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Innenpolitik

Schill out?

Von joe hill | 01.02.2004

Nach der Entlassung Ronald Schills als Senator im Dezember 2003 und dem Senatsrücktritt und der Spaltung der Partei  Rechtsstaatliche Offensive scheinen die Hamburger Rechtspopulisten nach über 19% bei den Wahlen 2001 in der Versenkung zu verschwinden.

Nach der Entlassung Ronald Schills als Senator im Dezember 2003 und dem Senatsrücktritt und der Spaltung der Partei  Rechtsstaatliche Offensive scheinen die Hamburger Rechtspopulisten nach über 19% bei den Wahlen 2001 in der Versenkung zu verschwinden.

Zumindest hat Schill jedenfalls seinen Status als Liebling der Hamburger Tagespresse verloren. Die Zeiten sind vorbei, wo jeder seiner Rülpser wohlwollend kommentiert wurde. Selbst bei der Springer-Presse macht sich Häme breit. Auch seine Partei musste Schill aufgeben – was dazu führen kann, dass diese in der Versenkung verschwinden wird. Denn wer will schon eine Schillpartei ohne Schill, welche sich nicht einmal mehr so nennt und von einigen Ausrutschern (Eintrittsangebot an Hohmann) zum pflegeleichten Juniorpartner der CDU geworden ist. In den letzten Monaten häuften sich dabei Vorkommnisse, welche an das Querulantentum in Schrebergartenvereinen erinnerte: gegenseitige Ausschlussdrohungen, garniert mit paranoid anmutenden Komplottvorwürfen.
Obdach beim Multimillionär
Schill hat nun wieder einen "eigenen" Verein. Er fand bei dem bizarren Multimillionär und Herausgeber des Börsendienstes Effecten-Spiegel, Bolko Hoffmann, Obdach. Dessen Partei PRO-DM war in der Vergangenheit durch Wahlagitation mittels ganzseitiger Anzeigen gegen die Euroeinführung und die Abwesenheit sonstiger sichtbarer Aktivitäten aufgefallen. Ob die Liaison zwischen den zwei Selbstdarstellern und Alleinherrschern Hoffmann und Schill gut gehen wird, ist fraglich – immerhin haben beide erst einmal das bekommen, was sie haben wollten: Schill & Co. bekommen Geld für den Wahlkampf und ein Parteilabel, Hoffmann bekommt Mitglieder.
Seriös-schmuddeliger Populismus
Die Spaltung der Schillpartei verlief entlang deutlicher Grenzen. Auf der einen Seite die auf Seriosität bedachten ehemaligen Hinterbänkler von CDU, FDP und SPD um Mettbach, Nockemann und Frühauf, auf der anderen Seite (so innerhalb der Parlamentsfraktion) die politischen Neueinsteiger, "kleine Leute" (ob lohnabhängig oder selbständig) mit einer bizarr anmutenden Fixierung auf den Übervater Schill. Für diese Formation ist die Rücksichtnahme auf die KoalitionspartnerInnen weniger wichtig als der öffentliche Tabubruch und die Verbreitung von Ressentiments, mit welchen nach AnhängerInnen gefischt wird. Und zumindest die Umfragen scheinen Schill da recht zu geben: 5% für seine Gefolgschaft, während die ohne charismatische Führungsfigur dastehenden "Seriösen" unter einem Prozent liegen.
Kleinbürgerliche Interessenvertretung
Schill und Konsorten können als genuine Interessenvertretung kleinbürgerlicher Kreise angesehen werden. Diese nehmen dabei auch die Konfrontation mit der Bourgeoisie in Kauf, die gerade in ruhigeren Zeiten in einer exportorientierten Stadt wie Hamburg wenig Interesse an rechten Ausfällen hat – auch wenn sich dies im Wesentlichen auf Feldern der symbolischen Politik und der Geschäftsschädigung erstreckte. Bis zum Herbst 2003 hatte Schill dabei als Mehrheitsbeschaffer der Regierungskoalition eine gewisse Narrenfreiheit, nun fühlt sich die CDU aber stark genug, ohne schmuddelige Unterstützung auszukommen. Schill selber ist aber gerade auf derartige Ausfälle angewiesen, um seine AnhängerInnen bei der Stange zu halten, zumal er in seiner Regierungsarbeit nicht mit vorweisbaren und realen Erfolgen aufwarten konnte.
CDU profitiert
Sieger bei der ganzen Auseinandersetzung ist die CDU. Ihr wird es bei den kommenden Wahlen vermutlich gelingen, die Mehrheit der ehemaligen Schill-WählerInnen für sich zu gewinnen. Die Partei Rechtsstaatliche Offensive wird in die politische Bedeutungslosigkeit abstürzen, durch den kurzen Zeitraum vor den vorgezogenen Neuwahlen am 29. Februar wurde es auch mit den Mettbach, Nockemann & Konsorten nachgesagten Wechselgelüsten zur CDU (nebst sicherem Listenplatz) nichts. Für Schills Partei ergeben sich aber nach wie vor Chancen – den Raum rechts von der CDU mit einer Partei auszufüllen, welche sich weniger über die historische deutsche Rechte und latente NS-Apologie als über die Ressentiments des Normalspießers und den in allen Parteien weit verbreiteten alltäglichen Rassismus definiert. Gerade nach Schills Rauswurf aus dem Senat artikulierten viele "ganz normale Menschen", dass "die" oder "sie" mit Schill übel umgesprungen sind. Ob das Zusammengehen mit Bolko Hoffmann allerdings gut gehen wird, ist fraglich – denn in rechten Parteien kann es längerfristig nur einen Wortführer geben.

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