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Innenpolitik

Razzia bei anti-atom-aktuell

Von Karl Lindt | 01.09.2005

Die Redaktionsräume der Zeitschrift anti-atom-aktuell in Tollendorf/Wendland wurden durch Polizei durchsucht und wichtige Daten und Geräte beschlagnahmt.

Am 11. August waren die Redaktionsräume der Zeitschrift anti-atom-aktuell (aaa) sowie zwei Privatwohnungen der Redakteure von rund 35 Bereitschaftspolizisten und zivilen Staatsschutzbeamten durchsucht worden. Beschlagnahmt wurden bei dieser Aktion sämtliche Computer und einige Kisten mit Unterlagen.  Auf der Homepage zum prekär-camp (5.8.–13.8.2005 Wendland), die einem Redaktionsmitglied gehört, soll laut Durchsuchungsbefehl unter Verwendung des Begriffs „Yomango“  zu Straftaten aufgerufen worden sein.
Anklage wegen  „Yomango“-Aktion
„Yomango“ ist ein  umgangssprachlicher Begriff aus dem Spanischen für „Ich klaue“. Weltweit wird seit einigen Jahren durch Yomango-Aktionen von sozialen Initiativen darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen, um zu überleben, stehlen müssen. Der Öffentlichkeit werden im Zusammenhang mit solchen Aktionen die gesellschaftlichen Ursachen dieser „Eigentumsdelikte“ vermittelt.
Die Polizei bezieht sich in der Begründung für die Razzia auf eine Stelle im Programm des Camps, welches auf der genannten Homepage veröffentlicht wurde. Für den 10.8. war dort angekündigt: „11.30 Lüchow am Tag YOMANGO-Modenschau (möglichst mit Umsonst-Büfett)“. Der Begriff Yomango wird dabei weder auf der Homepage erklärt, noch ausdrücklich erwähnt, dass Warendiebstahl begangen werden soll. Letztendlich hat weder die Modenschau noch das Büfett, oder etwas Ähnliches stattgefunden. Alleine die schwammige Ankündigung reichte der Polizei und dem Gericht als Grund für eine Hausdurchsuchung. In vielen Punkten sind dabei Ungereimtheiten zu entdecken.

Trotz Repression – es wird weiter „Druck“ gemacht
Die Polizei hatte die Razzia am 5. August beantragt. Der Richter stimmte drei Tage später zu. Die zur Begründung genannte Aktion hätte am 10. August sein sollen. Welcher Sinn ergibt sich aus polizeilicher Sicht für eine Maßnahme am 11.8.? Für Strafvereitelung ist es zu spät, die Urheberschaft für eine Tat, die nicht stattgefunden hat, ist nicht zu ermitteln. Außerdem ist im Strafgesetzbuch festgelegt, dass AnstifterInnen nicht schwerer bestraft werden dürfen als TäterInnen. Der durch die Beschlagnahme der Computer und Daten angerichtete Schaden übersteigt aber das Maß einer theoretisch zu entrichtenden Strafe der nicht vorhandenen TäterInnen bei weitem.
Die Redakteure der seit 1989 erscheinenden Zeitschrift sehen in der Durchsuchung einen Versuch, das in der Anti-Atom-Szene wichtige Heft zu kriminalisieren. „Mit einer Begründung, die mehr als offenkundig fadenscheinig ist, soll missliebige Recherche und Meinungsbildung behindert werden“, heißt es bei der aaa. „Wir lassen nicht zu, dass die Bewegung mundtot gemacht wird“, erklärten VertreterInnen des anti-atomaren Widerstands und stellten spontan Rechner zur Verfügung. Mit einem notdürftig zusammengeschlossenen Netzwerk ist es der Redaktion nun doch wieder möglich ihre Arbeit an der aaa Nr. 165 fortzuführen. Am 5. September soll das neue Heft mit dem Schwerpunkt „anti Atom in Hartzigen Zeiten“ dann pünktlich erscheinen.

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