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Betrieb & Gewerkschaft

„Strike Bike – Eine Belegschaft wird rebellisch“

Von B. B. | 01.05.2008
Viele haben von der Betriebsbesetzung bei Bike Systems in Nordhausen und der Produktion des Strike Bike gehört, waren aber nicht vor Ort. Informationen und Eindrücke des Arbeitskampfes liefert der Film „Strike Bike – Eine Belegschaft wird rebellisch“.

Viele haben von der Betriebsbesetzung bei Bike Systems in Nordhausen und der Produktion des Strike Bike gehört, waren aber nicht vor Ort. Informationen und Eindrücke des Arbeitskampfes liefert der Film „Strike Bike – Eine Belegschaft wird rebellisch“.

 

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Den jungen Filmemachern Robert Pritzkow, Laines Rumpff und Jan Weiser sind mit dem Film gleich zwei Kunststücke gelungen. Sie brachten Belegschaftsangehörige zum Reden und schafften es, einen hochpolitischen Film zu drehen, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger platte Botschaften anzudienen.
Entfremdung aufgehoben
Der Film tastet sich vorsichtig an einige der BesetzerInnen heran, so verhalten, wie sich auch die Belegschaft dem Arbeitskampf näherte. Sie wurde sich ihrer tatsächlichen Lage erst bewusst, nachdem das letzte Rad vom Band gefahren war. Anstatt „alles aufzumischen“, besetzte sie den Betrieb und harrte der Dinge, die da kamen. Niemand wusste wofür und warum, aber alle waren Feuer und Flamme. Um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden, deklarierte sie ihre Aktion offiziell als fortdauernde „Betriebsversammlung“.

Zunächst sprengte die Besetzung die bestehende Arbeitsorganisation in „Abteilungen“, die die Beschäftigten voneinander getrennt hatte. Zum ersten Mal konnten sich alle KollegInnen untereinander richtig kennenlernen. Mit der Besetzung begann auch die Solidarität von außen. Die Unterstützung der „kleinen Leute“ war enorm. Selbst wer wenig hatte, gab davon etwas ab. Delegationen und Besuche kamen von überall und zeigten, welches Ausmaß an Solidarität in der BRD möglich ist.
Produktion ohne Chefs
Kernstück des Films ist die Produktion des Fahrrads „Strike Bike“ in eigener Regie. Ursprünglich ein Vorschlag der FAU wurde er später von der Belegschaft aufgegriffen und ein richtiger Renner für die Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit. Vermittelt über die von den Anarcho-SyndikalistInnen eingerichtete Homepage wurden die Räder in alle Welt geliefert und damit nicht nur der Arbeitskampf popularisiert.

Denn mit dem Strike Bike wurde auch eine politische Botschaft vermittelt: Es ist möglich, dass die Belegschaft ein Fahrrad in Eigenregie, ohne Chefs, herstellen kann. Es ist möglich, das Arbeitsleben wirklich zu einem Leben mit Arbeit umzugestalten. Zum ersten Mal macht die Fahrradproduktion Spaß. Entsprechend ändert sich der nun selbstverwaltete Arbeitsprozess. Die Stückzahlen werden runtergefahren. Die Arbeitszeit wird reduziert und beginnt um 7 Uhr statt um 5.25 Uhr. Die Pausenzeit erhöht sich von 2 mal 15 Minuten auf 2 mal 30 Minuten. Zusätzlich gibt’s 2 bis 3 Kurzpausen bei 36 Stunden in der Woche. Alles ist viel freier und lockerer. Es ist kein Zwang und kein Chef dahinter.

Der Gegensatz zu den Arbeitsbedingungen unter dem früheren Eigner Lonestar, als die Belegschaft aufs Weihnachtsgeld und 5 % Lohn verzichtete, mehr Leistung bei gleicher Bezahlung ablieferte, bis zu 9,6 Stunden täglich einschließlich Samstags in Schichtarbeit für einen Hungerlohn malochte und der dabei kaum Zeit zum Luftholen blieb, ist offensichtlich. Er drückt zugleich den Lernprozess seit der Betriebsbesetzung aus.
Mehr Fragen als Antworten
Statt einfache Antworten zu geben, wirft der Film mehr als folgende Fragen auf, die schon reichlich Diskussionsstoff bieten.
Fragen zur IG Metall, die zunächst sofort vor Ort ist und viel Organisatorisches zur Unterstützung der BesetzerInnen regelt, auch bei Verhandlungen berät, aber dann die versprochenen Kredite für die frisch eingetretenen Mitglieder nicht gewährt. Die aber auch der Produktion eines Strike Bike skeptisch gegenübersteht, weil der Vorschlag und die Unterstützung aus der politisch „falschen“, zu linken Ecke kommen. Auch die Strukturen der Großorganisation, in der zu viele gefragt werden wollen, stehen in der Kritik.

Fragen zur Funktion der Selbstverwaltung. Ist sie nur Kampfmaßnahme oder taugt sie als durchgehendes Gesellschaftsmodell einer nichtkapitalistischen Gesellschaft? Und wenn ja, ist sie bei einer weltweiten Arbeitsteilung, wo z. B. die Fahrradrahmen im fernen China produziert werden, überhaupt möglich?

Zum Schluss des Films fließen Tränen. Nicht, weil die 130 KollegInnen mangels Unterstützung der großen Politik nichts außer einer Auffanggesellschaft erreicht haben und die Arbeitsplätze nicht retten konnten. Auch nicht, weil ihr Beispiel der Betriebsbesetzung noch keine Schule gemacht hat, sondern weil der Alstom-Chor mit „Schlauch“ Bernd Köhler so schön berührend singt, dass es auch den ZuschauerInnen ans Gemüt geht: „Allen Menschen gleiches Recht, keine Herren, keine Knecht, alle Menschen frei und gleich, keiner arm und keiner reich“.

 

TiPP!
Die DVD ist beim Neuen ISP Verlag (www.neuerispverlag.de) erschienen und kann für 12,80 Euro auch auf der Homepage des RSB unter www.rsb4.de/strikebike bestellt werden. Mit der ISBN 978-3-89900-128-0 ist der Film auch in allen Buchläden erhältlich.

 

 

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