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Innenpolitik

Solidarität mit Wilfried Helbig, Isa Kreft und Martin Lesch

Von B.B. | 01.10.2004

Die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands stellte bei der Staatsanwaltschaft Leipzig Strafanzeige gegen zwei Organisatoren der Leipziger Montagsdemonstrationen, Wilfried Helbig und Isa Kreft, sowie gegen Verdi- Gewerkschaftssekretär Martin Lesch.

Die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands stellte bei der Staatsanwaltschaft Leipzig Strafanzeige gegen zwei Organisatoren der Leipziger Montagsdemonstrationen, Wilfried Helbig und Isa Kreft, sowie gegen Verdi- Gewerkschaftssekretär Martin Lesch.

Demnach sollen Kreft und Helbig über die Leipziger Konferenz vom 28. August verbreitet haben: “Den Versuch einer Partei (MLPD), durch die – auch mit Körpereinsatz erfolgte – Eroberung des Mikrofons und inszenierte Abstimmungen, die Veranstaltung quasi als Sonderparteitag zu beenden, betrachten wir als gescheitert”. Die MLPD, die Woche für Wocheq andere Linke “aktuell” denunziert, fühlt sich dadurch “verunglimpft”, “verleumdet” und “beleidigt”.
Beleidigt scheint auch eine Frau Gärtner-Engel, die ebenfalls Strafanzeige stellte. Denn die angeblichen Äußerungen “sind auch geeignet, MLPD und Monika Gärtner-Engel verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen…. Frau Gärtner-Engel kandiert bei der Kommunalwahl in Gelsenkirchen als Oberbürgermeisterin…”. Vielleicht sollte die MLPD die Wiedereinführung des Majestätsbeleidigungsparagraphen zum Schutz von OberbürgermeisterkandidatInnen fordern! Hatte sie nicht jüngst angeprangert, dass ein Leiter der Bündnisdemo in Berlin mit der Polizei gegen die ML-geführte Montagsdemo zusammengearbeitet hätte? Oder ist der Klassencharakter der Staatsanwaltschaft im Kapitalismus ein anderer als der der Polizei?

Strafanzeige gegen Verdi-Sekretär

Noch schlimmer verhält es sich mit der MLPD-Anzeige gegen den Verdi-Sekretär Martin Lesch (PDS). Er soll im Anschluss an eine Sitzung im Leipziger Gewerkschaftshaus gesagt haben: “Die MLPD, das sind Verbrecher”. Seit wann werden Konflikte innerhalb der Gewerkschaften und der Linken über die Staatsanwaltschaft ausgetragen? Damit führt die MLPD, die zu Recht die Unvereinbarkeitsbeschlüsse anprangert, noch viel schlimmere Methoden der Auseinandersetzung in die Gewerkschaftsbewegung ein. Aber in alter stalinistischer Tradition sieht die MLPD alle anderen linken Strömungen als Ausdruck einer feindlichen Klasse ( “proletarische” vs. “kleinbürgerliche” Denkweise). Entsprechend tritt die Partei auf.
Die Anzeige gegen Martin Lesch wirft weitere Fragen auf: Sammelt die MLPD Daten über andere Linke, zentralisiert sie und prüft, gegen wen sie Strafanzeige stellen kann? Es braucht schon einigen Aufwand, um Gespräche im “Anschluss an eine Sitzung” im Leipziger Gewerkschaftshaus festzuhalten, von dort bis nach Gelsenkirchen weiterzugeben und juristisch auszuwerten.

Der Startvorsprung schmilzt

Die MLPD und ihre Vorläufer sind zwar im Ruhrgebiet und im Raum Stuttgart vertreten, führen aber seit 25 Jahren ein isoliertes Dasein. Zuletzt verheizte die Partei ihre Betriebskader in Märtyreraktionen – was natürlich weder Repression noch Unvereinbarkeitsbeschlüsse rechtfertigte. Die Betriebsferne der MLPD wurde offensichtlich, als sie die Niederlage im Kampf um DaimlerChrysler in einen Erfolg umdichtete, um so ihren Mitgliedern das Bild von der “Arbeiteroffensive” zu bewahren.
Doch als in Magdeburg die Montagsdemonstrationen begannen, standen die „Marxisten-Leninisten“ in den Startlöchern. Denn vor einem halben Jahr war zwar eine parteieigene Montagskampagne mangels Echo gescheitert. Nun aber hatte die MLPD eine fertige Linie (“Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir”), eine Methode (“offenes Mikrofon”) und die Technik griffbereit.
Ihren Startvorsprung gegenüber anderen Linken verwechselte sie mit wachsendem politischem “Massen”einfluss. Während der dahinschmolz und sich die MLPD in der Bewegung isolierte, wollte das ZK den politischen Durchbruch erzwingen und zeigen, dass sie die stärkste der Parteien ist. Daher die MLPD-Demonstration am 3. Oktober, daher die Strafanzeigen, daher das unsägliche Auftreten an den einzelnen Orten.

Unverdaulicher Politmix

Die Positionen der MLPD haben ihre eigene Geschichte und der Gegensatz Volk – Monopole seine eigene Logik. Wie aber diese Politik bei den Montagsdemonstrationen ankommt, ist eine andere Sache. Für den weniger bewussten Teil der DemonstrantInnen ist die “Volks”argu-mentation der MLPD kaum von der der Rechtsradikalen zu unterscheiden. Und wo soll die Nachhut der Montagsbewegung den Klassenunterschied beim Versuch sehen, den Tag der Deutschen Einheit positiv zu besetzen? Hier wirkt die Agitation der MLPD “völkisch” und “nationalistisch”.
Dagegen ist die Ablehnung einer Aktionseinheit mit “Gemäßigten” (z.B. attac, Gewerkschaften) bzw. Zusammenarbeit nur mit deren “Basis”, die mit zur Begründung der MLPD-Demo am 3. Oktober herhalten muss, “ultralinks”. Sie stößt gerade bei dem Teil der DemonstrantInnen auf Widerhall, die sich bereits von “den Gewerkschaften” verraten fühlen und von ihnen nichts mehr erwarten. Die Denunziation anderer Linker nach dem Motto “die sind ja gar nicht richtig gegen Hartz IV” passt in dieses vereinfachte Weltbild. Und wenn die Partei, die nicht einmal das Tendenz- und Fraktionsrecht in ihren Reihen kennt, bei Demonstrationen lauthals mehr “Demokratie” am “offenen Mikrofon” einfordert, nur um reihenweise ihre RednerInnen auftreten zu lassen, dann stellt sie sich all denjenigen als ausgegrenzte, verfolgte Minderheit dar, die sich selbst als aus “der Demokratie” ausgeschlossen erleben. Die MLPD bedient nicht nur solche Stimmungen, sie bietet diesen Menschen auch eine “Heimat” – von der “roten Silvesterfeier” bis zum Personenkult um Stefan Engel und Monika Gärtner-Engel –, die sie woanders nicht finden. Der ultralinke-rechtspopulistische Politmix macht die Politik der MLPD gefährlich.

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