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Betrieb & Gewerkschaft

Siemens strebt weitere tarifliche Verschlechterungen an

Von Carlo | 01.09.2004

Im August wurde der Gesamtbetriebsrat von Siemens offiziell unterrichtet: Das Unternehmen will im Zuge der Neuordnung des Deutschlandgeschäfts bis Ende dieses Jahres sämtliche MitarbeiterInnen der Nieder-lassungen, Geschäftsstellen und Vertriebsstützpunkte in den Geltungsbereich der „Tarifvertraglichen Sondervereinbarung“ überführen.

Im August wurde der Gesamtbetriebsrat von Siemens offiziell unterrichtet: Das Unternehmen will im Zuge der Neuordnung des Deutschlandgeschäfts bis Ende dieses Jahres sämtliche MitarbeiterInnen der Nieder-lassungen, Geschäftsstellen und Vertriebsstützpunkte in den Geltungsbereich der „Tarifvertraglichen Sondervereinbarung“ überführen.

Bislang gilt dieser Tarifvertrag „nur“ für rund 12.000 Beschäftigte verschiedener Siemens-Gesellschaften (wie SBT, STS u.a.). Mindestens 30.000 MitarbeiterInnen wären von den schlechteren Bedingungen betroffen. Um diesen Angriff auf die Rechte der Beschäftigten abzuwehren, müsste die IGM schon längst für ihren für Ende September geplanten bundesweiten Protesttag mobilisieren. Doch nach dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung am 24.6.2004 „zur Sicherung der Beschäftigung und der Standorte in Deutschland“ werden nur noch für weitere Standorte Ergänzungstarife verhandelt.
In einer Infoschrift von Siemens hält sich das Unternehmen mit konkreten Ankündigungen zurück – wenngleich die Andeutungen in eben diese Richtung weisen: „Ein flexibleres Tarifmodell“ sei „im Gespräch“, eine Veränderung der Arbeitsbedingungen „möglich“, da mehr Flexibilität in der Entlohnung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit notwendig sei, etwa durch das Anheben erfolgsabhängiger und Absenken fester Gehaltsanteile. Auch die 40-Stunden-Woche werde eine Rolle spielen.

Standorte gefährdet

Weitere Standorte sind gefährdetet: PTD Kirchheim und Nürnberg, ICN Bruchsal und A&D Karlsruhe. Für die Bewertung von Abbauplänen hat der Siemens-Gesamtbetriebsrat externe Berater eingeschaltet.
Am 28.9. wird Siemens der IG Metall die Planungen und die wirtschaftliche Situation in Deutschland darstellen, um den Wunsch nach Ausweitung der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung zu begründen. Gemäß Rahmenvereinbarung muss Siemens der IG Metall darlegen, dass es wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt und dass betrieblich alles unternommen wurde, bevor an die Substanz des Tarifvertrages gegangen werden kann…
Neuer COM-Bereich: Über Details der beschlossenen Zusammenlegung von ICN und ICM wird erst im Herbst informiert. Klar ist aber jetzt schon: Es fallen Jobs in den Zentralfunktionen weg; betroffen v. a. München. Freiwerdende F&E-Kapazitäten (z.B. wegen Doppelentwicklungen) sollen dagegen in Innovationen gesteckt werden.

Vereinbarungen für Bocholt und Kamp-Lintfort

Die Beschäftigten in diesen Werken erwarten, dass „wir in zwei Jahren besser dastehen als jetzt“. Sie erwarten, dass es für Siemens dann politisch unmöglich ist zu schließen, zu verlagern oder erneut zu erpressen.
Haben sich die Opfer gelohnt? Ob der Verbleib am Standort die jetzt erbrachten Opfer wirklich wert ist, wird von vielen betroffenen KollegInnen bezweifelt. Es herrscht die Befürchtung vor, dass die Lohneinbußen eben nur Zeit erkaufen, und damit in zwei Jahren die von Siemens vorgebrachten betriebswirtschaftlichen Gründe für die Ungarnverlagerung als „hervorragendes Machtmittel“ für einen neuen Anlauf greifen werden. Die Verhandlungsführung durch den Betriebsrat wird stark unterschiedlich beurteilt, wobei viele auch meinen, dass gegen das knallharte Siemens-Diktat eine „faire Verhandlung praktisch unmöglich“ gewesen sei.
Der IG Metall wird vorgeworfen, sie habe zu wenig Widerstand geleistet. Den standortübergreifenden Druck, zum Beispiel durch den Aktionstag am 18. Juni, sowie die damit verbundene Solidarität an nicht bedrohten Standorten haben die Bocholter und Kamp-Lintforter unterschiedlich empfunden. Die Eindrücke variieren zwischen „ganz okay“ und „hätte noch größer sein müssen“ bis hin zu „definitiv zu wenig.“

Arbeitskreis Siemens

Der Arbeitskreis Siemens in Frankfurt, in dem engagierte Vertrauensleute aller Siemens Betriebe in der Region Frankfurt zusammenarbeiten, hatte am 26. Juli den „Kollegen Huber“ aufgefordert, eine Tarifkommission nach den Richtlinien der IG Metall in Gang zu bringen, wenn die Siemens AG den nächsten Angriff gegen die Tarifverträge startet. Diese Tarifkommission soll allerdings nicht über Verschlechterungen in einem Ergänzungstarifvertrag verhandeln, sondern verhindern, dass Siemens mit Betriebsräten über Verschlechterungen spricht, wie schon 1997 geschehen. Erst wenn klar sei, wohin die Reise geht, will der Vorstand der IG Metall über die Bildung und Einberufung einer Tarifkommission für die Niederlassungen entscheiden.
Weiterhin fordert der Arbeitskreis vom Siemens Team der IG Metall, das die Arbeit aller Siemens Standorte koordiniert, endlich Sorge dafür zu tragen, einen zweiten Aktionstag vorzubereiten, um den Druck auf Siemens zu erhöhen und zu zeigen, dass die KollegInnen in den bedrohten Standorten nicht allein dastehen.

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