat mit 292 Wahlleuten (gegen 224 für Harris) klar gewonnen. Diesmal hat er zugleich auch die meisten Stimmen für sich – schätzungsweise 71 Millionen (für Harris stimmten nur 66 Millionen). Im Senat hat zugleich die Republikanische Partei die Mehrheit zurückerobert und gewinnt allem Anschein nach auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Trump kann damit durchregieren wie er will, zumal er sich in seiner ersten Amtsperiode auch die Mehrheit im Obersten Gerichtshof gesichert hatte. Zudem hat er erreicht, wegen keiner Handlung in Zusammenhang mit seinen Amtsgeschäften strafrechtlich belangt werden zu können.
Ungeheuerliche Willkürakte sind nun denkbar
Wie ist der Wahlsieg eines Mannes zu erklären, der lügt, dass sich die Balken biegen, hemmungslos droht, schimpft, verleumdet und einfachste Erkenntnisse etwa der Wissenschaften leugnet? Es ist zu früh für eine eingehende Analyse, aber einige Dinge sind doch klar. Die US-Wirtschaft steht gut da, aber die große Masse der Beschäftigten und Eigentumslosen in den USA spürt vor allem die Verschlechterung ihres Lebensstandards wegen der Teuerung. Für alles müssen sie drastisch mehr bezahlen, für Lebensmittel, Wohnen und Mobilität. Sehr viele sind schon hoffnungslos überschuldet. Natürlich wird das der Biden-Administration angekreidet. Harris konnte die Basis der Demokraten bei weitem nicht ausreichend mobilisieren – sie konnte als Vize von Biden nicht begeistern und hat vor allem vor Trump gewarnt. Das reichte aber nicht aus, denn viele haben Trump aus Unzufriedenheit mit der Biden-Administration gewählt, ohne mit seinen schlimmsten Sprüchen und seinem unsäglichen Politstil einverstanden zu sein.
Es wäre unklug nun zu glauben, die Kartoffeln würden nicht so heiß gegessen wie gekocht. Trump hat angekündigt die Verurteilten des Sturms aufs Kapitol – die er als „Geiseln“ bezeichnet – zu amnestieren und die politischen Gegner zu verfolgen, die Nationalgarde und notfalls auch die Armee gegen sie einzusetzen. Die Ankündigung, den von Verschwörungserzählern erfundenen „tiefen Staat“ rund um die Spitzen der Demokratischen Partei auszurotten, ist besonders bedrohlich, lässt sie doch ungeheuerliche Willkürakte befürchten. Trump wird die Apparate säubern und überall seine Gefolgsleute einsetzen. Er wird aus allen – wie unzureichend sie auch seien – Klimaschutzmaßnahmen aussteigen und auf Teufel komm raus fossile Energieträger ausbuddeln lassen. Zudem droht er einen Handelskrieg mit China uns Europa vom Zaun zu brechen.
Netanjahu hat nun einen zuverlässigen Verbündeten
Neben Orbán und Meloni gehört Netanjahu zu den ersten Gratulanten. Er sieht Trump als zuverlässigen Verbündeten, um seinen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser desto besser fortsetzen zu können. Ohne die Finanz- und Waffenhilfe der USA könnte er das keine Woche lang. Aber Momentchen mal, hat Trump nicht vollmündig versprochen, den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden? Nun, Putin hat ihm nicht zum Wahlsieg gratuliert, und der Kreml hat schmallippig erklärt, bei den USA handele es sich um einen Feindstaat, der indirekt und auch direkt gegen Russland kämpfe. Möglich ist natürlich, dass Trump die Militärhilfe für die Ukraine einstellt, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die europäischen Länder das ausgleichen können. Die Ukraine wird sich dann militärisch kaum noch verteidigen können.
Der Wahlsieg befügelt rechte Politik und die extreme Rechte
Die Regierungen der EU-Länder ziehen aus dieser Gemengelage vor allem einen Schluss: mit Trump als US-Präsident müssen die Europäer sich noch sehr viel mehr „selbst helfen“. Schon jetzt wird folgerichtig die nächste Runde der militärischen Aufrüstung angekündigt. Die Befürworter dieses militaristischen Kurses merken dabei gar nicht, wie verrückt und verbrecherisch es ist, die „Kriegsfähigkeit“ gegen die Russische Föderation anzustreben, die zu allem anderen auch eine atomare Supermacht ist.
Der Wahlsieg Trumps ermutigt und beflügelt die extreme Rechte in der ganzen Welt. Die Linke ist in den meisten Ländern zersplittert und geschwächt, erscheint auf Massenebene nicht als Alternative. Es bleibt nur die Wahl, alles dafür zu tun, dass sich das wieder ändert. Vor allem geht es darum, in allen Ländern und über die Ländergrenzen hinweg, den möglichst breit getragenen Widerstand der Opfer der kapitalistischen Ausbeutung und der rechten Gewalt zu organisieren und die sozialen Bewegungen, die zu verschiedenen Themen solidarische Lösungen vorschlagen, zur gemeinsamen Aktion zusammenzuführen.