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Thüringen: Faschisten als Steigbügelhalter „Dammbruch“ oder brauner „Versuchsballon“? Was tun?

Von Internationale Sozialistische Organisation | 10.02.2020

Nach der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringen ist von einem „Dammbruch“ die Rede. Nur Höckes AfD machte diese Wahl möglich. Jetzt, nach Kemmerichs schnellem Rücktritt auf Druck aus Parteiführungen und Kapital-verbänden, wird medial Entwarnung gegeben. War der braune „Versuchsballon“ im Erfurter Landtag also nur ein flüchtiger Spuk?
Wohl kaum. Der rasante Aufstieg der AfD, die Normalität von rechten Lügen und brauner Gewalt sprechen für sich. Der blutige rechte Terror, der sich im Land ausbreitet und von Staatsorganen vertuscht, ja sogar gestärkt wird, flankiert diese bedrohliche Entwicklung. Das alles sind keine „Unfälle“, sondern Teil einer Strategie zur Stärkung faschistischer Kräfte.

Wie konnte es 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz zu alledem kommen?
Nicht nur die AfD konfrontiert uns seit Jahren mit niederträchtigen Hetzkampagnen. Mit Pa-rolen wie „Flüchtlingsflut“, „Islamisierung“ oder „versiffte 68er“ machen rechte Kreise auch aus den etablierten Parteien Stimmung.
Das faschistische Spektrum organisiert und unterstützt Terror. Es schürt Linkenhass, Anti-semitismus, Rassismus, Seximus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit. Bevorzugte Feindobjekte sind vor allem die Ärmsten der Armen; Menschen, die vor Krieg, Unterdrü-ckung, Ausbeutung, Armut und Perspektivlosigkeit fliehen; Menschen, die deswegen ihr Le-ben riskieren. Rassismus vertieft die Spaltung der arbeitenden Klasse. Gleichzeitig lenken sie damit von den Ursachen der Verarmung und der hemmungslosen Bereicherung an der Spitze der Gesellschaft ab.
In Deutschland, in der EU und weltweit wurden und werden aufgrund der neoliberalen Um-verteilungspolitik der etablierten Parteien und durch die Bankenrettung enorme Mittel für gesellschaftliche Solidarität gekürzt. Diese dienten vor allem dazu, um Klassenauseinander-setzungen zu „befrieden“. Vor dem Hintergrund des globalen Wirtschaftskrieges wird die anhaltende Offensive des Kapitals radikalisiert. Durch beschleunigte Prekarisierung, Verla-gerung, Vernichtung und Zerstückelung von Arbeit wird systematisch die Entsolidarisierung der arbeitenden Klasse vorangetrieben.
Vordergründig geht es der rechten und ultrarechten Hetze um Wahlerfolge, zumal diese dreistellige Millionensummen an Steuergeldern in ihre Parteikassen spülen. Dieses Geld er-möglicht erfolgreiche Kandidaturen und Wahlkämpfe, kurz: eine relevante Einflussnahme auf den politischen Prozess und die parlamentarischen Strukturen.


Ziel der Nazis: ungehemmte Ausbeutung und Unterdrückung
Strategisch geht es der faschistischen Rechten, im Bündnis mit den ihnen bekannten rechten Terrornetzwerken, um die Beseitigung demokratischer und sozialer Grund- und Menschen-rechte. Sie identifiziert sich mit dem neoliberalen Ziel der Schwächung und Abschaffung aller „Profitbremsen“ ‒ dazu zählen sie auch Gewerkschaften und Betriebsräte.
Ihren Coup in Thüringen hat die AfD euphorisch als „politische Revolution“ gefeiert. Der wahre Kern solcher Phrasen ist, dass die AfD erstmals die politische Isolation auf Landes-ebene aufbrechen konnte. Sie verhinderte nicht nur Bodo Ramelows Wiederwahl, sondern
sie ermöglichte eine Front mit den kooperationsbereiten Kräften in CDU und FDP. Sie trieb damit einen weiteren Keil ins bürgerliche Lager, was die gesellschaftliche Verschiebung nach rechts beschleunigt.
In neofaschistischen Kreisen wird dieses Vorgehen als „konstruktiv-destruktive“ Strategie gelobt. Indem Teile der CDU und der FDP die AfD gezielt hoffähig machen, wird die zu-nehmende Radikalisierung dieser Partei bestens kaschiert.


Welche Verantwortung haben Linke und Gewerkschaften am Rechtsruck?
Haben sie sich zu sehr um identitätspolitische Fragen und zu wenig um die materiellen Prob-leme der Lohnabhängigen und Prekarisierten gekümmert? Sind sie einerseits auf parlamenta-rische „Realpolitik“ und „Sozialpartnerschaft“, andererseits auf Selbstbeschränkung in lin-ken Szenen fixiert?
Fakt ist jedenfalls, dass die verbliebene Minderheit der sozialistischen Linken noch immer mit den verbreiteten Illusionen in eine „Sozialpartnerschaft“ und den bisher gescheiterten Versuchen zur Überwindung des Kapitalismus zu kämpfen hat. Diese Fehlschläge haben nicht nur die alte Arbeiterbewegung zerstört, sondern eine glaubwürdige sozialistische Al-ternative scheinbar in das Reich der Utopie verbannt. Solange die antikapitalistische Linke das nicht realisiert, wird ihre Anziehungskraft überschaubar bleiben.


Wer, wenn nicht wir?
Wir treten deshalb dafür ein, das mit vielen anderen gemeinsam zu ändern. Durch den Auf-bau einer konsequenten und kämpferischen Linken auch in den Gewerkschaften, die sich einsetzt für:
• die Unterstützung aller Bündnisse und Initiativen, die auf eine breitestmögliche kämp-ferische Einheit aller antifaschistischen Kräfte orientieren;
• eine solidarische Klassenpolitik von unten gegen das auch in der arbeitenden Klasse verbreitete rassistische und nationalistische Gift;
• den Aufbau einer breiten außerparlamentarischen Bewegung, die entschieden gegen die globalen Spaltungen der arbeitenden Klassen und für deren gemeinsame soziale Interessen eintritt.

Wir rufen dazu auf, die anstehenden Mobilisierungen gegen Nazis zu unterstützen. Wir rufen dazu auf, am 15. Februar 2020 in Erfurt gegen das Paktieren mit der AfD zu de-monstrieren.
Es ist höchste Zeit aufzustehen und aktiv zu werden:
Gegen Faschismus, Klimakatastrophe und Kapitalismus!
Für die Verteidigung unserer Lebensgrundlagen und der Grund- und Menschenrechte!
Für eine ökologische und solidarische Alternative zum Kapitalismus!

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