Regierung der extremen Rechten steht bevor

Durchstrichenes Gesicht von FPÖ-Chef Herbert Kickl Foto: Ivan Radic, cc-by 2.0

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Österreich

Regierung der extremen Rechten steht bevor

Von Korrespondent Österreich | 15.01.2025

Bei den österreichischen Parlamentswahlen am 29. September wurde die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter der Führung von Herbert Kickl mit 28,85 % knapp vor der rechtskonservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit 26,27 % stärkste Partei. Die Sozialdemokraten landeten mit 21,1 auf dem dritten Platz. Da die Sozialdemokraten eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene von vornherein ausschlossen, konnten es sich die Konservativen aussuchen, ob sie lieber mit Kickl oder mit den Sozialdemokraten regieren.

Die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten und den liberalen Neos über eine Regierungskoalition wurden von Neos und den Konservativen beendet. Beide waren nicht im Geringsten bereit, über eine Beteiligung von Reichen und Superreichen an der notwendigen Budgetsanierung (Wiedereinführung einer Erbschafts- oder Vermögenssteuer) auch nur zu verhandeln, so groß war der Druck auf beide bürgerlichen Partei von Seiten des Kapitals. Die Sozialdemokraten schlugen auch Alternativen wie eine Bankenabgabe vor – alles wurde vom Tisch gewischt. Der konservative Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich im Wahlkampf darauf festgelegt hatte, sich keinesfalls zum Steigbügelhalter für Kickl zum Kanzleramt zu machen, trat daraufhin am 4. Januar als Kanzler und als Parteichef zurück.

Seitdem haben sich die Konservativen bereit erklärt, eine Regierung mit den Rechtsextremen unter einem Kanzler Kickl zu bilden. Kickl hat erfolgreich damit lobbyiert, indem er den Kapitalverbänden versprach, das Wirtschaftsprogramm der Konservativen umzusetzen, wenn er dafür das Kanzleramt und wichtige Ministerien besetzen kann. Der Druck des Kapitals auf Konservative und Liberale war offenbar so erdrückend, dass die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten zum Scheitern gebracht wurden, die eine gerechtere Verteilung der Lasten aus der notwendigen Budgetsanierung, also eine bescheidene Kapitalsteuer, verlangt hatten.

Eine Politik gegen die Arbeiterklasse

FPÖ und ÖVP wissen, dass die Umsetzung dieser massiven Umverteilung von unten nach oben, was dem Wirtschaftsprogramm der ÖVP entspricht, zu einem Stimmungsumschwung in der Bevölkerung führen wird.

Geplant sind die Zerstörung oder zumindest eine erhebliche Schwächung des Gesundheitssystems (20%-ige Kürzung allein im Krankenhaussektor und weitere Privatisierungen); Angriffe auf die ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst (Einfrieren der Gehälter von LehrerInnen, Krankenschwestern und PolizistInnen) und auf die Pensionist:innen (Einfrieren der Pensionen und Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters); eine „Arbeitsmarktreform“, d. h. Leistungskürzungen und Verschärfung der Beschäftigungsbedingungen; Erhöhung der Massensteuern. Es ist zu erwarten, dass sich die Menschen als Reaktion auf solche Maßnahmen bald von der ÖVP und der FPÖ abwenden werden.

Aus diesem Grund und aufgrund der laufenden Verfahren gegen führende Vertreter:innen von ÖVP und FPÖ sind beide Parteien an der Schwächung demokratischer Kontrollen und der Rechtsstaatlichkeit interessiert. Geplant sind etwa die Schwächung oder Beseitigung der Unabhängigkeit des öffentlichen Fernsehens und Rundfunks und eine massive Einflussnahme auf die wichtigsten Printmedien (u. a. Anzeigenkorruption).

Die Schwächung der „Arbeiterkammer“ (die ihren Ursprung in der Revolution von 1918/19 hat) oder sogar ihre Zerstörung durch die Senkung oder Abschaffung der Mitgliedsbeiträge für diese Kammer ist ein weiterer Ansatzpunkt.

Dasselbe gilt für die Unabhängigkeit der Justiz (Einstellung von Verfahren, Verhinderung von Ermittlungen und der Einleitung neuer Verfahren), des Rechnungshofs, des Instituts für öffentliche Statistik Österreichs oder auch der öffentlichen Verwaltung: Die Installation von politischen Generalsekretären in allen Ministerien unter der Regierung Sebastian Kurz lässt erahnen, in welche Richtung es gehen soll. Sebastian Kurz, ein provokativer Jungpolitiker, war 2018/19 bereits 17 Monate lang Kanzler einer sogenannten „türkis-blauen“ Koalition (ÖVP-FPÖ), doch damals waren die Konservativen noch ein wenig stärker als die extreme Rechte…

Rassismus und Reaktion im Mittelpunkt des Programms

Durch eine weitere Verschärfung fremdenfeindlicher und minderheitenfeindlicher Maßnahmen soll die Unzufriedenheit auf vermeintliche Sündenböcke (Flüchtlinge, Migrant:innen, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger:innen, LGBTIQ+ oder auch gesellschaftskritische Künstler:innen) umgelenkt werden.

Darüber hinaus befürworten FPÖ und ÖVP alles, was die Klimakrise nährt, und treten für die Aufgabe der Klimaziele ein.

Breite Bündnisse zur Verteidigung demokratischer und sozialer Rechte und gegen die „Orbanisierung“ sind jetzt ein Gebot der Stunde. Entscheidend für den Erfolg dieser Verteidigungsaktionen wird sein, ob sich die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften mit ganzer Kraft an der Abwehr beteiligen (Organisationen links von der Sozialdemokratie spielen in Österreich nur eine sehr kleine Rolle). Dies wird – angesichts der lähmenden Jahrzehnte der Sozialpartnerschaft, in der die durchschnittlichen Streikzeiten in Minuten, wenn nicht gar nur Sekunden pro Person und Jahr (!) gemessen wurden – eine sehr große Herausforderung.

Gleichzeitig müssen wir ein offensives linkes Programm entwickeln und nicht nur den Rechtspopulismus der FPÖ, sondern auch die neoliberale Ideologie der „Neos“ entzaubern.

Mittel- und langfristig wird es nur möglich sein, den Rechtsruck zu stoppen, wenn in Österreich wieder eine starke, radikale soziale und politische Linke entsteht, die dem blau-schwarzen Populismus standhalten kann.


Diesen Artikel hat ein Genosse von der Sozialistischen Alternative (SOAL), der österreichischen Sektion der Vierten Internationale, auf Anfrage der Redaktion der französischen Zeitung LʼAnticapitaliste, der Wochenzeitung der NPA-A, geschrieben. Eine gekürzte Fassung erscheint dort in der Ausgabe vom 16. Januar.

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