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Innenpolitik

Rauchzeichen

Von Thadeus Pato | 01.06.2005

Es ist schon ein Kreuz mit dem Regieren. In einer Zeit, in der die Vorgaben für die Politik direkt aus den Vorstandsetagen von VW kommen, fällt es schwer, Themen zu finden, mit denen man Gott Aktienkurs, Sohn Rendite und heiligen Geist Geschäftsklima nicht vergrätzt und gleichzeitig publikumswirksam punkten kann. Wie schön, dass es da noch die Zigaretten gibt. Oder sollte man tatsächlich annehmen, dass die Frau Gesundheitsministerin erst jetzt die teilweise schon zwanzig Jahre alten Untersuchungen über die Zusatzstoffe im Rauchtabak gelesen hat?

Die Fakten jedenfalls sind seit langem bekannt und belegt: Die Zigarettenindustrie mischt in ihre Produkte hunderte von Zusatzstoffen, von Abbrennhilfen über Feuchthalter bis hin zu Geschmacksstoffen. Dieser Chemiemix erzeugt beim Abbrand teilweise recht putzige neue Verbindungen, die wahrscheinlich für zumindest einen Teil der Suchtwirkungen verantwortlich ist. Eine Deklarationspflicht gab und gibt es bis heute für die jeweiligen Mixturen nicht. Die Frau Ministerin kam auch gar nicht auf die Idee, derartiges von der Industrie zu verlangen – schließlich hat heute jeder Sozialhilfeempfänger einen PC mit Internetanschluß und kann auf der Ministeriumswebsite nachschauen, was er so alles täglich inhaliert.
Einige Oppositionsabgeordnete witterten ebenfalls ein Thema, mit dem man von der derzeitigen großen Koalition in Sachen Sozialabbau ablenken kann und setzten gleich noch einen drauf: Zigaretten sollen verboten werden, ein Vorschlag, der den Vorteil hat, dass er gut klingt und der bei offenen Grenzen gleichzeitig schlicht nicht durchsetzbar ist. Das wissen diese um die Volksgesundheit besorgten Schaumschläger natürlich auch – das macht die ganze Aktion ja so schön folgenlos.

Natürlich schädlich
Natürlich ist Rauchen gesundheitsgefährdend – etwa ebenso wie der Individualverkehr, der Hochleistungssport und, wie wir seit kurzem wissen, der leckere Schnellfraß aus der Frittöse. Auch gibt es seit langem eine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Rauchen. Aber wenn man schon sonst als Politiker- In nichts bewegen kann, dann muss man sich wenigstens im Gespräch halten und alte Kamellen als neue wissenschaftliche Erkenntnisse verkaufen. Dass jedeR SuchtexperteIn, der / die seine fünf Sinne noch beisammen hat, bestätigen wird, dass sowohl die vom Ministerium angekündigten wie auch die von einigen TrittbrettfahrerInnen aus der CDU geforderten Maßnahmen wirkungslos sind, sei dabei der Vollständigkeit halber angemerkt.
Aber vielleicht geht es darum ja auch gar nicht. Schon vor Jahren haben clevere ProduzentInnen, die etwas schneller von Begriff waren als die Nervensäge von der SPD, Zigaretten- und Drehtabakmarken ohne jegliche Zusatzstoffe auf den Markt geworfen. Für die ist diese Kampagne eine ideale Werbung aus berufenem Munde. Gibt es da vielleicht Verbindungen?
Wahrscheinlich ist das nicht. Bei den aufsteigenden Rauchzeichen dürfte es sich eher um Notsignale von Leuten handeln, denen nichts mehr einfällt. Aber eines ist beruhigend: Zigarren will keiner verbieten. So kann wenigstens unser Kanzler auch weiter auf dem Wiener Opernball seine Cohibas dampfen.

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