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DIE LINKE

Thesen zum Verhältnis von linker Partei und sozialen Bewegungen

Von Edith Bartelmus-Scholich | 20.05.2006

Thesenpapier zur Konferenz der linken Opposition in der WASG am 20.05.06 in Kassel
von Edith Bartelmus-Scholich

These 1: 

Die Entwicklungsmöglichkeiten der neuen linken Partei werden als erstes davon abhängen, wie sich die sozialen Kämpfe entwickeln und in welchem Umfang die Partei daran teilnimmt.

Der Wandel sozialdemokratischer Parteien weltweit zu neoliberalen Parteien mit sozialem Restprogramm ist auf die Unfähigkeit der Arbeiterbewegung zurück zu führen, Antworten auf die Herausforderungen eines in neuen Zusammenhängen weltweit flexibel und konsequent interessengeleitet agierenden Kapitals zu finden. Durch dieses grundsätzliche Versagen hat sich das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit immer mehr zu Gunsten des Kapitals verschoben mit der Folge, dass auch linke Regierungen nicht mehr den Erwartungen ihrer WählerInnen nach einer sozialen Politik gerecht werden können. Dieser Zustand wird sich erst dann ändern, wenn das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, wieder zu Gunsten der Arbeit verändert wird. Nur eine solche Verschiebung des Kräfteverhältnisses als Ergebnis von sozialen Kämpfen ist geeignet, die neoliberale Hegemonie zu brechen und einen Paradigmenwechsel in der Politik herbei zu führen. Eine linke Partei, die nicht an den sozialen Kämpfen teilnimmt, wird auch nicht in der Lage sein, die Anliegen der Kämpfenden auf eine politische Ebene zu heben und adäquate politische Lösungen zu entwickeln.

These 2: 

Die neue linke Partei wird in dem Maße erfolgreich sein, wie es gelingt, die soziale Basis der Partei, die Arbeitenden und Erwerbslosen, zur Mitarbeit in der Partei zu gewinnen und in der Mehrheit zu erhalten. Hierzu ist eine Verankerung sowohl in den Gewerkschaften, als auch in den neuen sozialen Bewegungen notwendig aber nicht hinreichend.

Die Veränderungen in den Politikkonzepten der Grünen beruhen zuallererst darauf, dass die soziale Basis dieser Partei sich in den Jahren nach ihrer Gründung gewandelt hat. Heute gehören die WählerInnen und die meisten Mitglieder der Grünen zum gut verdienenden Bildungsbürgertum. Die Partei vertritt deren Interessen. Folglich ist es falsch zu schließen, die Grünen seien gescheitert, weil die innerparteiliche Demokratie nicht funktioniert habe. Die Veränderung der Politik der Grünen ist vor allem auf den raschen Austausch der Parteibasis zurück zu führen. Eine Partei, die über lange Zeit in der Arbeiterschaft gut verankert war, ist die SPD. Selbst heute, nach einigen Jahren der Erosion, setzt die Mitgliedschaft der SPD sich noch immer hauptsächlich aus Arbeitern, Angestellten und Rentnern zusammen, von denen viele zudem gewerkschaftlich aktiv sind oder waren. Diese Parteibasis hat über Jahrzehnte Fehlentwicklungen zwar nicht auf Dauer verhindern, aber doch im Tempo bremsen können. Die Politik der SPD hat über lange Zeit den Erwartungen ihrer sozialen Basis im Großen Ganzen entsprochen. 

These 3:

Über die Verankerung der Partei in den Gewerkschaften und den neuen sozialen Bewegungen hinaus ist eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Partei und sozialen Bewegungen notwendig um einer Verselbstständigung von Partei und Parlamentariern entgegenzuwirken. Die sozialen Bewegungen sollten über ein System von Räten Einfluss nehmen.

Um eine Verselbstständigung der Partei und der Parlamentarier möglichst entgegen zu wirken und sie tatsächlich zu befähigen die Anliegen der alten und neuen sozialen Bewegungen aufzunehmen und umzusetzen, Öffnung der Strukturen der Partei zu den sozialen Bewegungen und eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit sinnvoll. Denkbar ist ein System von Ratschlägen und Räten der sozialen Bewegungen, die die Partei beraten. Ratschläge der sozialen Bewegungen könnten z.B. Antragsrechte an Parteitage und Fraktionen erhalten. Aus Ratschlägen der sozialen Bewegungen könnten Räte hervorgehen, die Partei und Fraktion beraten, z.B. könnte der Friedenspolitische Ratschlag einen Rat für Außenpolitik wählen, der Partei und Fraktion auf diesem Politikfeld berät. Aus Ratschlägen der sozialen Bewegungen könnte ein Rat für Sozialpolitik hervorgehen usw. Über dieses Rätesystem wäre ein dauerhafter Einfluss der sozialen Bewegungen auf die Politik in den Parlamenten möglich.

18.05.2006

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