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Geschichte und Philosophie

Rede Trotzkis zur Gründung der IV. Internationale

Von Übersetzung: Arthur Bakker, September 2008 | 01.11.2008

Trotzkis Rede wurde am 18.10.1938 in seinem Exil in Mexiko auf Tonband aufgenommen und zehn Tage später auf einer Feier zur Gründung der IV. Internationale und dem zehnjährigen Jubiläum der Linken Opposition der USA vor mehreren Tausend Anhängern in New York abgespielt. Die Liveübertragung einer Rede war vorher an der Sabotage seiner Gegner gescheitert. Trotzki hielt die Rede sehr agitatorisch, obwohl sie auch wichtige Kernpunkte seiner Politik enthält. Avanti hat die Rede übersetzt und druckt sie erstmals in deutscher Sprache ab.

Trotzkis Rede wurde am 18.10.1938 in seinem Exil in Mexiko auf Tonband aufgenommen und zehn Tage später auf einer Feier zur Gründung der IV. Internationale und dem zehnjährigen Jubiläum der Linken Opposition der USA vor mehreren Tausend Anhängern in New York abgespielt. Die Liveübertragung einer Rede war vorher an der Sabotage seiner Gegner gescheitert. Trotzki hielt die Rede sehr agitatorisch, obwohl sie auch wichtige Kernpunkte seiner Politik enthält. Avanti hat die Rede übersetzt und druckt sie erstmals in deutscher Sprache ab.

Ich hoffe, dass meine Stimme euch dieses Mal erreichen kann und es mir erlaubt ist, so an eurer doppelten Feier teil zu haben. Beide Ereignisse – der zehnte Jahrestag unserer amerikanischen Organisation und der Gründungskongress der IV. Internationale1 – erfordern die Aufmerksamkeit der Arbeiter unvergleichlich mehr, als das kriegerische Säbelrasseln der totalitären Machthaber, die diplomatischen Intrigen oder die pazifistischen Kongresse. Beide Ereignisse werden in die Geschichte der Menschheit als wichtige Meilensteine eingehen. Niemand hat das Recht, daran zu zweifeln.

Es ist notwendig zu bemerken, dass die Geburtsstunde der amerikanischen Gruppe der Bolschewiki-Leninisten, die auf die couragierte Initiative der Genossen Cannon, Shachtman und Abern2 zurückgeht, nicht für sich alleine steht. Sie fällt ungefähr zusammen mit dem Beginn der systematischen internationalen Arbeit der Linken Opposition. Es ist richtig, dass die Linke Opposition 1923 in Russland entstand, aber die reguläre Arbeit auf internationaler Ebene begann mit dem 6. Kongress der Komintern.

Ohne persönliche Begegnung erreichten wir eine Übereinkunft mit den amerikanischen Pionieren der IV. Internationale, vor allem in der Kritik des Programms der Kommunistischen Internationale. Dann, 1928, begann die kollektive Arbeit, die nach zehn Jahren zu der Formulierung unseres eigenen Programms führte, das kürzlich auf unserer internationalen Konferenz angenommen wurde. Mit Recht können wir behaupten, dass die Arbeit der letzten Dekade nicht nur beharrlich und geduldig, sondern auch sehr redlich war. Die Bolschewiki-Leninisten, die internationalen Pioniere, unsere Genossen in der ganzen Welt, suchten den Weg der Revolution als wahre Marxisten, nicht mit ihren Gefühlen und Wünschen, sondern durch die objektive Analyse des Gangs der Ereignisse. Vor allem waren wir von der Sorge geleitet, weder uns noch andere zu täuschen. Wir forschten ernsthaft und redlich. Einige wichtige Dinge haben wir herausgefunden. Die Ereignisse bestätigen sowohl unsere Analyse als auch unsere Prognose. Das kann niemand bezweifeln. Es ist jetzt erforderlich, zu uns und unserem Programm fest zu stehen. Das ist nicht einfach. Die Herausforderungen sind gewaltig, die Feinde – unzählbar. Wir haben nur insofern das Recht, unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit für diese Jubiläumsfeier zu verwenden, um aus der Geschichte zu lernen und uns auf die Zukunft vorzubereiten.

Liebe Freunde, wir sind keine Partei wie die anderen Parteien. Unsere Ziele sind nicht nur mehr Mitglieder, mehr Zeitungen, mehr Geld in der Kasse, mehr Abgeordnete. All das ist notwendig, aber nur ein Instrument. Unser Ziel ist die völlige materielle und geistige Befreiung der Geplagten und Ausgebeuteten durch die sozialistische Revolution. Niemand wird sie vorbereiten und führen außer wir selbst. Die alten Internationalen – die Zweite, die Dritte, die Amsterdamer, und wir rechnen ihnen auch das Londoner Büro hinzu – sind durch und durch verrottet.

