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Bildung, Jugend

Proteste gegen Bildungsabbau

Von Trixi Blixer & Rudi Rosso | 01.12.2003

Ministerpräsident Stoiber und Minister Goppel kündigten Anfang November an, bei den bayerischen Hochschulen ab dem Jahr 2004 zehn Prozent zu „sparen“. Dieses dreiste Vorgehen führte zu Massenprotesten.

Ministerpräsident Stoiber und Minister Goppel kündigten Anfang November an, bei den bayerischen Hochschulen ab dem Jahr 2004 zehn Prozent zu „sparen“. Dieses dreiste Vorgehen führte zu Massenprotesten.

Die Kürzungen sind existenziell, denn sie bedeuten das Aus für einige Fakultäten, die Reduzierung der Bibliotheksöffnungszeiten und vor allem einen großen Personalabbau im so genannten universitären Mittelbau. Mit 10% weniger Etat werden die Hochschulen quasi gezwungen, sich nach alternativen Finanzierungsquellen umzusehen. Da werden dann wirtschaftliche Sponsoringmodelle oder die Einführung von Studiengebühren wieder mal ins Spiel gebracht.
Eine Bewegung entsteht …
Als Reaktion auf die Vorschläge aus der bayerischen Staatskanzlei ist an den Hochschulen landesweit zum Protest aufgerufen worden. Vollversammlungen an Instituten, ganzen Unis bzw. mit Fachschaften und den immer noch verbotenen ASten sind Vorboten größerer Mobilisierungen gewesen. Am 20.11. gab es Demonstrationen in fast allen Uni-Städten, in München war mit 40 000 TeilnehmerInnen gut die Hälfte aller städtischen StudentInnen auf der Demo.

Während mensch sich in der Ablehnung der radikalen Kürzungen einig ist, kann das in Bezug auf die Studiengebühren nicht gesagt werden. Auf der ersten Fachschaftenkonferenz an der Münchner Geschwister-Scholl-Uni (GSU) wurde deutlich, dass ein nicht geringer Teil der Studierenden sogar für die Einführung von Gebühren ist, um die vermeintliche Qualität der Lehre zu sichern. Ein weiterer Teil der StudentInnen möchte das Thema gar nicht weiter diskutieren, um die Bewegung nicht zu spalten. Und ein dritter Teil ist klar für die Ablehnung jeglicher Gebühren. In den letzten Wochen wurde während der fortgeführten Auseinandersetzungen der dritte Teil stärker, so dass auf der Vollversammlung an der Uni eine schwankende Mehrheit für die Ablehnung von Gebühren auf ein Studium war. Der Punkt "Studiengebühren" wurde aber nicht abgestimmt.

Auch bei anderen Inhalten wird deutlich, dass die entstehende Bewegung noch keine einheitlichen Positionen hat. Die linken Studis verbinden argumentativ den Bildungsabbau mit dem stattfindenden Sozialabbau, jedoch gibt es eine ganze Menge StudentInnen, dazu gehört auch der AstA der TU, die vor allem mit standortnationalistischen Argumenten gegen die Kürzungen protestieren. Sie betonen, dass es "ohne Bildung kein Wachstum" gäbe bzw. dass Deutschlands Zukunft gefährdet sei.
Öffentlicher Dienst
Die ver.di Betriebsgruppe an der GSU hat in Flugblättern und auf der Vollversammlung dazu aufgerufen, dass Beschäftigte und Studierende gemeinsam gegen die Kürzungen kämpfen müssen. So war ver.di auch mit einem eigenen, zwar kleinen aber doch präsenten, Block auf der Großdemo am 20.11. vertreten. Denn wenn die Kürzungen so durchgehen, wie es sich der Ministerpräsident vorstellt, dann wird massiv Personalabbau betrieben werden. Oft haben Beschäftigte an den Hochschulen nur befristete Verträge. Sie wären die ersten, die gehen müssten. Damit wird auch das gemeinsam Interesse von Beschäftigten und Studis deutlich: die Betreuung der StudentInnen, die Anzahl der Seminare und die Öffnungszeiten von Sekretariaten werden sich extrem verschlechtern, und der Leistungsdruck auf die übrig gebliebenen Beschäftigten erhöht sich.
Welche Inhalte?
Wir müssen klar gegen Studiengebühren als unsoziale und elitäre Maßnahme Stellung beziehen. Dazu gehört auch die Verteidigung der Hochschulen als öffentliche Institutionen gegen alle Privatisierungsversuche, etwa über Sponsoringkonzepte. Damit die Bewegung Stärke entwickeln kann und sich nicht spalten lässt, ist es wichtig, dass Studis die gemeinsamen Interessen mit den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sehen und sich mit ihnen solidarisieren. Dazu gehören die Arbeiter-Innen und Angestellten an den Hochschulen genauso wie die anderen Beschäftigten im allgemeinen Öffentlichen Dienst. Wichtig ist, dass wir uns in unserer Argumentation klar gegen Profit- und Standortlogik abgrenzen. Noch ist die Entwicklung offen, die Bewegung könnte sich genauso radikalisieren wie abrupt abbrechen. Tun wir unser Bestes dafür, dass es weitergeht.

Weitere Infos unter:
www.nuiprotest.webstudy.de
www.streikbuero.info

 

Studistreik in Hessen
Seit dem 4.11.03 wird an der Uni Frankfurt a. M. gestreikt. In den darauf folgenden Tagen schlossen sich weitere Unis und Fachhochschulen landesweit an. Um was geht es bei diesem Streik?
Koch will für seine rigide Sparpolitik nicht wenig Geld von den Studierenden erpressen. Für Studierende in Hessen bedeutet das die Einführung von Studiengebühren in Form von Langzeitstudiengebühren, Zweitstudiumgebühren und Verwaltungskostenbeiträgen. Zum derzeit diskutierten Sparpaket sollen die Studierenden 39 Millionen Euro beitragen. (500 Euro pro Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit um 4 Semester, im zweiten Überziehsemester 700 Euro und ab den dritten sogar 900 Euro ). Wer nach einem abgeschlossenen Studium noch einen zweiten Abschluss machen möchte soll bis zu 1.500 Euro zahlen. In Höhe von 50 Euro pro Semester sollen jedeR Studierende die verursachten Verwaltungskosten selbst tragen. All diese Gelder sollen nicht etwa den maroden Hochschulen nutzen sondern allein zum Stopfen von Haushaltslöchern genutzt werden und stellen somit eine sozialfeindliche Umschichtung dar. Wer wie ich im Fachbereich 03 Gesellschaftswissenschaften an der Uni Frankfurt studiert weiß, dass die Einhaltung der Regelstudienzeit aufgrund der überfüllten Seminare und der schlechten Ausstattung des Fachbereichs ohne die massive Hilfe wohlhabender Eltern unmöglich ist.
Wir lehnen die geplanten Langzeitstudien- und Zweitstudiumsgebühren, sowie die Einführung weiterer versteckter Gebühren, wie zum Beispiel den geplanten Verwaltungskostenbeitrag, grundsätzlich ab. Im Rahmen des Streiks an der Uni Frankfurt gibt es viele Aktionen und Veranstaltungen.

 

 

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