Die großen Ereignisse, die über die Menschheit hinwegfegen werden, werden von diesen überlebten Organisationen keinen Stein mehr auf dem anderen lassen. Nur die IV. Internationale schaut voller Zuversicht in die Zukunft. Sie ist die Weltpartei der sozialistischen Revolution! Es gab nie eine größere Aufgabe auf der Welt. Auf jedem von uns lastet eine gewaltige historische Verantwortung.

Unsere Partei erfordert jeden von uns voll und ganz. Lasst die Philister ihrer eigenen Individualität im luftleeren Raum nachjagen. Für einen Revolutionär kann nur die völlige Hingabe an die Partei seine Selbstverwirklichung bedeuten. Ja, unsere Partei nimmt jeden von uns völlig in Anspruch. Aber die Belohnung wird für jeden von uns das größte Glück sein: das Bewusstsein, an dem Aufbau einer besseren Zukunft mitgewirkt zu haben, dass man ein kleines Partikelchen des Schicksals der Menschheit auf seinen Schultern trägt, und dass das Leben, das man lebte, nicht nutzlos war.

Unsere Treue zur Sache der Arbeiter erfordert von uns die höchste Hingabe an unsere internationale Partei. Natürlich, auch die Partei kann Fehler machen. Mit gemeinsamer Anstrengung werden wir diese Fehler korrigieren. In ihre Reihen können sich unwürdige Elemente einschleichen. Mit gemeinsamer Anstrengung werden wir sie beseitigen. Tausenden, die morgen zu uns stoßen, wurde vielleicht die notwendige [politische] Erziehung vorenthalten. Mit gemeinsamer Anstrengung werden wir ihr revolutionäres Bewusstsein heben. Aber wir werden nie vergessen, dass wir mit unserer Partei nun den größten Hebel der Geschichte besitzen. Ohne diesen Hebel ist jeder von uns ein Niemand. Mit diesem Hebel in der Hand sind wir alles! Alles! Alles!

Wir sind keine Partei wie die anderen Parteien. Nicht umsonst verfolgt uns die imperialistische Reaktion wie wild; wie Furien haben sie sich an unsere Fersen geheftet. Die Agenten der Moskauer bonapartistischen Clique sind ihre dienstbaren Mörder. Schon jetzt zählt unsere junge Internationale viele Opfer. In der Sowjetunion gehen sie in die Tausende, in Spanien in die Dutzende. In anderen Ländern sind es Einzelne. In diesen Momenten gedenken wir ihrer mit Anerkennung und Liebe. Ihr Geist kämpft in unseren Reihen weiter.

Die Henker glauben in ihrer Dummheit und in ihrem Zynismus, uns ängstigen zu können. Sie irren! Im Sturm werden wir noch stärker. Die bestialische Politik Stalins ist nur eine Politik der Verzweiflung. Es ist möglich, einzelne Soldaten unserer Armee zu töten, aber man kann uns nicht einschüchtern. Freunde, und besonders ihr meine jungen Freunde, wir werden an diesem Tag der Feier wiederholen… es ist nicht möglich, uns einzuschüchtern!

Zehn Jahre brauchte die Kreml-Clique, um die bolschewistische Partei zu erwürgen und den ersten Arbeiterstaat in eine unheimliche Karikatur zu verwandeln. Zehn Jahre brauchte die III. Internationale, um ihr eigenes Programm einzustampfen und sich selbst in einen stinkenden Leichnam zu verwandeln. Zehn Jahre! Nur zehn Jahre!

Erlaubt mir mit einer Voraussage zu schließen: Während der nächsten zehn Jahre wird das Programm der
IV. Internationale der Leitfaden für Millionen. Und diese revolutionären Millionen werden wissen, wie Himmel und Erde erstürmt werden!
Lang lebe die Sozialistische Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten! Lang lebe die IV. Internationale!

1     Die IV. Internationale wurde am 3. September 1938 in einem Vorort von Paris gegründet.
2     James P. Cannon (1890-1974) war einer der Gründer der KPUSA und nach seinem Ausschluss der Linken Opposition, später der SWP. Führendes Mitglied der IV. Internationale; Max Shachtmann (1904-1972), linksoppositioneller Kommunist, Gründer der SWP, brach 1940 mit Trotzki; Martin Abern (1898-1949), linksoppositioneller Kommunist, Gründer der SWP, brach mit Trotzki 1940.

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